Bayerisches Landesverzeichnis des Immateriellen Kulturerbes
Das Bayerische Landesverzeichnis umfasst derzeit 82 Einträge. Auf folgender Karte sind jene 66 Kulturformen bzw. Gute Praxisbeispiele markiert, die einem konkreten Ort bzw. einer Region zugeordnet werden können. Die anderen 16 sind in mehreren Bezirken oder bayernweit verbreitet.
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Die Agnes-Bernauer-Festspiele in Straubing werden von rund 200 Laiendarstellerinnen und -darstellern aus Stadt und Umland im Innenhof des Herzoglichen Schlosses als Freilichttheater aufgeführt. Aus verschiedenen Perspektiven wird die tragische, in den lebensgeschichtlichen Details legendäre Geschichte der Baderstochter Agnes Bernauer dargestellt. Die unstandesgemäße Geliebte von Herzog Albrecht III. wurde 1435 in Straubing ertränkt. Seit 1935 wurde die Inszenierung der in einem vierjährigen Turnus stattfindenden Aufführungen mehrfach überarbeitet. Der gemeinsame Schaffensprozess und das Rahmenprogramm lassen ein intensives generationsübergreifendes Gemeinschaftsgefühl entstehen und tragen zur Identifikation der Akteure und der Bevölkerung mit der Straubinger Stadt- und der bayerischen Landesgeschichte bei.
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Das Augsburger Friedensfest entstand im Jahre 1650 anlässlich der Wiedererlangung der freien protestantischen Religionsausübung nach dem Dreißigjährigen Krieg. Stand das Fest über Jahrhunderte im Zeichen der Konfessionskonflikte, so ist das Friedensfest seit dem 20. Jahrhundert ganz bewusst überkonfessionell und interreligiös ausgerichtet. Mit gegenwärtig mehr als 60 Veranstaltungen stellt es die wechselseitige Achtung des Anderen und die Friedenssicherung in den Mittelpunkt. Als Deutschlands einziger städtischer gesetzlicher Feiertag (8. August) ist das Augsburger Friedensfest das zentrale gesellschaftliche Festereignis der Region.
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Im Steigerwald findet man noch heute häufig die einst weit verbreiteten „Stockausschlagwälder“ vor. Verschiedene Laubbaumarten werden im Abstand von einigen Jahrzehnten abgeschlagen – „auf den Stock gesetzt“ – was vor allem der Gewinnung von Brennholz dient. Die Bewirtschaftung von rund 100 bäuerlichen Gemeinschaftswäldern im Steigerwald erfolgt auf Basis eines breiten Spektrums an genossenschaftlichen Rechtsformen mit teils jahrhundertealten überlieferten Praktiken der Vermessung, des Einschlagens sowie Regelungen zur Verteilung des Holzes unter den etwa 2.600 Waldrechtlern.
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Die „Brautradition nach dem Reinheitsgebot“ erlaubt für das Brauen von Bier nur die Verwendung von Wasser, Malz, Hopfen und Hefe. Eine 1516 zunächst für das damalige Herzogtum Bayern in Ingolstadt erlassene Verordnung bildet die Basis für eine nahezu 500-jährige handwerkliche Tradition des Bierbrauens, die als „Braukunst“ bezeichnet wird. Denn umfangreiches tradiertes Wissen und großes handwerkliches Können sind erforderlich, um aus den vier zulässigen natürlichen Zutaten eine Vielfalt an Bieren zu produzieren. Seit dem frühen 20. Jahrhundert ist hierbei der Begriff „Reinheitsgebot“ belegt. Die verschiedensten Biersorten und die große Zahl an Brauereien spiegeln in beeindruckender Weise die über Jahrhunderte entwickelten, regional unterschiedlichen Brauhandwerkstechniken.
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Fährleute bringen ganzjährig Menschen, Tiere und Fahrzeuge auf Zuruf über den Main. Besonders Einheimische, aber auch Touristinnen und Touristen nutzen gerne diese Form der direkten Flussüberquerung, die ortsnah und mit einem erheblichen Zeit- und Kostenvorteil gegenüber den Umwegen über Brücken auch nachhaltig ist. Umfangreiches Wissen über Eigenheiten am jeweiligen Mainabschnitt (spezifische Strömungen, Wind und Sog, Hoch- und Niederwasser, Schiffsverkehr und Freizeitnutzung) sowie das richtige Verhalten beim Betrieb der Fähren auch in kritischen Situationen geben die Fährleute von Generation zu Generation weiter. Als Direktverbindungen unterstützen die Mainfähren bei den Einwohnern der flussnah gelegenen Ortschaften soziale Verbundenheit und fördern das regionale Zugehörigkeitsgefühl.
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In der Region Oberfranken ist man seit längerem bemüht, deren kulinarische Identität zu bewahren und die regionale Vielfalt an überlieferten Rezepturen und bäuerlich oder handwerklich erzeugten Lebensmitteln zu erhalten. Die historisch vielschichtige Kulturlandschaft ist Grundlage einer Fülle an regionaltypischen Lebensmitteln, Speisen und Getränken, die vielfach saisonal gebunden sind oder sich an dem örtlichen Brauch- und Festgeschehen orientieren. Der Verein „Genussregion Oberfranken“ hat seit 2007 mehr als 300 regionale Spezialitäten dokumentiert und ein Netzwerk an Akteuren aufgebaut, die sich um den Erhalt der regionalen Produkte bemühen.
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Der Chinesenfasching in Dietfurt an der Altmühl gehört zu den bekanntesten Faschingsveranstaltungen in Bayern. Am „Unsinnigen Donnerstag“ bewegt sich ein etwa 1.500 Teilnehmer zählender Umzug mit „Kaiserpaar“, teilweise chinesisch gewandeten Fußgruppen und Umzugswagen in Richtung Stadtplatz, wo der „Empfang“ vor dem „Thron“ einen Höhepunkt bildet. Der Name basiert auf dem historischen Ortsnecknamen „Chinesen“ für die Dietfurter und wird seit dem frühen 20. Jahrhundert als Faschingsmotto umgesetzt. Heute gibt es einen engagierten Kulturaustausch mit China, zum Umzug kommt der Generalkonsul und chinesische Kulturvereine beteiligen sich. Die Beschäftigung mit China wird im Sommer durch die chinesischen Kulturtage fortgesetzt.
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Jährlich im August findet nach einem Festgottesdienst in Meeder ein Marktfest statt, in dessen Umfeld u.a. Vorträge, Konzerte und Ausstellungen unter dem Motto „Frieden“ zu hören und zu sehen sind. Seit 1971 wird das Fest zudem alle zehn Jahre im Rahmen eines im Coburger Raum veranstalteten Friedensdankfestes gefeiert. Das Fest geht auf eine Anordnung des Herzogs Friedrich Wilhelm II. von Sachsen-Altenburg aus dem Jahr 1650 zurück, der nach Ende des Dreißigjährigen Krieges für die gesamte Region Friedensfeste anordnete. Nur in Meeder hat sich dieses seit 1857 belegte Friedensfest erhalten.
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Zu den "vier Knabenchören Bayerns" zählen die aus mittelalterlichen Domsingschulen hervorgegangenen Chöre in Regensburg (seit 975 bestehend) und Augsburg (1439 erstmals belegt und 1976 neu gegründet) sowie die nach dem Zweiten Weltkrieg gegründeten Chöre in Windsbach und Bad Tölz. Die Tradition der Knabenchöre beruht auf deren besonderen Stimmlage. Die Chöre bemühen sich um eine praktisch wie theoretisch fundierte musikpädagogische Ausbildung und sind für ihre international renommierten Konzerte bekannt. Das Repertoire umfasst Chorwerke von der Gregorianik über die moderne Oper bis hin zum Volkslied. Mittlerweile nimmt der Chor in Regensburg auch Mädchen auf.
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Die Handwerkstradition des Drechselns ist eine sehr alte Form der mechanischen Bearbeitung von Werkstoffen wie Holz, Horn oder früher auch Elfenbein. Heute wird das Handwerk meist in kleinen Betrieben praktiziert, die Einzelstücke herstellen oder sich auf kunsthandwerkliche Objekte spezialisiert haben. Daneben betreiben Laien das Drechseln als Hobby mit mehr oder weniger künstlerischen Ambitionen. Mit der Berufsschule in Bad Kissingen (einer von zwei verbliebenen Schulen in ganz Deutschland) und der Stadt Fürth als Sitz des Drechslerfachverbandes ist Bayern ein wichtiges Zentrum im Hinblick auf die Weitervermittlung der handwerklichen Fähigkeiten und Techniken des Drechselns.
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Das vermehrte Auftreten von Eichenbeständen im Spessart ist die Folge einer langfristigen forstwirtschaftlichen Praxis seit dem 18. Jahrhundert, in die auch die regionale Bevölkerung eingebunden ist. In den sogenannten „Mastjahren“ (alle 5 bis 10 Jahre) werden Eicheln meist von ortsansässigen Personen, Familien oder Betrieben gesammelt und auf vorbereiteten Flächen ausgesät. Dabei spielen örtliche Landwirte und die sogenannten „Kulturfrauen“ für die Vorbereitungen und die Pflege eine tragende Rolle. Aus der generationsübergreifenden forstwirtschaftlichen Praxis der Eichensaat ergibt sich eine besondere Kulturlandschaft mit einer spezifischen Biodiversität.
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Das Englmarisuchen ist ein religiöses Schauspiel, das die Legende vom Leben, dem gewaltsamen Tod und der Auffindung des Leichnams des seligen Engelmar erzählt. Unter breiter Anteilnahme der Bevölkerung ziehen Darstellerinnen und Darsteller in historisierenden Kostümen mit einem von Ochsen gezogenen Wagen zum Kapellenberg, wo der Einsiedler um 1100 ermordet worden sein soll. Das Spiel ist seit der Mitte des 19. Jahrhunderts belegt und war bis 1906 in eine Fronleichnamsprozession eingebunden, seither findet es alljährlich am Pfingstmontag in Sankt Englmar statt. Um das Schauspiel haben sich weitere Bräuche wie eine Reiterprozession, das Auftreten des „Pfingstl“ und der „Pfingstltuscher“ zu einem seit Generationen gepflegten zentralen Festtermin gruppiert.
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In Bayern gibt es über 10 Millionen Flurnamen und gut 50.000 Hausnamen, die in einer zum Teil jahrhundertelangen Tradition überliefert sind. Diese Namen wurden meist durch die ortsansässige Bevölkerung geprägt und zeugen von der Beziehung der Menschen zu der sie umgebenden Landschaft, zu ihrem Arbeitsgebiet oder ihrem Wohnort. Im ländlichen Raum besitzen diese Namen teilweise auch heute noch eine wichtige Orientierungsfunktion. Der „Verband für Orts- und Flurnamenforschung in Bayern e. V.“ hat es sich zur Aufgabe gemacht, die Flur- und Hausnamen systematisch zu dokumentieren, zu erforschen und das Wissen darum zu erhalten.
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Der Erhalt der traditionellen Baukultur von Jurahäusern im Altmühltal, von denen es heute noch etwa 3.000 gibt, stellt sowohl handwerklich als auch ökonomisch eine große Herausforderung dar. Die historischen Jurahäuser sind geprägt durch einen schlichten kubischen Baukörper mit fast quadratischen Fenstern und eine Dachdeckung aus übereinandergelegten dünnen, nur an einer Kante gerade gehauenen Jurakalksteinplatten, die durch das eigene Gewicht halten. Der 1984 gegründete „Jurahausverein e. V.“ mit seinen ca. 800 Mitgliedern setzt sich für den Erhalt dieser regionalen Baukultur ein. Zu den vielfältigen Aktivitäten zählen neben dem Museum „Das Jurahaus“ in Eichstätt Vorträge, Führungen, Workshops und Publikationen. Die öffentlichkeitswirksame Bewusstseinsbildung und dazu auch die praktische Hilfe bei Förderanträgen tragen zum Erhalt der tradierten Handwerkstechniken und der spezifischen Hauslandschaft in ihrem Bezug zu den naturräumlichen Gegebenheiten bei.
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Ziel des Arbeitskreises Historisches Handwerk ist die Bewahrung und Vermittlung von Wissen und Können des Fassbinderhandwerks. Den Ausgangspunkt bildet dabei die Ausstattung der ehemaligen Fassbinderei Mickisch in Tirschenreuth, die gesichert werden konnte und funktionstüchtig erhalten wird. Handwerklich Versierte sind ebenso wie Laien zur Mitarbeit oder zum Besuch eingeladen. Der Arbeitskreis trägt in vorbildlicher Weise zur Erhaltung traditioneller Handwerkstechniken bei, zudem wird hierbei Geschichte in einem regionalen Rahmen erfahrbar.
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Die öffentliche Inszenierung eines evangelischen Hochzeitszuges aus der ehemaligen Grafschaft Wertheim durch den Gesang- und Trachtenverein Glasofen e.V. soll das Wissen über lokale historische Hochzeitsbräuche und Trachten aus der Zeit um 1890/1900 sowie die mit ihnen verbundenen handwerklichen Fähigkeiten vermitteln. Aufführungen finden bei festlichen Gelegenheiten vor Ort und in der Umgebung statt, aber auch bei Ereignissen wie dem Trachten- und Schützenzug des Münchner Oktoberfests. Die kontinuierliche Brauch- und Trachtenpflege begann 1951 mit der Gründung einer Trachtengruppe durch einen örtlichen Lehrer. Neben den Umzügen stehen die Bewahrung und Nachbildung der historischen Kleidungsstücke, Kenntnisse um deren angemessene Verwendung und das teilweise sehr komplizierte Ankleiden im Fokus der Erhaltungsbemühungen.
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Die Fahnenstickerei umfasst die Planung, Gestaltung und Ausführung, aber auch die Pflege und Restaurierung von Fahnen. Bis zum frühen 19. Jahrhundert handelte es sich um reine Handarbeit, die u.a. in Klöstern und speziellen Werkstätten erledigt wurde. Seit der Industrialisierung kamen dann auch Stickmaschinen zum Einsatz. Ihren Höhepunkt erlebte die Fahnenstickerei durch das Aufblühen des Vereinswesens im 19. und frühen 20. Jahrhundert. Zum handwerklichen Wissen und Können zählen die Kenntnis der Materialien und die Sticktechniken ebenso wie die für eine Restaurierung historischer Stücke notwendigen Spezialkenntnisse.
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Carl Orff (1895-1982) hat in Zusammenarbeit mit der Tänzerin Dorothee Günther (1896-1975) und der Musikerin Gunild Keetman (1904-1990) seit den 1920er Jahren eine improvisationsgeprägte, stark rhythmusgetragene Methode der elementaren Musik- und Bewegungslehre entwickelt. Die Grundideen dieser elementaren Musik- und Tanzerziehung haben sich seither weithin verbreitet und werden vielfältig aufgegriffen. Dabei bildet der 1985 entwickelte Familienkurs der „Orff-Schulwerk Gesellschaft Deutschland e. V.“ eine kreative Form der Pflege und Weiterentwicklung des Orff-Schulwerks.
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Die seit dem späten Mittelalter belegbaren „Feldgeschworenen“ wachen über die Einhaltung von Grundstücksgrenzen und die Setzung der Grenzsteine. In manchen Regionen werden sie auch als „Siebener“ bezeichnet, weil sie als Gruppe von sieben Personen auftreten. Das Wissen um die richtige Platzierung wird als „Siebenergeheimnis“ bezeichnet. Träger dieses Rechtsbrauchs sind heutzutage bayernweit rund 24.000 ehrenamtlich tätige Feldgeschworene. Ihre Bedeutung ging zwar durch die Einführung der staatlichen Landesvermessung im frühen 19. Jahrhundert zurück, aber die Feldgeschworenen arbeiten seither mit den Vermessungsämtern zusammen und genießen in der Bevölkerung meist ein besonderes Vertrauen.
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Die allgemein verbreitete Handwerkstradition des Flechtens besitzt in der Region Oberfranken heute noch eine besondere Bedeutung. Das Deutsche Korbmuseum in Michelau und die Berufsfachschule für Flechtwerkgestaltung in Lichtenfels tragen dazu bei, die Fähigkeiten weiterzugeben, verschiedene Materialien miteinander zu einer stabilen Struktur zu verbinden. In Lichtenfels findet alljährlich ein Korbmarkt statt, der die große Bandbreite und die Kreativität dieses Handwerks sichtbar werden lässt. Neben der Funktionalität von Flechtprodukten und Körben werden bei dem im Haupt- bzw. Nebenerwerb oder als Hobby ausgeübten Handwerk vermehrt auch ästhetische und künstlerische Anforderungen kreativ aufgegriffen.
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Das gemeinsame Spielen mit Brettspielen stellt eine weit verbreitete kulturelle Praxis dar, in der neben der Unterhaltung Regeln eingeübt und vermittelt werden, die auch im Zusammenhang mit sozialen Aushandlungen stehen. Das „Deutsche Spielearchiv Nürnberg“, das „Spielzeugmuseum Nürnberg“ und das „Bayerische Spiele-Archiv Haar“ bemühen sich in herausragender Weise um die Sammlung und Erforschung, aber auch um die Vermittlung von Brettspielen und des dazugehörenden Wissens. Zudem wirken die Einrichtungen als Ideengeber für Brettspielerinnen und -spieler, die sich selbst in einem breiten Spektrum an Formen, etwa in Spieleclubs und Spieleevents organisieren.
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Alle fünf Jahre finden die „Fränkischen Passionsspiele“ in der unterfränkischen Gemeinde Sömmersdorf als Laienschauspiel mit professioneller Regie statt. Dabei ist ein sehr großer Teil der lokalen Bevölkerung bei den Aufführungen auf und hinter der Bühne engagiert. Nach einer ersten Aufführung im Heiligen Jahr 1933 werden seit den 1950er Jahren die Passionsgeschichte, in den Zwischenjahren weitere Theaterstücke inszeniert. Die Spielpraxis hat sich mittlerweile zu einer für alle Ortsbewohner offenen Kulturform entwickelt, in der auch aktuelle gesellschaftliche Themen verhandelt werden.
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Beispiel für die Tradition der Stadtkirchweihen in Franken
Die Fürther Michaeliskirchweih zählt zu den größten Stadtkirchweihen in Bayern, sie zieht Besucherinnen und Besucher aus einem weiten Umkreis an und hat eine zentrale Rolle für die Stadtgesellschaft. Zu dem 12-tägigen Fest gehören heute der überkonfessionelle Kirchweihgottesdienst, der Kirchweihmarkt, gastronomische Angebote, ein Unterhaltungsbereich mit Fahrgeschäften und anderen Schaustellern, der Erntedankumzug sowie die „Wirtshauskerwa“. Das jeweils um St. Michaelis gegen Ende September im inneren Stadtgebiet Fürths stattfindende Fest steht mit seiner bis in das 16. Jahrhundert zurückreichenden Geschichte stellvertretend für Kirchweihfeste in den Städten Frankens.
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Der Gelübdefeiertag in Grafenwöhr bezieht sich seit 1731 auf den Seuchen- und Pestheiligen Sankt Sebastian, der nach seiner Anrufung die Stadt von der Pest befreit haben soll. Der Feiertag wird bis heute jedes Jahr am 20. Januar mit Kirchenzug, Gottesdienst sowie sich anschließenden Feierlichkeiten begangen und ein großer Teil der Bevölkerung beteiligt sich, darunter auch Vertreter des nahegelegenen Truppenübungsplatzes. Zu den besonderen Festspeisen zählen die Sebastianpfeile, ein spezielles Hefegebäck, das in der sonderpädagogischen Berufsschule hergestellt wird.
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Die Verehrung des heiligen Georg, der laut Legende aus Kappadokien stammt und um 303 den Märtyrertod erlitten haben soll, verbreitete sich über die Ostkirche nach Westeuropa. Hierzulande wurde der Heilige vor allem durch die Drachentöter-Legende populär und gerne als Nothelfer angerufen. Der Georgiritt von Traunstein ist seit 1762 belegt und findet jeweils am Ostermontag statt. Er führt zum Ettendorfer Kircherl, wo Pferde und Reiter gesegnet werden. Nach der Rückkehr der Reiterprozession zum Stadtplatz wird in spielerischer Form ein historischer Schwerttanz aufgeführt. Der älteste lokale Beleg für einen Schwerttanz stammt aus dem Jahr 1530. Allerdings geriet dieser Tanz in Vergessenheit, wurde in den 1920er Jahren choreographiert und seit 1926 mit dem Georgiritt zu einem Fest kombiniert.
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Die „Goldhaubentradition im Passauer Land“ umfasst die Herstellung und das Tragen von kunstvoll gefertigten Kopfbedeckungen für Frauen. Seit etwa 1800 zunächst in der Linzer Gegend belegt, hat sich diese aus den etwas älteren Brokatbodenhauben entwickelt. Im 20. Jahrhundert fast in Vergessenheit geraten werden die Goldhauben seit den 1970er Jahren wieder verstärkt als „krönendes“ Accessoire zu besonderen Anlässen getragen. Heutzutage sind die Hauben nicht mehr standesgebunden und werden auch nicht mehr von gewerblich spezialisierten Haubenmacherinnen gefertigt, vielmehr sind es meist die Haubenträgerinnen selbst, die ihre Kopfbedeckungen in zeitaufwändiger Handarbeit herstellen.
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Beim Goldschlagen werden kleine Metallplättchen durch intensive Bearbeitung mittels unzähliger Hammerschläge zu extrem dünnen Goldblättchen, dem Blattgold, verarbeitet. In Deutschland existiert das Goldschlägerhandwerk nur noch in der mittelfränkischen Stadt Schwabach, die seit dem 16./17. Jahrhundert für ihre Goldschläger und Blattgoldarbeiten berühmt ist. Blattgold aus Schwabach wurde und wird heute noch weltweit exportiert. Die Blättchen aus Gold und verschiedenen Legierungen werden vorwiegend beim Vergolden weiterverarbeitet, finden aber auch in Lebensmitteln Verwendung.
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Alternativ: Gregori, Gregorien-Fest
Das Gregorius-Fest ist ein Schul- und Kinderfest, das im Mittelalter und in der Frühen Neuzeit weit verbreitet war. Heute wird es nur noch in einigen protestantisch geprägten Orten Oberfrankens (Creußen, Kasendorf, Kulmbach, Pegnitz, Schnabelwaid und Thurnau), vereinzelt auch in Thüringen und Baden gefeiert. Zu den wesentlichen Bestandteilen gehört ein Umzug der oft verkleideten Schulkinder, die häufig Blumenbögen und verzierte Klassenschilder mitführen. Auf dem Festplatz folgen Vorführungen, anschließend gibt es traditionelle Spiele wie Wurstschnappen, Büchsenwerfen, Slalom-Eierlauf oder Kletterbaum. Der Nachmittag des Gregorius-Festes ist meist ein lokaler Ruhetag und hat eine integrative und gemeinschaftsbildende Funktion.
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Beim Handweben handelt es sich um die Herstellung von Geweben an Webrahmen, Flachwebstühlen oder anderen nichtmaschinellen Webgeräten durch die rechtwinkelige Verkreuzung von Fäden auf einer oder mehreren Ebenen. Das Handweben gehört zu den sehr alten Kulturtechniken, ist eng mit dem Grundprinzip des Flechtens verbunden und auf allen Kontinenten verbreitet. Mit der Erfindung des vollmechanischen Webstuhls im 18. Jahrhundert setzte ein Niedergang der häufig in Heimarbeit durchgeführten Produktion ein, verbunden mit der Verarmung der Weberfamilien. Das Handweben bekam erst eine neue Ausrichtung und Wertschätzung, als im 20. Jahrhundert zukunftsweisende Impulse aus der Kunstgewerbebewegung, dem Werkbund und dem Bauhaus aufgenommen werden konnten. Heute wird die Handweberei vor allem im Kunsthandwerk und als Hobby ausgeführt, die Trägergruppe ist auch ohne zentrale Organisation vielfältig vernetzt.
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Die mehrere Jahrhunderte alte Handwerkstechnik der Fertigung von Flachglas im Mundblasverfahren wird europaweit nur noch an drei Standorten praktiziert. Eine dieser Glashütten befindet sich in Waldsassen in der Oberpfalz. Das dort handwerklich hergestellte Flachglas im Zylinderverfahren findet vor allem in der Glasarchitektur, der Denkmalpflege und bei Künstlerinnen und Künstlern Verwendung. Es ist das besondere Wissen und Können der Glasmacher, die schließlich das prächtige Farbenspiel der Gläser erzeugen, wenn Licht durch die mundgeblasenen Glasscheiben fällt.
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In der 1903 erstmals aufgeführten „Landshuter Hochzeit 1475“ wird eines der prunkvollsten Feste des ausgehenden Mittelalters nachgespielt: die Vermählung von Georg dem Reichen, Herzog von Bayern-Landshut, mit der polnischen Königstochter Hedwig. Alle vier Jahre sind heute knapp 2.500 Mitwirkende daran beteiligt, das Ereignis nach historischen Quellen und Vorlagen detailreich darzustellen. Die dreiwöchige Festspielzeit umfasst knapp 100 Einzelveranstaltungen, darunter den Festzug durch die Stadt und das Ritterturnier, die mehr als eine halbe Million Besucher anziehen. Getragen wird das historische Spiel von einem Verein mit rund 7.000 Mitgliedern.
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„Der Drachenstich“ zu Furth im Wald thematisiert den Kampf eines mutigen Ritters gegen einen gefährlichen Drachen. Entwickelt hat sich das historische Festspiel aus einer seit 1590 belegbaren Fronleichnamsprozession, bei der auch als besonders beliebte Szene ein heiliger Georg mit einem Drachen mitgeführt wurde. Ein Verbot des Pfarrers führte dazu, dass 1879 ein von der Fronleichnamsprozession losgelöstes profanes Schauspiel entstand, in dessen Zentrum der Drache steht. Der Drache als Verkörperung des Bösen und dessen Gefährlichkeit sind im Laufe der Jahrzehnte immer wieder neu interpretiert worden. Das heutzutage im August aufgeführte Festspiel mit seinem 16 Meter langen, hochmodernen Roboter-Drachen wird von zahlreichen Veranstaltungen begleitet.
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„Der Meistertrunk“ zu Rothenburg ob der Tauber wurde im Jahre 1881 erstmals aufgeführt und erinnert alljährlich in der Pfingstzeit an die Rettung der Stadt im Dreißigjährigen Krieg. Im Jahre 1631 soll das kaiserlich-katholische Heer abgezogen sein, nachdem der Bürgermeister vor den Augen des kaiserlichen Feldherren Tilly 3 ½ Liter Wein in einem Zug ausgetrunken habe. In den mehr als 130 Jahren der Aufführung wurde das Bühnenstück nach und nach ergänzt durch den „Heereszug“, ein historisierendes Feldlager und einen Mittelaltermarkt. Getragen wird das historische Festspiel unter reger Anteilnahme der Stadtbevölkerung von über 100 vereinsmäßig organisierten Laiendarstellerinnen und -darstellern in historisierenden Gewändern.
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Die „Kinderzeche“ in Dinkelsbühl kombiniert ein im Jahre 1629 erstmals erwähntes Schulfest mit einem 1897 geschaffenen historischen Schauspiel. Dieses handelt von einer Sage um die Türmerstochter Lore, die im Dreißigjährigen Krieg geschickt die Aufhebung der Belagerung der Reichsstadt Dinkelsbühl durch schwedische Soldaten bewirkt haben soll. Die Kinderzeche findet jährlich im Juli statt, wobei neben dem mehrfach aufgeführten Festspiel auch Kindertänze und ein Festzug in historisierenden Kostümen durchgeführt werden. An diesem nehmen Schülerinnen und Schüler von der ersten bis zur achten Klasse teil. Sie werden dafür mit einer mit Süßigkeiten gefüllten „Kinderzech-Gucke“ bedacht. Neben den Schulkindern tragen über 1.000 weitere Akteure zur Verlebendigung von Geschichte im Rahmen des seit vielen Generationen populären Schul- und Heimatfestes bei.
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Der „Hofer Schlappentag“ ist das zentrale Stadtfest in Hof und wird am Montag nach Trinitatis (eine Woche nach Pfingstmontag) gefeiert. Den historischen Kern bilden die Schützengesellschaften, die seit dem 15. Jahrhundert belegt sind und um die herum sich eine vielfältige Festpraxis formiert hat. Zu dieser gehört das speziell gebraute „Schlappenbier", das erstmals bei Eintreffen des Festzuges verkostet und ausgeschenkt wird. Seit dem 19. Jahrhundert sind die Handwerkszünfte fester Bestandteil des Geschehens. Der Name „Schlappentag“, abgeleitet von den Schlappen (Holzschuhen), ist seit 1904 belegt. Als Hofer „Nationalfeiertag“ hat das Fest eine große Bedeutung für den Zusammenhalt der Stadtgesellschaft.
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Die fünf Fachschulen für das Holzschnitzer- und Holzbildhauerhandwerk in Bayern vermitteln Wissen und Können um traditionelle Handwerkstechniken und gehen dabei deutlich über eine auf betriebliche Anforderungen hin ausgerichtete Ausbildung hinaus. Das Anliegen der Schnitzschulen zielt in Verbindung von Theorie und Praxis auf gut ausgebildete, kreative und zum eigenen Arbeiten fähige Holzschnitzer und Holzschnitzerinnen. Sie sollen sich der Geschichte und Tradition ihres Berufes bewusst sein und zugleich auf die veränderten Rahmenbedingungen unserer Zeit und des Marktes vorbereitet werden. Die im 19. und frühen 20. Jahrhundert zur Strukturförderung gegründeten Schulen in Bischofsheim, Berchtesgaden, Oberammergau, Garmisch-Partenkirchen und München stellen ein herausragendes Beispiel für die Vermittlung von traditionellen Handwerkstechniken dar.
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Die Kerzenwallfahrt von Holzkirchen (Gemeinde Ortenburg) zur Wallfahrtskirche „Mariä Himmelfahrt“ auf dem Bogenberg (Stadt Bogen) ist eine seit dem 15. Jahrhundert nachweisbare Fußwallfahrt von Laien an Pfingsten. Ihr voraus geht die Herstellung der etwa 12 m langen Kerze, genannt „Lange Stang“, für die ein Fichtenstamm mit Wachsschnüren umwickelt wird. Die Wallfahrerinnen und Wallfahrer legen an zwei Tagen eine Strecke von etwa 75 km zurück. In den auf dem Weg liegenden Orten gibt es überlieferte Rituale, zudem unterstützt die Bevölkerung die Wallfahrenden und beteiligt sich an dem Wallfahrtsgeschehen. Die Wallfahrt trägt zu einem regionalen Zugehörigkeitsgefühl bei und ist in vielfältige profane Bräuche und Handlungen eingebunden.
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Der innerstädtische Erwerbsgartenbau in Bamberg umfasst den Gemüseanbau und die damit verbundenen vielfältigen wirtschaftlichen und kulturellen Traditionen der Gärtner. Seit dem 14. Jahrhundert belegbar, waren die Bamberger Gärtner neben dem eigentlichen Gemüseanbau vom 15. bis zum 19. Jahrhundert auch auf die Produktion von Gemüsesaatgut und Süßholz spezialisiert. Heute vermarkten sie ihre Waren auf dem Grünen Markt, in Hofläden und Restaurants. Trotz Schließung zahlreicher Betriebe seit den 1970er Jahren spielen die Bamberger Gärtner mit ihrer spezifischen Kleidung, ihren Bruderschaften und Vereinen, Festen und Bräuchen im kulturellen Leben der Stadt Bamberg eine unübersehbare Rolle.
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Der Kirchseeoner Perchtenlauf ist ein winterlicher Umzugsbrauch, bei dem eine Gruppe aus unterschiedlich maskierten Gestalten an bis zu elf Terminen von der Adventszeit bis zur Nacht auf Epiphania (6. Januar) durch die Gemeinde zieht und Tänze, Gesänge und Sprüche aufführt. Er fand erstmalig im Winter 1954/55 zur Förderung regionaler Identität statt und hat sich seitdem zu einem etablierten Brauch entwickelt, der auch impulsgebend für andere Orte wurde. Die Masken, Kostüme, Requisiten und Abläufe lehnen sich teilweise an ältere Brauchgestalten und -formen an oder sind neu gestaltet. Der Perchtenverein ist das ganze Jahr über aktiv, da die Tänze geübt sowie Masken und Gewänder instandgesetzt oder neu geschaffen werden müssen. Seit 2021 gibt es mit dem „Maskeum“ in Kirchseeon ein eigenes Museum des Perchtenlaufs.
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In etwa einhundert Ortschaften im Landkreis Amberg-Sulzbach wird jährlich Kirwa (Kirchweih) als lokales Fest gefeiert. Die öffentlichen Feste dauern üblicherweise drei Tage, die Hauptelemente – darunter die Errichtung des Kirwabaumes – sind ähnlich, jedoch gibt es lokale und regionale Besonderheiten. Im Zentrum der Organisation stehen meist Gruppen von unverheirateten Jugendlichen und jungen Erwachsenen. Eine wichtige Rolle für deren Ausgestaltung spielt der im Landkreis institutionalisierte „Kreisheimatpfleger für die Kirwa“. Er regte verschiedene Elemente, Gestaltungen und Abläufe an, die von den Trägergruppen übernommen und weitergeführt wurden. Wissen und Können werden innerhalb der Gemeinschaften sowie mit Unterstützung der Heimatpflege weitergegeben und weiterentwickelt.
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Der „Kötztinger Pfingstritt“ ist eine Bitt- oder Flurprozession, an der heutzutage über 900 Reiter mit festlich geschmückten Pferden teilnehmen. Der Legende nach geht er auf ein Gelöbnis des Jahres 1412 zurück, als Burschen aus Kötzting ihrem Pfarrer auf dem Weg zu einer Krankensalbung in das rund sieben Kilometer entfernte Steinbühl Geleitschutz gaben. Die seit 1647 sicher nachweisbare, alljährlich am Pfingstmontag durchgeführte Reiterprozession ist 2004 wieder zu einer eucharistischen Prozession erhoben worden. In Steinbühl wird eine Messe gefeiert, nach der Rückkehr erhält der „Pfingstbräutigam“ vom Kötztinger Pfarrer ein „Tugendkränzchen“, anschließend wird eine „Pfingsthochzeit“ gefeiert.
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Die Leonhardifahrt ist eine Prozession zu Pferd, die zu Ehren des als Viehpatron verehrten heiligen Leonhard von Limoges in Kreuth, wie auch in anderen Orten in Altbayern und Westösterreich, alljährlich an seinem Gedenktag am 6. November durchgeführt wird. Seit 1599 belegt, handelte es sich in der Frühen Neuzeit um Umritte mit Pferdesegnung, spätestens seit dem frühen 20. Jahrhundert kamen auch Fuhrwerke mit den sogenannten „Truhenwagen“ hinzu, auf denen die in Tracht gekleideten Teilnehmerinnen und Teilnehmer von der Kirche ins Dorf fahren. Als Besonderheit der Kreuther Leonhardifahrt gilt das Lenken der Pferde nicht vom Wagen aus, sondern vom Sattel.
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Die „Schwedenprozession“ in Kronach geht auf eine Dankprozession für das glückliche Ende einer Belagerung durch schwedische Truppen im Dreißigjährigen Krieg zurück. Die seit 1632 alljährlich begangene, seit den 1970er Jahren ökumenische Prozession führt am Sonntag nach Fronleichnam von der Stadtpfarrkirche zur Festung Rosenberg und wieder zurück. Nach der Prozession gibt es einen festlichen Ausklang. Beteiligten sich daran früher die Zünfte und das Bürgermilitär, so sind es heute Vereine, städtische Institutionen und historische Gruppen. Eine besondere Rolle bei der Dankesprozession kommt bis heute den Frauen zu, da die letzte Belagerung der Stadt nur durch ihre Hilfe abgewehrt werden konnte.
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Vermittlung historischer Tanzkultur und transnationale Zusammenarbeit
Bei den „Kuhländler Tänzen“ handelt es sich um eine Reihe von Tänzen und den zugehörigen Liedern aus dem nordöstlichen Mähren. Vertriebene aus Mähren fanden sich in Westdeutschland zusammen, um dieses kulturelle Erbe zu pflegen und die Kenntnis um Tanzfiguren, Musik und Texte weiterzugeben. Seit der Jahrtausendwende gibt es einen regen Austausch zu tschechischen Tanzgruppen in Mähren, die sich ebenfalls für diese historischen Tänze interessieren. Diese transnationale Zusammenarbeit ist ein Beispiel für das Bemühen um eine gemeinsame Weitergabe von Kulturerbe in Europa.
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Das Kunigundenfest ist ein seit dem 17. Jahrhundert belegtes Schul- und Kinderfest in der Stadt Lauf an der Pegnitz, das jährlich im Juli gefeiert wird. Anlass ist die Weihe der Kunigundenkapelle auf dem nördlich der Stadt gelegenen Kunigundenberg. In einem Festzug, zu dem neben geschmückten Festwagen und Musikkapellen die von einer Schülerin dargestellte Kaiserin Kunigunde gehört, ziehen die Schulkinder der städtischen Schulen auf den Berg. Dort folgt ein Festprogramm mit Tanz-, Musik- und Theatereinlagen. Umrahmt wird das Geschehen von einem fünftägigen Kirchweihfestbetrieb.
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Das „Laudenbacher Osternachtsingen“ ist ein in der Karwoche gepflegter Heischebrauch, der sich durch einen dreistimmigen Männergesang auszeichnet. Dabei zieht eine selbstorganisierte Gruppe von unverheirateten Männern durch den Ort mit 1.400 Einwohnern und verkündet mit „Raspeln“ (Ratschen) und Gesang vor jedem Haus die Botschaften von Tod und Auferstehung Christi. Das seit 1908 belegte Laudenbacher Osternachtsingen ist eine der letzten Ausprägungen eines ehemals weit verbreiteten Brauches. Für die regionale Identität ist dieser vorösterliche Brauch von großer Bedeutung.
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Das „Leipheimer Kinderfest“ geht auf die Erntedankfeste nach der großen Hungersnot von 1815/16 zurück. Es findet seit 1817 alljährlich am zweiten Juliwochenende statt. Gut 400 Schülerinnen und Schüler der Grund- und Hauptschule aus Leipheim stehen im Zentrum des Festes, zu dem verschiedene Tänze, der Vortrag von Festsprüchen, Umzüge, Spiele und ein allgemeiner Festbetrieb gehören. Das für die Stadt und Region zentrale Fest vermittelt historisches Wissen und steht in jüngerer Zeit vermehrt unter dem Gedanken der Nachhaltigkeit.
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Die „Limmersdorfer Lindenkerwa“ stellt eine ganz besondere Form der europaweit verbreiteten Kirchweihfeiern dar. Im Mittelpunkt der Feierlichkeiten steht eine Tanzlinde, deren Äste kunstvoll so geführt worden sind, dass man auf ihnen einen hölzernen Tanzboden in luftiger Höhe errichten konnte. Von diesen ehemals verbreiteten Tanzlinden gibt es nur noch ganz wenige, in denen heute noch ein Tanz in der Baumkrone möglich ist. Im oberfränkischen Limmersdorf ist die 1686 gepflanzte Linde nachweislich seit mindestens 1729 jedes Jahr an Kirchweih betanzt worden. Der Tanz auf der Linde wird angeführt von noch unverheirateten Kirchweihburschen und -mädchen. Zum dreitägigen Fest gehören auch ein Gottesdienst, das Abholen der Mädchen und der Burschen, ein Festzelt, eine traditionelle Kegelbahn und schließlich das „Kirchweihbegräbnis“, bei dem auch die Treppe auf die Linde hinauf wieder abgebaut wird.
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Die handwerklichen Mal-, Fass- und Vergolde-Techniken der Kirchenmalerei und des Vergoldens gehören seit der Renaissance zu den grundlegenden Aufgaben jeden Kirchenmalers. Sie erlebten im Zeitalter des Barock einen markanten Höhepunkt, wovon in Bayern zahlreiche Bauwerke zeugen. Die Beherrschung der Techniken zur dekorativen Gestaltung von Oberflächen in Kirchen, profanen Bauwerken und Kunstwerken beinhaltet auch die Imitation von edlen Materialien und die Verarbeitung von Blattmetallen und Metallpulvern. Voraussetzungen sind ein intensiver Lernprozess und ein profundes Verständnis für die jeweilige Materie.
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Die Tradition des Krippenbauens lässt sich im oberfränkischen Marktredwitz mit seiner überwiegend evangelischen Bevölkerung seit gut 150 Jahren nachweisen. Nach tagelangen Vorarbeiten sind alljährlich zwischen Weihnachten und dem Dreikönigstag in etwa 50 Familien großflächige Krippenlandschaften zu sehen. Bestückt sind sie überwiegend mit Tonfiguren aus heimischen Werkstätten, die neben der Geburt Christi und den Heiligen Drei Königen eine Fülle weiterer Szenen umfassen. Daneben stellt das Krippenschauen, das gegenseitige Besuchen der „Kripperer“, einen festen Bestandteil des Brauches dar.
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Die Markttradition des „Münchner Viktualienmarktes“ als eine Form des Handelsbrauchs geht am heutigen Standort bis auf das Jahr 1807 zurück, als aus Platzgründen der Markt vom Marienplatz (damals Schrannenplatz) auf das Gebiet um die Heilig-Geist-Kirche verlegt wurde. Beim Münchner Viktualienmarkt handelt es sich um einen ständigen, aus festen Ständen bestehenden Markt für Lebensmittel. Für viele Münchner gehört der Marktbesuch samt den Einkehrmöglichkeiten nahezu selbstverständlich zum Alltag. Seit Generationen verstehen es die Händlerinnen und Händler, geschickt auf ihre Kundschaft einzugehen und ihre Waren zu verhandeln. Dabei hat sich eine eigene Marktkultur inmitten der Altstadt herausgebildet, zu der beispielsweise der Tanz der Marktfrauen am Faschingsdienst als ein Höhepunkt des Münchner Faschings gehört.
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Der Ende Juli gefeierte Fischertag hat sich als zentrales Stadtfest im schwäbischen Memmingen um das jährliche Abfischen und Reinigen des Stadtbaches entwickelt, das seit dem 16. Jahrhundert belegt ist. Im Mittelpunkt steht das Bemühen, aus dem Stadtbach mit einem Kescher den größten Fisch zu fangen, um dadurch zum „Fischerkönig“ oder zur „Fischerkönigin“ gekrönt zu werden. Um dieses Ereignis herum hat sich ein teils historisierender Festkomplex herausgebildet, zu dem u.a. eine Wallenstein-Woche im vierjährigen Rhythmus gehört. Seit 2022 ist die Teilnahme beim Bachausfischen nicht mehr auf Männer beschränkt.
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Das Münchner Marionettentheater kann auf eine über 160-jährige Geschichte zurückblicken. Es war das erste feste Puppentheater in Deutschland mit Ausstrahlung auf andere Theater (z. B. das Salzburger Marionettentheater). Berühmt geworden sind die spezifische Figur des Kaspers Larifari und die extra für das Theater geschriebenen Stücke von Franz Graf von Pocci. Bis zum Jahre 2000 wurden für das Spiel ausschließlich Marionetten verwendet, seither werden auch weitere Figurentheaterformen aufgegriffen und es wird ein breites Repertoire aus klassischen ebenso wie zeitgenössischen Stücken und Kindermusicals geboten. Seit 2010 gibt es auf der historisierenden „Oidn Wiesn“ des Oktoberfestes eine Außenstelle des Marionettentheaters.
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Das Neustadter Kinderfest findet jährlich an einem Samstag im Juli statt und hat sich aus einem früheren Gregoriusfest entwickelt. Im Zentrum des Kinderfests steht der von der örtlichen Schule organisierte Kinderumzug, bei dem die Schülerinnen und Schüler kostümiert durch die Straßen ziehen, begleitet von Musikkapellen und geschmückten Festwagen. Jede Klasse legt individuell ihr jährliches Leitthema fest und führt es im Rahmen des Festzuges auf. Im Anschluss an den Umzug finden Sport- und Freiübungen, Spiele wie auch der traditionelle Neustadter „Rutscher“-Tanz statt, der schon im 19. Jahrhundert für Kinder adaptiert wurde.
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Beim Stabenfest ziehen Schulkinder alljährlich an einem Montag im Mai in einem Festzug durch die Altstadt von Nördlingen zum Marktplatz, wo von den Kindern Gedichte und Lieder vorgetragen werden. Von dort geht es weiter zur Festwiese, auf der sich der Umzug auflöst und in ein Familienfest übergeht. Das Stabenfest lässt sich auf verschiedene Schulfeste zurückführen, die seit dem 15. Jahrhundert belegt sind. Die heutige Form als Bürger- und Volksfest entwickelte sich im 19. Jahrhundert. Zentrale Bestandteile sind der „Stabengucker“ (eine mit Süßigkeiten gefüllte Tüte), das „Stabenlied“, das „Stabenklettern“ (Erklimmen eines Baumstammes) und die „Stabenwurst“.
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Die handwerkliche Fertigung von Epitaphien, speziell auf den Nürnberger Friedhöfen St. Johannis und St. Rochus, geht auf die protestantischen Friedhofsgründungen des 16. Jahrhunderts außerhalb der Stadtmauern zurück. Um persönlichem Prunk entgegenzuwirken, sollten die Grablegen einfach gestaltet sein und aus Bronze oder Messing bestehen. Die dennoch sehr aufwändige Fertigung der metallenen Relieftafeln auf den liegenden Grabsteinen verleiht den Friedhöfen ihre spezifische Ausprägung. Heutige Formen der künstlerischen, stark individuell orientierten Gestaltung von Epitaphien mit historischen Arbeitstechniken stehen in einer Entwicklungslinie von historischen Neuschöpfungen und Neuinterpretationen und sind Teil einer modernen Trauerarbeit.
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Charakteristisch für die „Oberpfälzer Zoiglkultur“ ist das gemeinschaftliche Brauen im lokalen Kommunbrauhaus sowie der von Ritualen und intensiver Kommunikation begleitete Ausschank und Konsum des handwerklich gebrauten Bieres bei (Laien-)Wirten. Das seit dem ausgehenden Mittelalter im süddeutschen Raum weit verbreitete Kommunbrauwesen, in der Oberpfalz seit dem 15. Jahrhundert belegt, ist heute vor allem noch in den Orten Eslarn, Falkenberg, Mitterteich, Neuhaus und Windischeschenbach lebendig. Die traditionell geringen Produktionschargen bedingen einen nur temporären Ausschank in wechselnden Lokalitäten. Die Oberpfälzer Zoiglkultur hat sich in den letzten Jahrzehnten zu einer regionalspezifischen Kulturform entwickelt.
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Seit dem 19. Jahrhundert wird im Rahmen des Münchner Oktoberfests ein Preisschießen veranstaltet, das heute für alle Interessierten zugänglich ist und mit Luftdruckwaffen ausgeführt wird. Zugleich wird eine Meisterschaft der Armbrustschützen abgehalten. Schützenkönig oder -königin kann allerdings nur werden, wer Mitglied im „Bayerischen Sportschützenbund“ ist. Das Landesschießen findet in besonderen, Anlagen statt, das Armbrust-Landesschießen im Armbrustschützenzelt. Die Schützinnen und Schützen, gekleidet in ihre Vereinstrachten und begleitet von Kapellen und besonders geschmückten Wagen, beteiligen sich am ersten Oktoberfestsonntag am Oktoberfest-Trachten- und Schützenzug. Zu den Preisen gehören die Schützenketten (wertvolle Silberschmiedearbeiten), zum Abschluss des Oktoberfestes findet das „Abböllern“ statt, der Ehrensalut der Münchner Böllerschützen auf den Stufen unterhalb der Bavaria.
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In der „Osingverlosung“ wird alle zehn Jahre eine Hochfläche von 274 Hektar zwischen den vier mittelfränkischen Gemeinden Herbolzheim, Humprechtsau, Krautostheim und Rüdisbronn am Südrand des Steigerwaldes unter den Anteilseignern verlost. Der 1465 erstmals urkundlich erwähnte Osing ist wahrscheinlich im Zuge des hochmittelalterlichen Landausbaus als gemeinschaftliches Rodungsunternehmen der vier Dörfer entstanden. Zuletzt 2014 verloste man die 213 Äcker unter reger Beteiligung der Bevölkerung in festlicher Form. Dabei bleibt es den jeweiligen Bauern überlassen, die Parzellen auf ihre Art zu nutzen oder auch zu tauschen. Es handelt sich beim Osing um die letzte große landwirtschaftliche Markgenossenschaft in Deutschland.
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Flöße dienten neben dem Holz- und Warentransport über Wasserwege seit dem Mittelalter im südbayerischen Oberland auch der regelmäßigen Beförderung von Personen bis nach Wien und weiter. Damit stehen die heutigen Vergnügungsfloßfahrten sowohl in einer Handwerkstradition als auch im Kontext historischer Formen der Mobilität. Die Flößerfamilien (teils in der vierten Generation) ermöglichen mit diesen Fahrten neben dem Freizeitwert die Vermittlung von Wissen um die Flößerei, über das Leben an den Flüssen und die Kulturlandschaft.
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Die Passionsspiele in Oberammergau thematisieren das Leiden, Sterben und die Auferstehung Christi. Die Spieltradition geht der Legende nach auf ein Pestgelübde im Jahr 1633 zurück. Seither wird das Passionsspiel trotz aufklärerischer Verbote und moderner Säkularisierungsprozesse aufgeführt und lockte zuletzt im Jahre 2010 rund eine halbe Million Zuschauer an. Dabei weist das Passionsspiel mit rund 2.500 Mitwirkenden, das ist rund die Hälfte der Gesamtbevölkerung, einen sehr hohen Partizipationsgrad auf. Seit mehr als 350 Jahren prägt es den Alltag und das Leben der Oberammergauer Bevölkerung über die Passionsspielzeit hinaus.
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Als traditionelle Form der Tierhaltung hat die Schäferei gerade auch in Bayern seit Jahrhunderten eine prägende Wirkung auf verschiedene Kulturlandschaften (Wacholderheiden, Trocken- und Magerrasen) mit gegenwärtigen Schwerpunkten in Franken und Schwaben. Heutzutage im „Landesverband Bayerischer Schafhalter“ mit seinen rund 1.500 Schafhaltern organisiert, lassen sich die Schäfervereinigungen auf die seit dem 15. Jahrhundert belegbaren Schäferzünfte zurückführen. Für den sozialen Zusammenhalt von zentraler Bedeutung sind vielfältige tradierte Brauch- und Festformen wie Schäferläufe, Hütewettbewerbe oder Schäfertänze.
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Der „Schwäbischwerder Kindertag“ zu Donauwörth, der seit 1680 belegt ist, findet im zweijährigen Rhythmus gegen Ende des Schuljahres am „Kindertag-Wochenende“ statt. Rund 870 Schulkinder und weitere Akteure spielen in historischen Gewändern in einem farbenprächtigen Festumzug und durch ein großes Historienspiel die Stadt- und Reichsgeschichte nach. Zum Umzug gehören auch aufwändig gebaute Wagen. Der seit 1983 gebräuchliche Name des Kinderfestes bezieht sich auf die Blütezeit der ehemaligen Reichsstadt, die bis zur Reichsacht von 1607 „Schwäbischwerd“ hieß.
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In Erinnerung an die glücklich überstandene Belagerung Münnerstadts durch schwedische Truppen während des Dreißigjährigen Krieges findet alljährlich am 8. September die sogenannte Schwedenprozession statt. Hinzu kommt an anderen Terminen im Spätsommer ein Freilichtspiel („Heimatspiel“, seit 1927) in der Altstadt, bei dem neben religiösen Inhalten auch eine Liebesgeschichte zwischen der Bürgermeistertochter und dem Hauptmann der Stadtwache eine Rolle spielt. An dem Laienschauspiel beteiligen sich ca. 200 Mitwirkende, durch ein als Kulisse dienendes Fachwerkhaus ist das Schauspiel im Stadtbild präsent. Begleitet werden die „Heimatspieltage“ von einem abwechslungsreichen Rahmenprogramm.
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Die „Schweinfurter Schlachtschüssel“ ist ein von September bis April praktiziertes gesellschaftliches und kulinarisches Ritual, das sowohl in der Gastronomie wie auch in Vereinen oder in privaten Gesellschaften seit der Mitte des 19. Jahrhunderts angeboten wird. An einem Essen sind üblicherweise zwischen 30 und 150 Personen beteiligt. Hierbei wird das Fleisch nicht einzeln portioniert, sondern in ritualisierter Form tischweise gereicht. Zudem ist das Schlachtschüsselessen mit einem Unterhaltungsprogramm verbunden, bei dem die Gäste zum Mitsingen und ‑dichten aufgefordert werden.
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Im Mittelpunkt des Festtages in Oberschwarzach zu Ehren des heiligen Sebastian (20. Januar) steht eine festliche Prozession mit Gottesdienst, Friedhofsbesuch und sich anschließenden allgemeinen Feierlichkeiten. Ausgehend von einem Pestgelübde im Jahr 1611 haben sich um die Prozession zur Oberschwarzacher Pfarrkirche St. Sebastian wohl in der Zeit um 1770 verschiedene Rituale und Bräuche zu einem Gesamtgeschehen entwickelt, in das die Dorfgesellschaft und die lokalen Vereine fest eingebunden sind. Eine wichtige Rolle spielt dabei neben der Prozession mit Sebastiani-Fahne und Monstranz die aus den waffenpflichtigen Bürgergarden des 19. Jahrhunderts hervorgegangene „Bürgerwehr“ in Frack und Zylinder mit ihrem mittlerweile rein symbolischen militärischen Zeremoniell.
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Die Friedens-, Freude- und Kirchweihfeste in den benachbarten Orten Sennfeld und Gochsheim gehen auf die Wiedererlangung der Reichsfreiheit im Jahre 1649 zurück, die die beiden Dörfer im Dreißigjährigen Krieg verloren hatten. In Gochsheim wird das seit 1650 belegte Friedensfest von Anfang an zusammen mit der Kirchweih gefeiert. Ein entsprechendes Fest ist in Sennfeld ab 1705 belegt. Seither wird das Fest in beiden Orten am selben Tag und in ähnlicher Form gefeiert. Dazu gehört das Aufstellen geschmückter Bäume auf dem jeweiligen Plan vor den Kirchen, Gottesdienste, die Reden der Planburschen und die Tänze der unverheirateten Planpaare. Die seit über 300 Jahren gefeierten Feste stellen einen wichtigen Beitrag zum gesellschaftlichen Zusammenhalt dar.
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Im Oberpfälzer Wald bildet das Klöppeln eine seit dem 19. Jahrhundert ausgeübte handwerkliche Technik zur Herstellung von Spitzen. Sie wurde vom bayerischen Staat durch die Gründung von Spitzenklöppelschulen in Schönsee, Stadlern und Tiefenbach in der Zeit um 1900 gezielt gefördert, um den Menschen in der industriefernen Mittelgebirgsregion des Grenzlandes zu Böhmen eine Erwerbsmöglichkeit zu schaffen. Auch wenn die Spitzenklöppelschulen längst nicht mehr existieren, so wird in der Region nach wie vor mit Hilfe der gleichen einfachen Geräte geklöppelt und es werden die als Arbeitsvorlagen dienenden „Klöppelbriefe“ sorgsam von Hand zu Hand weitergeben. Diente die Erzeugung von Meterspitzen, Rundspitzen oder Spitzendecken über Generationen hinweg primär dem Lebensunterhalt, hat sich das Klöppeln mittlerweile weitgehend zu einer kreativen Freizeitbeschäftigung gewandelt.
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Die Studioglasbewegung Frauenau zielt seit den 1960er Jahren auf handwerklich und künstlerisch gestaltetes Glas – meist Unikate – ab, das nicht den Regeln der seriellen und auf Akkord abzielenden Glasproduktion in großen Glashütten folgt. Studioglas wird in Frauenau und seiner Umgebung inzwischen von mehreren Generationen von Handwerkerinnen und Handwerkern sowie Künstlerinnen und Künstlern in individuellen Studios und Werkgemeinschaften hergestellt. Zentral für die Vermittlung ist die 1987 gegründete internationale Sommer-Akademie. Dadurch werden Wissen und Können in einer Region erhalten und vermittelt, die bis vor wenigen Jahrzehnten für die Glasproduktion in Bayern und darüber hinaus von zentraler Bedeutung war.
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Im Zentrum des „Tänzelfestes“ in Kaufbeuren, das alljährlich im Juli stattfindet, stehen etwa 2.000 Kinder, die in historisierenden Gewändern Ereignisse aus der Stadtgeschichte, von der Karolingerzeit bis ins 20. Jahrhundert nachspielen. Kostümierte Gruppen repräsentieren verschiedene Epochen bzw. gesellschaftliche Gruppen. Das Tänzelfest bildet mit seiner bis in das 16. Jahrhundert zurückreichenden Geschichte einen wesentlichen Bestandteil der lokalen und regionalen Identität, fördert den gesellschaftlichen Zusammenhalt und stärkt das historische Bewusstsein.
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Die vor allem in Altbayern und in westlichen Gebieten Österreichs verbreiteten Leonhardifahrten oder -ritte sind im bayerischen Raum seit dem 15. Jahrhundert nachweisbar. Die Tölzer Leonhardifahrt ist seit 1772 belegt, wurde 1856 vom Tölzer Pfarrer neu geordnet und wird bis heute regelmäßig durchgeführt. Es handelt sich um eine Prozession zu Ehren des heiligen Leonhard von Limoges, dessen alljährlich am 6. November gedacht wird. Nach der Aufstellung von etwa 80 Vierergespannen mit prächtig geschmückten Wägen setzt sich der Zug unter Glockengeläut hinauf zum Kalvarienberg in Bewegung, wo die Leonhardikapelle umrundet und die Wallfahrer mit ihren Pferden gesegnet werden. Nach dem Festgottesdienst beginnt die Rückfahrt in die Stadt, wo gemeinsam mit zahlreichen Besuchern gefeiert wird.
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Älplerinnen und Älpler des Hindelanger Tales bewirtschaften jährlich etwa von Juni bis September die meist zwischen 1.000 und 2.000 Meter Höhe gelegenen Sommerweideflächen. Diese im Allgäu seit dem Hochmittelalter belegte saisonale Form der Viehhaltung hat die Kulturlandschaft entscheidend geprägt und passte sich den jeweiligen wirtschaftlichen Gegebenheiten an. Das sogenannte „Ökomodell Hindelang“ als Form einer modernen ökologischen Landwirtschaft hat dabei von mündlich tradiertem Wissen und traditionellen Handwerkstechniken wesentlich profitiert. Zudem bildet der populäre und für das Heimatgefühl der Region wichtige Viehscheid, der seit 1794 belegt ist, einen Höhepunkt des örtlichen Festkalenders.
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In der Baumfelderwirtschaft werden nicht nur Obstsorten (Apfel, Birne, Zwetschge, Kirsche) kultiviert, sondern auch die Flächen unter den Obstbäumen landwirtschaftlich genutzt. Das geerntete Obst wird durch Trocknen haltbar gemacht und war als Dörrobst ein lange Zeit verbreitetes Exportgut. Das traditionelle Dörren erfolgt mittels holzbefeuerter Öfen auf sogenannten Därren. In der im Steigerwald seit Generationen bestehenden Herstellung von Dörrobst in Verbindung mit der Baumfelderwirtschaft werden sowohl ein spezifisches Wissen um die Natur weitergegeben, als auch traditionelle handwerkliche Techniken sowie Fähigkeiten der Lebensmittelkonservierung erhalten.
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Die bäuerliche, sehr kleinteilig geprägte Teichwirtschaft in Bayern kann auf eine jahrhundertelange Tradition zurückblicken. Kern der Teichwirtschaft sind der Teichbau, das Füllen der Teiche mit Wasser, die Teichpflege, das Vermehren des Fischbestandes, das Füttern und schließlich das Abfischen. Die damit verbundene Handwerkskunst und das Erfahrungswissen um komplexe Zusammenhänge von Boden, Wasser und Aufzucht stellen ein immaterielles Kulturerbe dar, das kulturlandschaftsprägende und identitätsstiftende Aspekte mit Nachhaltigkeitsdenken und kulinarischem Erbe verbindet.
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Die Tradition des Treidelns, also des Ziehens eines Schiffes durch ein am Ufer laufendes Pferd, geht am Ludwig-Donau-Main-Kanal von Kelheim bis Bamberg in dessen Entstehungszeit in die 1840er Jahre zurück. Nach Aufgabe des Kanals als offizielle Wasserstraße 1950 wurde das Treideln allmählich aufgegeben und 1996 zunächst im oberpfälzischen Landkreis Neumarkt und dann im mittelfränkischen Landkreis Nürnberg Land wiederbelebt. Die touristische Nutzung des Treidelns und die Weitergabe von Wissen und Können zu der alten Handwerkstechnik sind mittlerweile einmalig in Deutschland.
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Betreut durch die Benediktinerinnen der Abtei St. Walburg hat sich das Grab der hl. Walburga († 779) in Eichstätt zu einem weltweiten Zentrum der Walburga-Verehrung entwickelt. Diese umfasst verschiedene Praktiken, die vom Besuch des Gnadenortes (Wallfahrt) über Seelsorge, den Gebrauch des von den Nonnen ausgeteilten „Walburgisöls“ und Votivgaben bis hin zu Führungen und Forschungsarbeiten reichen. Unabhängig von Glaubensrichtungen spiegeln sich in den unterschiedlichsten Anliegen der Hilfesuchenden religiöse und profane Vorstellungen von Heilung und von „Heiligen Orten“ wider.
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Die seit dem Mittelalter belegte, meist genossenschaftlich organisierte Wiesenbewässerung im Großraum Schwabach-Nürnberg-Erlangen-Forchheim dient der Ertragssteigerung bei Gras, Heu und Grummet auf den sandigen, wasserdurchlässigen und nährstoffarmen Böden des vergleichsweise niederschlagsarmen Mittelfränkischen Beckens. Über Grabensysteme und Wehre gelangt das Wasser aus den Fließgewässern auf die Wiesen, teilweise werden von der Strömung angetriebene Wasserschöpfräder eingesetzt. Die seit Jahrhunderten kultivierten Wässerwiesen zeichnen sich durch eine hohe Biodiversität aus und haben wichtige Funktionen für das Stadtklima und die regionale Kulturlandschaft.
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Die „Vereinigten Weihnachtsschützen des Berchtesgadener Landes“ umfassen 17 Mitgliedsvereine mit über 3.300 Mitgliedern, die den Brauch des Böllerschießens ausüben. Dieser ist für die Region seit 1666 urkundlich belegt. Zu verschiedenen hohen kirchlichen Feiern, z. B. beim „Christkindlschießen“, „Mettenschießen“ oder „Heiligen-Geist-Anschießen“, sowie zu regionalen Vereinsfesten oder Hochzeiten werden die Hand- und Schaftböller abgeschossen. Abgesehen von wenigen auswärtigen Auftritten beschränken sich die Weihnachtsschützen auf das Berchtesgadener Land. Im Berchtesgadener Talkessel verstärkt der Widerhall dabei die akustische Wirkung der verschiedenen Einzel-, Schnell- und Salvenfeuer auf eindrucksvolle Weise.
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Der seit dem frühen 18. Jahrhundert belegte „Willibaldsritt“ im oberbayerischen Jesenwang verbindet eine seit dem 16. Jahrhundert nachweisbare Wallfahrt mit einer Pferdesegnung. Von ähnlichen Wallfahrten hebt sich der Ritt dadurch ab, dass die zwei- bis dreihundert Reiterinnen und Reiter direkt durch die spätmittelalterliche Wallfahrtskirche St. Willibald reiten; die Wagengespanne umfahren die Kirche. Ergänzt wird der Ritt durch ein Festgeschehen mit großer Beteiligung der lokalen Bevölkerung.
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Beispiel für die Tradierung von Wissen um die Natur und das Universum
Die 1801 gegründete Nürnberger Naturhistorische Gesellschaft vereinigt in ihren Zielen einen aufklärerischen Forschungs- und Bildungsimpetus mit einer breitenwirksamen, auf ehrenamtlicher Basis gründenden Vermittlungsarbeit. Die anfänglich vorwiegend naturwissenschaftliche Ausrichtung der Gesellschaft wurde im Laufe der Jahre um archäologische, geographische und völkerkundliche Interessensgebiete erweitert. Zu den Aktivitäten der heute etwa 1.800 Mitglieder zählen die Tradierung, Pflege und Weiterentwicklung ihrer historischen Sammlungen, der Betrieb eines eigenen Museums und eines Freilandterrariums, Exkursionen, Seminare, Vorträge und Publikationen. Die Naturhistorische Gesellschaft bildet seit mehr als zwei Jahrhunderten eine wichtige Schnittstelle von akademischer Wissenschaft und Wissensgenerierung aus bürgerschaftlichem Engagement.
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Nach einer Dürreperiode im 18. Jahrhundert soll die Wiederkehr des Wassers in den Brunnen der oberfränkischen Stadt Wunsiedel Anlass gegeben haben, die Brunnen nicht nur zu reinigen, sondern auch mit Blumen kunstvoll zu schmücken. Historisch belegt ist dieser Brauch seit 1833. Die sorgfältige Pflege der öffentlichen Brunnen war bis zum Bau einer Wasserleitung im ausgehenden 19. Jahrhundert für die Stadt von zentraler Bedeutung. Obwohl die Brunnen seither an Bedeutung verloren haben, halten die Brunnengemeinschaften an der Praxis fest, jährlich am Johannistag (24. Juni) die etwa 35 Brunnen mit Blumen und Lichtern zu schmücken. Am zugehörigen Wochenende findet heutzutage ein Stadtfest statt, bei dem man von Brunnen zu Brunnen zieht und gemeinsam feiert.
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Das charakteristische Merkmal des Zwiefachen ist der unregelmäßige Wechsel zwischen Dreivierteltakt (Walzer) und Zweivierteltakt (Dreher). Diese für den bayerisch-böhmischen Raum typische Musik- und Tanzgattung ist in Bayern seit der Zeit um 1740 belegt. Seit dem frühen 20. Jahrhundert verdichten sich dann in zahlreichen Notenhandschriften die Belege für den Zwiefachen, der mittlerweile zum festen Repertoire zahlreicher Musikantinnen und Musikanten gehört. Der Zwiefache ist gegenwärtig in ganz Bayern und darüber hinaus äußerst populär und wird sowohl musiziert, als auch getanzt und gesungen.