Interviews und Bilder
Wie zeigen sich traditionelle Handwerkstechniken heute und was führt sie in die Zukunft? Mit Bildern aus der Ausstellung und Interviews mit verschiedensten Ausstellern kann der Ausstellung "Formen traditionellen Handwerks in Bayern und ihre Weiterentwicklung" nachgespürt und nachgehört werden. Die Fotografien der Ausstellung stammen von Frau Karina Hagemann für die Handwerkskammer für München und Oberbayern und von Herrn Dr. Helmut Groschwitz für die Beratungs- und Forschungsstelle IKE Bayern. Die insgesamt zehn Interviews hat Frau Julie Metzdorf mit Beteiligten an der Ausstellung in ganz Bayern geführt. Sie geben einen detaillierten und spannenden Einblick in die Ausübung verschiedenster Formen traditionellen Handwerks am Produktions- oder Schulungsort.
An der Ausstellung waren auch 15 Berufsfachschulen beteiligt. Eine Übersicht findet sich auf der Karte.
Interviews mit Ausstellungsbeteiligten
Christian Baierl, Glashütte Lamberts, Waldsassen
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"Mein Name ist Christian Baierl, ich bin Prokurist der Glashütte Lamberts und bin seit über 20 Jahren in Betrieb. Ich habe hier eine Ausbildung als Industriekaufmann begonnen, habe alle Abteilungen durchlaufen und das Hüttenleben hat mich einfach gefangen."
Welche Produkte stellt denn die Glashütte Lamberts her?
"Die Glashütte Lamberts ist auf handwerklich erzeugte Flachgläser spezialisiert, insbesondere auf mundgeblasene Zylindergläser. Jeder kennt Kirchenverglasungen, Bleiverglasungen, die sehr bunt sind, das ist ein sehr wichtiger Anwendungsbereich für unsere Gläser. Aber es drückt uns auch immer in eine Nische, in einen Bereich, der aus heutiger Sicht nichts mit der Moderne zu tun hat. Auch wenn es sehr, sehr moderne und pfiffige gestalterische Kirchenfenster gibt. Viel Glas kommt auch in der Restaurierung von funktionalem historischen Fensterglas zum Einsatz, weil wir tatsächlich die traditionelle Zylinderglastechnik überführt haben ins Heute und das auch ins Morgen überführen werden. Viele großflächige Projekte sind für den öffentlichen Raum bestimmt: Flughäfen, Bahnhöfe, Rathäuser, Bankgebäude, wo sehr hohe technische Anforderungen auch an die Gläser gestellt wird. Trotzdem findet oft unser Glas seinen Einsatz, weil es einfach ein charaktergebendes Element ist und ein sehr inspirierendes Element ist, das dann Gottseidank viele Glasstudios in der ganzen Welt wissen, richtig zu verarbeiten, um nicht nur die Gestaltung zu treffen, sondern auch die technischen Anforderungen erfüllen zu können."
Sie haben von einem besonderen Charakter des Lamberts-Glases gesprochen. Worin besteht denn der genau?
"Man kann tatsächlich, je näher man dran ist, die einzelnen Bearbeitungsstufen aus dem Glas erkennen. Und auch der Laie sieht, wenn er an einem Fenster, einer Fassade, an einer Gestaltung mit Lamberts-Glas vorbeigeht, dass es etwas Besonderes ist, weil es einfach das Licht ganz besonders reflektiert beziehungsweise bricht. Tatsächlich kann man bis heute nicht alle Farben farbecht industriell abbilden und das zugleich in Kleinstmengen. Das ist aber einfach in der traditionellen Herstellungsweise möglich. Und diese Echtheit, die bekommt man eben mit unserem Material. Und diese Echtheit spürt man am Ende auch in den Werken. Das Glas sieht anders aus. Man spricht heute sehr viel über Makel, über Fehler. Bei uns ist es aber einfach nicht möglich, ein vollkommen makelloses Glas herzustellen, egal, wie man es definiert. Unser Produkt lebt durch die Einzigartigkeit. Jede Tafel ist im Detail ein Unikat. Und unser Produkt lebt auch durch die Spuren, die ihm einfach durch den Herstellungsprozess eingehaucht werden. Und das unterscheidet unser Produkt und die Projekte, die mit unserem Produkt gemacht werden, einfach vom industriellen Standard."
Die aktuelle Glashütte Lamberts wurde 1934 gegründet und ist seitdem in Familienbesitz. Aber es gab auch Vorläuferhütten, teilweise ebenfalls unter dem Namen Lamberts, deren Geschichte weit zurückreicht. Warum ist denn die Glashütte eigentlich gerade hier in Waldsassen gegründet worden?
"Waldsassen, wie der Name schon sagt, ist eine sehr waldreiche Gegend in der nördlichen Oberpfalz. Glashütten haben sich früher insbesondere dort angesiedelt, wo es eben den Rohstoff Holz zur Genüge gab. Und es wurde dort so lange produziert, bis eben der Rohstoff nicht mehr ausreichend und nahe verfügbar war. Dann sind die Glashütten weitergezogen. Unsere Gegend beziehungsweise Waldsassen ist auch sehr bekannt für ihre Porzellanherstellung. Und die Glasfabrik Waldsassen, die es früher an einem anderen Ort gab, konnte einfach nicht weiter expandieren, weil sie eingekesselt war von den Keramikproduzenten und musste einen neuen Standort aufmachen. Die alte Glasfabrik Lamberts ist irgendwann Ende des 19. Jahrhunderts gegründet worden und 1905 hat man begonnen, den Grundstein zu legen für die neue Glashütte in der Schützenstraße in Waldsassen. Unser Produktionsgebäude beziehungsweise unsere Produktionshalle ist etwas sehr Besonderes. Die Produktionshalle hat eigentlich damals bei dem Bau den Charakter einer heutigen Leichtbauhalle gehabt. Das heißt, sie sollte wirklich nur temporär einen bestimmten Zweck erfüllen, und zwar eine Messe bei Nürnberg, eine landwirtschaftliche Messe, zu beherbergen. Die Messehalle wurde nicht mehr gebraucht, aber wir in Waldsassen brauchten ein Dach über den Kopf für unsere Öfen und für unsere Glasmacher. Und so hat man mit über 20 Bahnwaggons diese Grundkonstruktion nach Waldsassen gebracht und aufgebaut, bis dann eben 1906 die Glasproduktion in Betrieb ging."
Die Halle ist ja auch insofern was Besonderes, als sie wahnsinnig groß ist, sodass man fast das Gefühl von frischer Luft hat, obwohl es eigentlich sehr heiß ist hier.
"Genau. Also unsere Halle ist fast so groß wie ein Fußballfeld. Das Wichtige ist tatsächlich aber der funktionale Teil, das heißt unser Betriebsgebäude, unsere Ofenhalle, ist sehr hoch. Das heißt, sie hat ein hohes Volumen, um einfach die Hitze der Öfen, die insbesondere bei der Glasproduktion aus den Öfen austritt, abzuführen und durch ein besonderes Rauchdach einfach in die Luft zu pusten, sodass für die Leute im Betrieb eine gleichbleibende erträgliche Atmosphäre herrscht. Atmosphäre ist aber tatsächlich auch ein Stichwort für unsere Halle, weil sie tatsächlich bei jedem Besucher ein ganz besonderes Gefühl hervorruft. Sie ist freitragend, das heißt die komplette Breite des Gebäudes wird mit Holzträgern überspannt. Man kann sich frei bewegen. Der Blick kann frei schweifen, und man sieht unmittelbar das lodernde Feuer der Glasschmelzöfen."
Jetzt haben wir über die Halle gesprochen, aber viel wichtiger sind ja die Mitarbeiter. Wie wählen Sie denn Ihre Mitarbeiter aus? Und wie bilden Sie sie weiter?
"Wir suchen unsere Mitarbeiter insbesondere in der Region. Unsere Mitarbeiter kommen aus allen Fachrichtungen, meist oder eigentlich immer, das ist die Prämisse, mit abgeschlossenen Berufsausbildungen. Da wir tatsächlich nicht garantieren können, dass sich der neue Mitarbeiter im Betrieb etabliert und unter Umständen einfach aus Gründen der Geschicklichkeit oder der Belastung tatsächlich wieder in den Arbeitsmarkt entlassen werden muss. Deswegen müssen wir auch die Verantwortung tragen, dass derjenige im Nachgang tatsächlich eine Chance im Arbeitsmarkt hat. Man hat eine Berufsausbildung im Kasten, das heißt aber nicht, dass man je etwas mit Glas zu tun hatte, weder im kalten, noch im heißen Zustand. Die wenigsten unserer Mitarbeiter, die heute beschäftigt sind, hatten vor der Glashütte Lamberts etwas mit Glas zu tun.
Die Auswahl ist sehr schwierig. Grundsätzlich ist jeder geeignet, der gesund ist und der arbeiten möchte. Aber es bedarf einfach auch eines gewissen Talents, den Beruf auszuführen, weil es ein sehr fragiles Material auch schon im heißen Zustand ist. Und weil tatsächlich ein ganz wichtiger Punkt der Herstellung ist, im Team arbeiten zu können. Das heißt bei uns werden Teams gebildet aus vier, fünf Leuten, die nahezu blind miteinander in ihrer Schicht arbeiten müssen. Tag für Tag. Das heißt jeder der Mitarbeiter oder der Teammitglieder muss wissen, was der andere macht. Und jeder muss wissen, dass der andere die Verantwortung, die ihm übertragen wird, auch ausführt. Und das über den ganzen Tag konzentriert."
Das Glasmachen ist ja einer der körperlich anstrengendsten Berufe, den man sich vorstellen kann. Was haben die Mitarbeiter denn für einen Bezug zum Handwerk?
"Die Glasmacher kommen tatsächlich meist aus dem Handwerk. Wir haben gelernte Maurer beschäftigt, wir haben Schlosser beschäftigt. Die Leute haben einen Bezug zum Handwerk. Ob sie das Handwerk in einem industriellen Betrieb ausgeführt haben oder tatsächlich in einem Handwerksbetrieb, das spielt erst einmal keine Rolle."
Was ist Ihrer Meinung nach wichtig oder was hat sich auch in der Vergangenheit gezeigt, dass es wichtig war, damit ein solch altes Handwerk heute noch überleben kann?
"Das Allerwichtigste, um bei dem Punkt Ausbildung, die bei uns komplett intern durchgeführt wird, zu bleiben, ist tatsächlich, schnell zu entscheiden: Ist der Mitarbeiter langfristig geeignet, hier sich mit einzubringen? Die Entscheidung muss relativ schnell fallen. Und die Leute brauchen tatsächlich auch einen langen Atem, um am Ende eine wichtige Rolle spielen zu können. Um die Tradition in die nächste Generation zu überführen, ist es wirklich wichtig, sich rechtzeitig um Nachwuchs zu bemühen, dass einfach der Know-how-Transfer funktioniert. Allein die handwerklichen Fähigkeiten reichen nicht, um so facettenreich unser Produkt herzustellen. Wichtig ist tatsächlich auch, eine lange Berufserfahrung mitzubringen, um spontan auf gewisse Gegebenheiten reagieren zu können."
Und was die Produkte angeht? Also viele Künstler arbeiten mit Ihren Gläsern, im Denkmalschutz kommt Lamberts-Glas zum Einsatz, gleichzeitig gibt es auch technische Weiterentwicklungen von mundgeblasenem Flachglas.
"Nach Fertigstellung des Firmengebäudes begann man hier in Waldsassen tatsächlich das modernste Glas herzustellen, das es zu der Zeit gab. Wir haben ein maschinengezogenes Glas produziert und haben erst nach den Weltkriegen, als viele Kirchenfenster während des Krieges zerstört wurden, uns wieder auf die Zylinderglasproduktion, die nebenherlief, fokussiert. Und das haben wir bis heute aufrechterhalten. Und das wird auch im Kern die Seele von Lamberts bleiben.
Die technische Entwicklung liegt tatsächlich insbesondere bei unseren Kunden, den Glaswerkstätten. Die Glaswerkstätten müssen wissen für welche Projekte sie die Gläser wie weiterverarbeiten. Was unser Part bei dieser Geschichte ist, tatsächlich ein Material oder Materialien anzubieten, die den Studios das Erreichen des Projektziels ermöglichen.
Wir haben uns nicht nur auf die die Herstellung von traditionellen Zylinderglas spezialisiert, sondern wir haben uns auch auf Farbglas und Überfangglas spezialisiert, das sehr viele, sehr breite Anwendungsmöglichkeiten bietet. Überfangglas ist ein mundgeblasenes Zylinderglas, das grundsätzlich auf den ersten Blick genauso hergestellt wird wie jedes andere mundgeblasene Zylinderglas, das wir herstellen. Der signifikante Unterschied liegt darin, dass bereits vor dem Ausblasen des Ballons eine Farbschicht in das Glasgebilde eingebracht wird, was am Ende der Herstellung eine ganz dünne Farbschicht auf dem Trägerglas hinterlässt. Und diese Farbschicht ermöglicht zum einen, ganz besondere Farben herzustellen, aber auf der anderen Seite auch den Glasstudios mit dem Glas zu malen. Das heißt, ich nehme das Beispiel roter Überfang auf weißem Trägerglas, ich bearbeite das Glas mittels Ätzung, Sandstrahlung oder Gravur so weiter, dass man die Farbschichten teilweise oder ganz abträgt, und zur nächsten Glasschicht kommt. Durch diese Technik kann man eben ganz individuelle Farbschattierungen, Farbverläufe, Logos oder sonstige Gestaltungen ins Glas bringen, ohne Farbe zu verwenden. Die technische Weiterentwicklung dieser Handwerkskunst liegt tatsächlich in der Hauptsache darin, das Wissen und die Erfahrung in die nächste Generation zu überliefern. Das heißt, wir sind tatsächlich schon fast am Ende der Möglichkeiten, jedoch ist es möglich, innerhalb dieser Technik noch viel, viel mehr Varianten einzubringen. Wir haben keine eigene Forschungs- und Entwicklungsabteilung. Die Forschungs- und Entwicklungsprojekte kommen tatsächlich durch teilweise verrückte Kundenanfragen, die uns am Ende des Tages zwingen, ein Produkt herzustellen in einer Variante, die wir noch nie vorher gefertigt haben. Das kann eine Struktur sein, das können Farbverläufe sein, einzelner Tafeln, das können Farben an sich sein, das kann die Kombination aus allem sein."
Und wie schaut es mit der Herstellungsweise aus? Hat sich da viel verändert in den letzten hundert Jahren?
"Auf den ersten Blick hat es sich wahrscheinlich gar nicht verändert. Wenn man genauer hinsieht, dann sieht man schon, dass man versucht, die Mitarbeiter so weit wie möglich zu entlasten. Das heißt, dass sie nicht mehr so direkt ans Feuer müssen, dass sie Arbeitsmittel bekommen, die ihnen eine gewisse Erleichterung bringen.
Die Technik hat sich insbesondere in der Tiefe weiterentwickelt. Das heißt, man stellt nicht nur einfaches, transparentes oder getöntes Zylinderglas her, sondern man bildet die komplette Farbpalette, die es gibt, ab und findet selbst bei über 5000 Farben immer noch neue Farben, die man noch nie vorher produziert hat oder Farbzusammensetzungen. Und die Fertigungstiefe ist tatsächlich der Punkt, der ständig weiterentwickelt wird, sowohl im mundgeblasenen Bereich als auch im handgegossenen Bereich, den wir heute überhaupt noch nicht behandelt haben. Wir stellen zusätzlich zu den mundgeblasenen Gläsern auch noch handgegossene Tafelgläser her, die tatsächlich einen Einsatz auch in der Denkmalpflege, aber auch in der Kunst und in der Architektur finden."
Eines Ihrer modernsten Produkte ist ja ein Antikglas mit integriertem UV-Schutz.
"Der UV-Schutz kommt tatsächlich bereits hier im Prozess ins Glas. Das heißt, wir haben hier tatsächlich ein ganz besonderes Glas entwickelt, das einen UV-Schutz im kritischen Bereich gewährt. Der große Charme dieses Produkts ist tatsächlich, dass man original mundgeblasene Zylindergläser aus der Vergangenheit mit einem echten, mundgeblasenen Glas von heute ersetzen kann, ohne dass man es sieht, ohne dass man statische Veränderungen am Gebäude vornehmen muss. Das heißt eine Eins-zu-eins-Verglasung, die aber gleichzeitig einen Schutz für hochwertige Kunst, für sensible Materialien im Innenraum des Objekts bietet."
Welche Stellung hat die Glashütte Lamberts eigentlich auf dem Weltmarkt?
"Es gibt kaum noch Mitbewerber. Wir brauchen den internationalen Markt, da wir eine wirklich ganz kleine Nische abbilden. Und eine Glashütte zu betreiben, ist ein hoher Aufwand, der am Ende auch einen gewissen Ressourcen-Output braucht und somit braucht man auch gewisse Absatzmengen, dass sich das Unterfangen lohnt. Deswegen bedienen wir den Weltmarkt mit unserem Glas. Die größte Herausforderung ist tatsächlich, dieses Material bekannt zu halten. Das heißt, es bei den Fachbetrieben in den Köpfen zu behalten, in die Köpfe der jungen Nachwuchskünstler, Nachwuchsarchitekten, Nachwuchsdesigner zu bringen. Und auch natürlich Nachwuchs-Denkmalpfleger, um tatsächlich überhaupt dieses Material noch präsent zu haben. Man vergisst das oft. Und vergessen zu werden ist tatsächlich der größte Wettbewerb. Die Industrie und die industriellen Techniken sind natürlich auch ein Wettbewerb. Aber heute wird ja deutlich mehr Gas verbraucht als noch vor Jahrhunderten. Wir leben im Zeitalter von Glas. Fast alles kann mit Glas gemacht werden. Wir spielen eine ganz kleine, aber besondere Rolle."
Und welche Möglichkeiten gibt es? Was nutzen Sie, um sich präsent zu halten in der Öffentlichkeit oder bei den Fachleuten?
"Wir haben ein großes Netzwerk, das wir uns über Jahrzehnte aufgebaut haben. Dieses Netzwerk wiederum hat ein weiteres Netzwerk, viel passiert über Mundpropaganda. Ganz neue Zweige müssen wir uns aber tatsächlich hart erkämpfen mit Direktvertrieb. Das heißt, wir müssen schauen, welche Architekten, welche Designer, welche Künstler passen zu unserer Nische und müssen versuchen, diese Leute für unsere Arbeit zu begeistern. Und wir möchten tatsächlich sicherstellen, dass es auch in Zukunft noch viele Glaswerkstätten gibt, die unser Glas verarbeiten können, die unser Glas hochwertig verarbeiten können, sodass auch wir letzten Endes weiterhin eine Rolle spielen und auch weiterhin überleben können."
Ist den Mitarbeitern eigentlich bewusst, dass sie Kulturträger sind? Also dass sie durch ihr tägliches Tun eine so wichtige alte Kulturtechnik am Leben erhalten?
"Im Unterbewusstsein muss es das tatsächlich geben, weil wir kaum Fluktuation haben. Das heißt, unsere Mitarbeiter fangen irgendwann in der Glashütte an und scheiden dann im Rentenalter aus. Im täglichen Betrieb ist es eher im Hintergrund und wird mir dann bei Gesprächen wie mit Ihnen bewusst. Ja, ich glaube schon, dass man stolz ist, mitmachen zu dürfen, dieses Handwerk lebendig zu halten."
Vielen Dank für das Interview. Vielleicht schauen wir jetzt einfach noch in die Produktionshalle.
"Sie sehen jetzt einen Ofen, der diesen Sommer restauriert wurde, von Grund auf. Die Schmelztemperatur liegt bei 1430 Grad und die Arbeitstemperatur gerade im Moment liegt bei ungefähr 1100 Grad. Das heißt wir haben täglich sehr große Lastenwechsel, sehr große Belastung an alle Materialien, die im und am Ofen sind, und natürlich auch eine hohe Belastung für die Mitarbeiter, die an den heißen Ofen ranmüssen. Das heißt nicht nur Talent, Geschick und der Wille, das Handwerk zu lernen, ist wichtig, sondern natürlich auch Resistenz gegen Hitze."
Also wenn man das mal ganz kurz beschreibt, was wir hier sehen: Das ist ja nicht nur ein Ofen mit einem Ofenloch, sondern rundum haben die Mitarbeiter Zugriff und können sich das geschmolzene Glas entnehmen, wie sie es gerade brauchen.
"Der Ofen ist circa acht mal vier Meter groß und ungefähr mannhoch. Eine der ganz großen Stärken unserer Glashütte ist, dass wir jeden Tag auf 20 Schmelz-Ressourcen zugreifen können. Das heißt, wir können jeden Tag 20 verschiedene Farben schmelzen, wie wir auch im Ernstfall jeden Tag umschmelzen können. Das heißt, wir können sehr, sehr schnell auf spezifische Kundenwünsche reagieren, mit sehr kleinen Losgrößen. Und das ist die Basis für ein erfolgreiches Geschäftskonzept in diesem Segment. Wir befinden uns jetzt hier mitten in der Produktion, die allerdings schon jeden Morgen um 4 Uhr beginnt. Die Arbeitszeit wird so gewählt, weil es die angenehmste Zeit ist, klimatisch die angenehmste Zeit. Das heißt die Produktionshalle konnte über Nacht auskühlen. Gerade in den Sommermonaten. Und um die Leute keinen Schichtbelastungen auszusetzen, haben wir die Produktion das ganze Jahr auf 4 Uhr gelegt und das begrüßen die Leute auch. Das ist keine Belastung. Die Leute stellen sich darauf ein, und die Leute wünschen auch diese Arbeitszeit. Die Produktion geht bis circa 10 Uhr, und die Produktion endet nicht mit einer festen Arbeitszeit, sondern die Produktion endet dann, wenn die Häfen, die Schmelzhäfen ausgearbeitet wurden. Das heißt, wenn ein Glasstand im Hafen ist, der eben nicht mehr ausarbeitbar ist. Und das ist eben ungefähr bei 45 Tafeln pro Hafen der Fall. Das heißt, wenn die Leute am Ende des Tages ihre Stückzahl erreicht haben, für zwei Häfen sind sie jeweils verantwortlich die Mannschaften, dann ist die Arbeitszeit beendet. Der nächste Schritt ist, wieder von vorne zu beginnen. Das heißt, nach den Glasmachern kommen die Einleger. Die Einleger legen die Häfen wieder voll mit Rohstoffen, sodass am nächsten Tag und 4 Uhr wieder geschmolzenes Glas in den Häfen vorzufinden ist. Die Schmelztemperatur liegt bei 1430 Grad, die tagsüber sehr schnell hochgefahren wird, bis circa 19 Uhr die Rauschmelze erfolgt, das heißt insbesondere aus Quarzsand, Soda, Kalk wird flüssiges Glas geschmolzen. Am Abend kommt dann der Feinschmelzer, der Nachtschmelzer, der dann die letzte Prise zugibt, dass das Glas am nächsten Tag die richtige Kondition, die richtige Farbe hat. Und dann geht die Sache wieder von vorne los. Und so geht es Montag bis Freitag das ganze Jahr über. Der Ofen ist immer an, 365 Tage im Jahr. Er muss an bleiben. Er muss sich in einem bestimmten Temperaturbereich halten, da muss er einfach stehenbleiben. Ab einer gewissen Temperaturgrenze passt die Ofenatmosphäre nicht mehr, der Ofendruck, und dann gibt das Gewölbe nach. Dementsprechend müssen wir das ganze Jahr über schmelzen, arbeiten oder zumindest in den Urlaubszeiten, Weihnachten, Sommerurlaub, den Ofen auf einer bestimmten Temperatur halten. Das Interessante spielt sich bei solchen Öfen eigentlich immer in den Bereichen ab, in denen man es nicht sieht oder vermuten möchte. Und das ist im Keller. Im Keller ist eigentlich die meiste, in Anführungszeichen, Technik des Ofens verbaut."
Mit was wird er denn beheizt?
"Mit einer Mischung aus Gas und Sauerstoff."
Und jetzt produzieren sie ja, aber eben keine runden Vasen, sondern Flachglas.
"Also wir grenzen uns tatsächlich bewusst ab von den Hohlglashütten. Wir sind eine der letzten Flachglashütten, die es weltweit gibt. Und wir stellen wirklich unsere Gläser in einer Technik her, die über Generationen überliefert ist und die seit Jahrhunderten Bestand hat. Was wir bei Lamberts in den letzten Jahrzehnten gemacht haben und was uns das Leben ermöglicht hat, das Weiterleben dieser Tradition, war die Technik, das heißt welche Möglichkeiten im Prozess bestehen, welche Designs kann ich dem Glas bereits geben, um den Glasstudios schon eine bessere Basis anbieten zu können für die weiteren Bearbeitungsschritte. Das hat das Überleben der Glashütte Lamberts gesichert. Und das ist wirklich die Aufgabe, die wir aktuell haben: Dieses Wissen, diese Erfahrung der nächsten Generation zu übergeben. Das heißt auch in einer Zeit, in der ja man viel bewusst lebt, vielleicht auch spart, müssen wir investieren. Wir müssen in junge Leute investieren, die die Tradition der Glasmacher, die das seit Jahrzehnten machen, einfach weiterleben. Und das geht nicht in einer Lehre von zwei bis drei Jahren, sondern eigentlich geht es dann erst los. Die Leute beginnen bei uns mit einem Einblick in die Produktion, dürfen zu Beginn die Walzen ins Kühlband tragen, um einfach einmal ein Gefühl zu bekommen für die Hitze, für den Teamgedanken, aber auch für den Rhythmus, dieser schnellere Rhythmus, in der wir die Tafeln beziehungsweise die Gaszylinder produzieren. Und so beginnt eigentlich der Aufstieg dann zum Glasmachermeister. Die Schritte dazwischen sind ganz unterschiedlich, aber in der Regel versuche ich im nächsten Schritt dann einmal mit der Glasmacherpfeife, das ist ein circa 1,5 Meter langes Stahlrohr, das Glas aus dem Ofen zu holen, vorzuformen und dann mit Unterstützung eines erfahrenen Glasmachers eben vorzuformen und vorzublasen, dass im Anschluss der Glasmachermeister einen anständigen Ballon ausblasen kann und dann letzten Endes einen Glaszylinder herstellen kann. Das alles passiert schon beim Anfangen, beim Entnehmen das Materials aus dem Ofen. Das ist der Grundstein für eine gute Tafel Lamberts-Glas.
Wie eben schon erwähnt, beginnt das Zylinder Glasmachen mit dem Anfangen des Glases. Das heißt der Glasmacheranfänger geht mit seiner Glasmacherpfeife zum Schmelzofen und entnimmt ihm in verschiedenen Schritten die notwendige Menge an Glas, um einen Zylinder Glas herstellen zu können. Ganz wichtig dabei ist die Formgebung. Und der Titel des Mitarbeiters „Anfänger“ bezeichnet keineswegs den Ausbildungsgrad des Mitarbeiters, sondern spiegelt letzten Endes den Prozess wider. Das heißt, der Anfänger fängt den Prozess an. Und dieser Prozess ist extrem wichtig. Weil wenn man eine Kugel schlecht anfängt, dann kann man tatsächlich am Ende nur noch Schadensbegrenzung betreiben. Zur Vorformung bedienen wir uns verschiedenster Model. Model sind spezielle Holzformen, in denen wir unserem Glas die Form geben und dann im Anschluss vorblasen.
Gerade im Moment wurde der Ballon beziehungsweise die Kugel, die vorgeblasene Kugel an den Glasmachermeister übergeben, der jetzt in der Verantwortung steht, aus dieser hohen Kugel einen Glaszylinder zu fertigen. Wir haben ein ganz besonderes Glas, das man in den Zwischenschritten immer wieder aufwärmen muss. Der Glasballon wird in eine bestimmte Größe geblasen und in der Regel auch mit einer ganz speziellen Textur, dem sogenannten Hobel versehen. Der Hobel ist mit einigen anderen Merkmalen tatsächlich international bekannt, und man kann tatsächlich unser Glas von anderen Gläsern sehr, sehr leicht unterscheiden. Diese Stahlform, die wir Hobel nennen, gibt der Struktur auch ihren Namen. Die Struktur beziehungsweise der Hobel ist zusammen mit den Bläschen, die bei unserem Glas durchaus erwünscht sind, in unterschiedlichen Mengen, in Kombination mit den Farben oder den Farbschattierungen, ja die besondere Brillanz. Das heißt, wir stellen ein sehr, sehr lebendiges Glas her. Und verglichen mit industriellen Glas haben Sie eine ganz andere Lichtreflexion. Der Ballon wird in den nächsten Schützen aufgeweitet. Das heißt er wird zunächst an der Spitze geöffnet, wird aufgetrieben, wie es im Fachjargon genannt wird, wird mit einem weiteren Spezialwerkzeug aufgenommen, von der Glasmacherpfeife abgeschlagen, das hört man jetzt. Die gegenüberliegende Seite wird wieder auf Temperatur gebracht für die weitere Bearbeitung, zu dicke Glasmengen werden abgeschnitten, und dann wird die gegenüberliegende Seite wie auch die vorherige aufgeweitet. Und somit haben wir unser Zwischenprodukt, den Glaszylinder."
Und da kommt es schon darauf an, dass das Glas an jeder Stelle ungefähr gleich dick ist.
"Absolut. Die Glasdicke ist für die weitere Bearbeitung entscheidend. Natürlich haben wir gerade wenn wir die heutigen technischen Toleranzen sieht, sehr hohe Toleranzen. Für den handwerklichen Bereich und insbesondere wie wir die Gläser herstellen, ist es ein sehr enger Toleranzbereich. Im Anschluss durchläuft der Glaszylinder einen ersten, relativ schnellen Kühlprozess, wird der Länge nach aufgeschnitten und wird dann im abschließenden Bearbeitungsschritt zur Glastafel verarbeitet."
Und jetzt hat man gerade gesehen, es war keine Sekunde zwischen einen Zylinder fertigstellen und den nächsten Ballon übernehmen für den Glasmachermeister.
"Ganz wichtig bei der Arbeit als Glasmacher in der Produktion ist der Teamgedanke. Die Leute müssen sich aufeinander einspielen. Deswegen bleiben die Mannschaften eigentlich das ganze Jahr über zusammen. Jeder muss genau wissen, wie er seinen Handgriff wann machen muss und die Übergaben erfolgen teilweise blind. Und genau so muss es funktionieren. Weil trotz allem arbeiten wir mit einem sehr heißen, gefährlichen Produkt. Das heißt, ich muss mich wirklich die ganze Schicht über konzentrieren, um eine konstante und gute Qualität produzieren zu können und auf der anderen Seite aber auch meine Gesundheit und die Gesundheit meiner Teammitglieder sicherzustellen."
Was wiegt denn so ein Zylinder oder Ballon?
"Ein Zylinder wiegt ungefähr sieben Kilogramm. Die Glasmacherpfeife ungefähr noch mal das Gleiche. Das heißt unsere Leute bewegen ein sehr schweres Gebilde aus Werkzeug und Glasballon beziehungsweise Glaszylinder an einem sehr langen Hebel. Wichtig bei der Auswahl für die Leute, die wir beschäftigen möchten in der Produktion, ist nicht nur, dass sie ein Gespür haben für das Material und ein gewisses Talent mitbringen, sondern tatsächlich auch der Teamgedanke. Wenn jemand nicht im Team arbeiten kann, wenn einer Solist ist, dann ist er einfach als Glasmacher nicht geschaffen. In der Regel arbeiten bei uns drei Glasmacher-Mannschaften am großen Ofen, der zur Herstellung von Echtantikglas dient. Echtantikglas ist ein gängiger Begriff, jeder im Fachbereich kennt dieses Produkt. Allerdings bietet es auch so einige Hürden bei modernen Anwendungen. Denn das Glas kann tatsächlich einen antiken Charakter haben, bei Restaurierungen von funktionalen Fensterverglasungen, das heißt von historischen Fenstern bis ungefähr 1920, auf der anderen Seite für die Restaurierung von bestehenden Kunstverglasungen. Aber vielmehr wird unser Glas aktuell für moderne Anwendungen hergestellt. Und da ist tatsächlich diese Begrifflichkeit eine Hürde, und die möchten wir gerne ablegen. Deswegen bezeichnen wir unsere Gläser als mundgeblasene Flachgläser oder mundgeblasene Lamberts-Gläser.
Wie eingangs schon erwähnt, arbeitet jede Glasmacherwerkstatt, einen Hafen komplett aus und dann im Anschluss in der zweiten Hälfte des Tages einen zweiten Hafen. So ist der Regelbetrieb. Das heißt eine Mannschaft stellt am Tag 93 Walzen her. Und wenn diese 93 Weizen hergestellt sind, ist die Arbeitszeit beendet. Ob das dann um 09:30 Uhr ist oder um 11 Uhr ist, ist zweitrangig. Jedoch ist es so, dass spätestens um 11 Uhr die Glasmacher-Mannschaften ihre Arbeit beenden müssen, weil dann das Glas wieder neu geschmolzen werden kann. Und wenn das Zeitfenster zu eng wird, dann bekommen wir die Gläser nicht durch. Das heißt, wir gefährden eine erfolgreiche Glasschmelze für den Folgetag. Deswegen ist tatsächlich die Arbeitszeit gedeckelt, und das treibt letzten Endes auch unsere Produktion an. Das heißt, dass man hier nicht trödelt. Trödeln ist oft kontraproduktiv. Das heißt, wenn ich mir für eine Aufgabe Zeit nehme, dann meint man ja oft, die Arbeit ist qualitativ hochwertiger. Das ist bei uns nicht so. Man muss sich natürlich Zeit nehmen. Aber ganz wichtig ist, dass das Team eingespielt ist und ganz genau weiß, welches Glas es wann produziert und was jeder einzelne von der Glasmacher-Werkstatt beitragen muss."
Jetzt haben wir dann die Zylinder. Das ist aber ja noch kein Flachglas im eigentlichen Sinn.
"Ja, das schauen wir uns jetzt gleich an. Nach der Zylinderherstellung, bzw. nach der Zylinderglasherstellung kommt die Weiterverarbeitung, das sogenannte Strecken. Bei dem Vorgang wird aus dem Zylinder eine flache Scheibe geformt. Das schauen wir uns jetzt gleich an.
Die Zylinder werden zunächst gekühlt, sodass man sie mit dem einfachen Glasschneider der Länge nach anritzen und aufschneiden kann. Dabei werden sie auf die Qualität kontrolliert. Das heißt, sehe ich einen Fehler, der am Ende zu einem Ausschuss führen würde, schneide ich den Zylinder einfach genau an dem Fehler auf und habe am Ende keinen Ausschuss. Das schont die Ressourcen, das sichert die Mühen, die alle Mitarbeiter vorher getan haben und, ja, stellt die höchstmögliche Effektivität an der Stelle sicher.
Im nächsten und letzten Bearbeitungsschritt wird der Glaszylinder in einen weiteren Spezialofen eingelegt. Das heißt, der Glaszylinder wird langsam wieder erwärmt, bis hin zu seinem Transformationspunkt und wird dann zur Glastafel auseinandergelegt. Der Prozess ist sehr, sehr sensibel, weil ich die ganze Arbeit im Prozess vorher kaputtmachen kann. Und man muss sich vor Augen halten, dass das Stück mundgeblasenes Glas auf einer Steinplatte bewegt wird, das heißt mittels einer Eisenstange, einer Metallstange, wird der Glaszylinder auf eine Steinplatte gehoben, wird leicht bewegt, sodass sich das Glas mehr oder weniger der Schwerkraft hingibt. Es heißt der größte Teil des Streckvorgangs ist einfach Geschick des Streckermeisters und natürlich auch eine Temperatursache. Die letzten Falten werden dann mit einem simplen Stück Holz aus dem Glas gebügelt und das durchläuft dann einen letzten und kontrollierten Kühlprozess.
Die Glashütte Lamberts stellt nicht nur dekoratives Glas zu gestalterischen Zwecken oder zu künstlerischen Zwecken her, sondern auch historische funktionale Tafelgläser, das sogenannte Zylinderglas. Der Name kommt vom Herstellungsprozess über den Glaszylinder flaches Glas herzustellen. Und das haben wir über Jahrzehnte perfektioniert und können letzten Endes noch jeden so individuellen Bedarf in diesem Segment abdecken. Die Produktion birgt leichte Unterschiede zum Echtantikglas, nennt sich Neuantikglas. Im Kern sind es beide mundgeblasene Zylindergläser, aber mit unterschiedlichen Anwendungsbereichen. Die Glaszylinder sind deutlich größer, bis zu 1,20 Meter lang und ergeben am Ende eine Glastafel von circa 1 Meter mal 80 Zentimeter. Die mundgeblasenen Tafelgläser im echter Sichtbereich sind im Vergleich dazu relativ klein bei einer Größe von circa 60 mal 90 Zentimeter.
Die mundgeblasenen funktionalen historischen Zylindergläser kommen eben bei historischen Bauwerken zum Einsatz. Zum Beispiel im Justizpalast in München ist ein Gebäudeteil mit unserem Glas, das technisch zum Isolierglas weiterveredelt wurde, eingesetzt worden. Unser Glas ist in sehr bekannten Bauwerken in der ganzen Welt zu Hause. Die Dresdner Frauenkirche beispielsweise wurde komplett mit dieser Art von Glas verglast. Die Hofkirche in Dresden ist ein aktuelles Projekt, bei dem unser Glas zum einen thermisch vorgespannt wurde und zum anderen als Verbundglas und Verbund-Isolierglas eingesetzt worden ist. Das heißt unser traditionelles Glas kann man auch technisch wie alle anderen industriellen Gläser den Anforderungen gerecht weiter veredeln. Man muss tatsächlich wissen, wie es geht. Man muss geübt sein darin, und dafür gibt's eben die Spezial-Glaswerkstätten, Glasstudios, hier in Deutschland und in der ganzen Welt, die sich am Ende um die Belange der Bauwerke, der Kunden, der Künstler, der Designer, der Architekten kümmern, um tatsächlich nicht nur das Material authentisch oder gestalterisch in den Vordergrund zu setzen, sondern tatsächlich auch die neuen modernen Herausforderungen bewältigen zu können. Und dazu braucht es Spezialisten, Spezialisten wie uns für die Materialherstellung auch für die Weiterverarbeitung.
Wir haben aktuell über 4000 verschiedene Gläser auf Lager. Das ist sehr wichtig, um unseren Kunden, Künstlern, Restauratoren ein breites Spektrum aus dem Stand für kleine Bedarfe anbieten zu können. Das ist eine ganz, ganz wichtige Basis, um auch über Projekte, über Produktionen sprechen zu können.
Ein ganz besonderes Projekt für uns war die Herstellung der Gläser für den Big Ben. Das Ziffernblatt des Big Ben ist nämlich aus Glas, aus mundgeblasenem Glas. Um dem Qualitätsanspruch der Verantwortlichen für das Restaurierungsprojekt am Big Bend gerecht zu werden, mussten wir mehrere Spezialschmelzen versuchen, um überhaupt den richtigen Farbwert zu bekommen. Das heißt, auf der einen Seite war die Dichtigkeit wichtig, auf der anderen Seite war die Farbechtheit wichtig. Und wir sprechen über ein weißes Glas, das aussieht wie Porzellan. Und die Ziffernblätter des heutigen Big Ben sind alle aus Waldsassen. Da den Big Band alle kennen, sind wir tatsächlich auch sehr stolz darauf."
Vermutlich wissen die Wenigsten, dass das Ziffernblatt aus Glas ist, weil man vermutet es erstmal nicht. Aber in der Tat kann man mit einem anderen Material das in der Größe und in der Farbbeständigkeit und Wetterfestigkeit nicht herstellen, oder?
"Das ist richtig. Sie bringen kein authentisches Replika zustande. Es ist aber bei Denkmalpflege, bei Restaurierungen auch wichtig, dass der Prozess, wenn es eben möglich ist, noch traditionell erfolgt. Und das können wir hier in Waldsassen bieten.
Wir befinden uns hier im Gemengehaus. Im Gemengehaus laufen alle Rohstoffe, die für die Glasschmelze notwendig sind, zusammen. Im Kern handelt sich es dabei um Quarzsand, Soda und Kalk. Diese drei Rohstoffe ergeben weißes Glas, und durch die Hinzugabe von verschiedenen weiteren Spezialrohstoffen, insbesondere von Metalloxiden, erhält man dann die unterschiedlichen Farben. Ein Beispiel dabei ist ein Kobaltoxid, das dem Glas seine blaue Färbung gibt, Kobaltblau.
Natürlich gibt es in der Glashütte Lamberts auch Ausschuss und alle Ausschussgläser, die definiert werden können, fließen wieder in den Kreislauf ein und werden als Scherben in den Ofen eingelegt, um auch den Schmelzaufwand zu minimieren."
Das ist aber wahrscheinlich gar nicht so einfach, weil die Farben ja immer wechseln.
"Das ist eine große Herausforderung, tatsächlich solche Reste wieder einzubringen, zielgesichert einzubringen, da tatsächlich die Produktion an sich, von der Glasschmelze über die Ausarbeitung der größte Aufwand ist. Und grundsätzlich kommt es nicht auf das Kilo Scherben an. Aber das Kilo Scherben kann tatsächlich zum Misserfolg führen. Deswegen muss man damit sehr, sehr vorsichtig umgehen und auch genau wissen, wann und wo ich diese Scherben wieder zum Einsatz bringe."
Michael Mayer, Mayer'sche Hofkunstanstalt, München
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"Ich bin Michael Mayer von der Mayer‘schen Hofkunstanstalt, jetzt mittlerweile die fünfte Generation, die dieses Haus führt und leitet. Gelernt habe ich Mosaikbildner in Italien, dann bin ich zurück nach München gekommen, habe auch hier noch die Glasmalerei und die Kunstglaserei gelernt. Also bin ich eigentlich in allen Kunstbereichen oder Handwerksbereichen, die wir hier im Haus ausführen, ausgebildet."
Könnten Sie den Betrieb einmal kurz vorstellen. Also wie groß ist die Firma eigentlich? Was wird gemacht?
"Wir sind eine Firma für Mosaik und Glasmalerei. Auch in gewissen Teilen machen wir Keramik. Sind heute noch circa 40 Mitarbeiter, die eben in diesen Bereichen arbeiten, sind international tätig, haben ein Büro in New York und hier natürlich den Hauptsitz in München, wo wir unsere Werke eigentlich ausführen, die dann international verschickt werden und auch montiert."
Mayer‘sche Hofkunstanstalt: Der Name sagt es schon, das ist ein alter Betrieb. Sie sagten schon fünfte Generation. Können Sie etwas über die Geschichte erzählen?
"1847 gegründet von meinem Ururgroßvater, hier am Stiglmaierplatz, wo mein Ururgroßvater eben ein Haus kaufte, anfänglich mitunter als Anstalt, wo er als Direktor die Anstalt der krüppelhaften Kinder leitete. Diesen Kindern ermöglichte er durch das Arbeiten mit einer Masse, die er entwickelt hatte, die Motorik zu schulen und aus dieser oder mit dieser Masse begann er eben Altarbaustatuen im christlichen Bereich zu fertigen. In den 1860ern kam dann die Glasmalerei dazu und dann wuchs auch das ganze Gelände, bis dann zur Jahrhundertwende ungefähr um 500 Mitarbeiter stark. Also es war ein relativ großes Unternehmen, damals dann auch schon mit Büros in Paris, in London und auch in New York. Also immer wirklich sehr international aufgestellt von Anfang an eigentlich und die Fertigung war immer in München und von München dann eben in die Welt. Schon interessant, wenn man sich vorstellt: Wie war es im 19.Jahrhundert, wie kam es zu einem Auftrag in einer Kirche irgendwo im Mittleren Westen, also Tausende von Kilometern weg von München? Aber allein, dass die Kommunikation existierte oder wie die Kommunikation funktionierte. Dann wurden die Dinge gefertigt, über den Atlantik per Boot geschickt und dann wahrscheinlich auf irgendeinem Eselskarren in die jeweilige Stadt oder Dorf gebracht, um dann montiert zu werden. Und das ist hochinteressant, also es gibt wirklich kaum einen Ort, der keine Mayer- oder Zettler-Fenster in einer Kirche hat. Zettler war der Schwiegersohn, der anfänglich die Glasmalerei aufgebaut hat. Er hat sich dann selbstständig gemacht, ist aber dann wieder zur Firma zurückgekommen vorm Zweiten Weltkrieg. Und vielleicht noch zu erwähnen: Glasmalerei und Statuen war so im Endeffekt der Anfang. In den 1920ern hat man dann die Statuen abgelegt und hat das Mosaik dazu genommen, also seit den 20er-Jahren Mosaik und Glasmalerei und vielleicht auch der Wandel von den hauseigenen Entwürfen hin zu Künstlerentwürfen, also wo wir dann wirklich mit freischaffenden Künstlern gearbeitet haben, die eben die Entwürfe gemacht haben und wir als Werkstatt haben das umgesetzt. Das war dann so eigentlich der große Wandel nach dem Ersten respektive vor dem Zweiten Weltkrieg. Und bis heute ist es so, dass die Künstler zu uns kommen und wir für sie ausführen und fertigen."
Könnten Sie kurz sagen, was heute vor allem gefertigt wird. Also wer sind die Auftraggeber, was genau sind es für Techniken, die Sie verwenden, wohin wird geliefert…
"Also heute nach wie vor Glasmalerei und Mosaik. Im Mosaik ist es ist eine Mischung aus Glas- und Steinmosaik, aber natürlich auch mit Keramik oder mit anderen Materialien wie Floatgläsern, die werden beschichtet. Bei uns entscheidet sich eigentlich immer die Kombination durch und mit den Künstlern. Jeder Künstler, jede Künstlerin haben Ideen, wie möchten sie ihr Werk umgesetzt sehen. Für viele ist das komplettes Neuland, weil sie noch nie mit dem Material gearbeitet haben. Und es ist natürlich immer dieser Findungsweg: Wie kann man was umsetzen und mit welchen Materialien kann man das machen? Und von der Seite ist es eigentlich immer das Suchen nach auch durchaus neuen Wegen, ob das technische Kombinationen sind oder ob es selbst geschmolzene Gläser oder Kombinationen mit reliefartiger Keramik sind. Da muss ich sagen, das hängt immer ganz, ganz stark einfach von dem Gegenüber ab: Wo soll die Reise hingehen mit so einem Kunstwerk? Und dasselbe passiert im Glas. Wir haben also das traditionelle, mundgeblasene Glas, das verbleit oder verklebt wird, oder Floatglas, das sind Industriegläser, die auch bemalt, strukturiert, graviert, digital bedruckt, also mit ganz vielen möglichen technischen Varianten bearbeitet werden können. Diese Gläser können vorgespannt werden, laminiert zu Iso gebaut werden. Das sind sagen wir mal so die Vorteile dieser etwas größeren Glasscheiben, also sogenanntes Floatglas und das mundgeblasene ist eben etwas kleiner, kleinteiliger, weil die maximale Tafelgröße circa 60 und 90 Zentimeter ist. Aber wie gesagt, es kommt immer darauf an: Was stellt sich der Künstler, die Künstler vor, wo soll die Reise hingehen? Und so setzt man dann diese Dinge immer wieder neu zusammen und erarbeitet eben Techniken, die es vielleicht davor noch nicht gab. Und ich denke, das ist das Spannende heute, diesem Handwerk, diesem archaischen Handwerk auch die Möglichkeit zu geben, einfach weiterzugehen, sich weiterzuentwickeln und nicht irgendwo in einer zeitlichen Epoche stehengeblieben zu sein, sondern wirklich zu sagen, was können wir mit diesem wunderbaren Basismaterial heute noch anstellen? Dass es aber immer noch den Anspruch hat, einfach auch nicht modernistisch, aber immer noch einen Ausdruck von Modernität hat und in seiner Ausdrucksform eine Qualität darstellt, die man hoffentlich auch in Jahrzehnten noch als das erkennt. Also das ist mir oder speziell der Firma sehr wichtig, Qualität zu produzieren, die auch in 15 und 50 Jahren hoffentlich in 100 Jahren noch einen gewissen Stellenwert hat, den die Leute auch als etwas Besonderes ansehen. Wir sind in einer sehr schnelllebigen Welt. Qualität spielt nicht mehr die Rolle. Es wird nicht mehr in der Form ausgebildet, wie man es vielleicht mal vor 10, 50 Jahren gemacht hat. Und ich denke, da kann man nur gegensteuern, dass man einfach diese Wertigkeit noch behält und auch wieder im Vordergrund stellt."
Was bedeutet denn bei alldem die Arbeit mit den Händen, also Ihnen persönlich und sicher auch den ganzen Mitarbeitern, aber auch vom Firmenideal her: die Handarbeit, welchen Rang hat das?
"Handarbeit hat immer noch den Rang Nummer eins. Das kann man einfach nicht ersetzen maschinell. Das kann gewisse Dinge vielleicht ermöglichen. Und es kann Dinge erleichtern. Aber das, was die Hand fertigen kann, hat einen völlig anderen Geist. Und ich finde, das spürt man in jeder Arbeit. Auch wenn man jetzt zum Beispiel ein maschinell gefertigtes Teil nimmt, dieses aber händisch nachbearbeitet, gibt man ihm auch wieder eine Seele, die für mich, für die Firma und ich denke einfach auch für die Leute, mit denen wir arbeiten, das Wichtigste sind, dass man wirklich diesen Geist spürt, dass hier etwas geschaffen wurde und nicht nur maschinell reproduziert oder produziert, sondern es wirklich eine, ja diese spezielle Ausdrucksform. Oder dieses spezielle Gefühl, dass man auch das Material sprechen lässt, dass einfach ein gegossenes Glas eine andere Struktur hat, als jetzt ein maschinell gezogenes Industrieglas, was relativ seelenlos ist. Man kann probieren dem wieder ein bisschen Seele einzuhauchen, aber generell ist der Touch, den eine Hand geben kann, was völlig Anderes und damit für uns fundamental wichtig."
Und was haben Sie für ein Gefühl, welchen Wert hat dieses Handwerk in der Gesellschaft? Jetzt kommt es natürlich immer darauf an, in welchen Kreisen man gerade unterwegs ist, aber welchen Stellenwert hat Ihrer Meinung nach Handwerk heute?
"Also ich muss sagen, hin und wieder gibt es Lichtblicke, wo man sieht, dass das Handwerk wieder mehr geschätzt wird. Aber nachdem bei uns, auch wenn man sich die staatlichen Ausschreibungen anschaut, es primär um Geld geht, kann es nicht um eine wirklich ehrlich gemeint gute handwerkliche Leistung gehen. Weil ich denke, sobald nur das Geld entscheidend ist, muss irgendwo ein Abstrich passieren. Und ich hoffe schon, dass das Handwerk wieder einen Stellen-, also wirklich viel höheren Stellenwert bekommt. Weil wir sehen es bei uns in der Lehrlingsausbildung oder so, wer kommt noch und will eine Lehre machen? Es sind so wenig Menschen. Und das ist traurig. Wenn ich mich an meine frühen Jahre erinnere, in den sagen wir mal Mitte, Ende der Achtziger, Anfang der Neunziger wir hatten immer um die 200, 250 Bewerbungen für unsere drei Bereiche. Und mittlerweile, wenn ein, zwei, drei Bewerbungen kommen, ist das viel. Und das ist wirklich nicht nur Trauerspiel, sondern schon ein Alarm, wo man sagen muss: Wo soll das alles noch hingehen, wenn junge Menschen nicht mehr lernen, wie Dinge von der Pike auf funktionieren und auch von Meistern, die es vielleicht von ihren Meistern gelernt haben, dass auch weiterzugeben. Also wir haben das in den Neunzigern gesehen oder in den Achtzigern, wo viele der alten Glasmaler in Rente gingen. Deren Wissen, deren Können, das zu transportieren, war für uns zum Teil schwierig, weil sie dann weg waren und der Stil überhaupt nicht gefragt wurde, also gerade in Deutschland, Europa und man wirklich wieder beginnen musste, sich das zu erarbeiten. Und wir wissen alle, das ist unwahrscheinlich schwierig. Wenn ich jemanden habe, der es mir zeigt, der mich führt, der mich leitet, der kann oder die kann eine völlig andere Qualität hervorbringen, als wenn man es verloren hat und wieder erarbeiten muss. Und da sind wir schon in einer Phase, die schwierig ist. Junge Leute wollen es nicht mehr lernen, die Tendenz zum Billigprodukt zur Wegschmeißgesellschaft, wo man sagt, das ist kaputt, das brauche ich gar nicht mehr reparieren. Das gab es früher nicht. Sicherlich auch viel daran schuld, wenn man sich in den 80ern, 90ern anschaut: Produktdesign, das gab es davor nicht. Jeder Apfel ist heute designt verpackt, allein was das für den Müll bedeutet und solche Dinge. Aber die Wertigkeit für das Produkt selbst, ist einfach so fehlgeleitet worden. Und auch der Respekt für die Ressourcen oder für das Material ist nicht mehr da, wo es hingehört. Ich denke, unsere Vorväter haben immer geschaut, mit guten Materialien Dinge zu machen. Die halten. Also über die man nicht jetzt gesagt hat na ja fünf Jahre müssen wir Garantie geben oder zwei Jahre, und dann kann es durchaus kaputtgehen. Nein, die Einstellung war und für uns auch heute noch ist: Es muss so lange halten, wie es geht. Ob das 50 Jahre 100 oder 200 Jahre sind, aber nicht mit der Grundvoraussetzung, dass man sagt, für die Zeit hält es schon und dann kann es eh kaputtgehen. Und ich denke, wenn wir da nicht anfangen, zurückzurudern und wieder an einem anderen Punkt zu kommen, dann haben wir ganz viel falsch gemacht. Und wir haben heute Diskussionen über Klimaprobleme, die hundertprozentig auch damit einhergehen, dass wir einfach mit Ressourcen schlecht umgehen. Und das ist noch gar nicht so lange her, dass man begonnen hat, so zu arbeiten und so zu denken."
Wie versuchen Sie denn jetzt in Ihrer Firma das aktuelle Wissen, den Stand zumindest weiterzugeben? Oder wie versuchen Sie genau diesen Tendenzen auch entgegenzuwirken und das Handwerk wieder populärer zu machen oder zumindest an gute Lehrlinge zu kommen? Gibt es da bestimmte Ideen, Konzepte?
"Man muss sagen, bei uns ist es ja ist es so eine Mischung aus Handwerk und Kunst. Also jetzt nur handwerklich begabt zu sein, reicht zum Teil einfach nicht aus, sondern da muss einfach schon auch das künstlerische Gespür da sein und der Wunsch, was zu machen. Auch der Wunsch und die Fähigkeit, mit und für einen Künstler oder eine Künstlerin zu arbeiten, das ist auch ganz wichtig, also auch in gewisser Weise, sich so ein bisschen unterordnen zu können und eben nicht selbst der Künstler sein zu wollen. Also für uns ist es sicherlich mehr die Melange eben Kunst und Handwerk als jetzt nur das Handwerk. Und da wird es natürlich dann einfach noch ein bisschen schwieriger. Wo trifft man diese Leute, die das haben? Natürlich, wenn man Glück hat, dass man einen Lehrling hat, aber häufig sind es auch Künstler, Künstlerinnen, die von Akademien kommen oder aus völlig anderen Bereichen, die vielleicht als Quereinsteiger was probieren wollen. Wir haben so viele Nationen im Haus, ob das Japaner, Chilenen, Argentinier, Ukrainer, Russen sind. Und ich muss sagen, wenn man sich suchen kann, welche Leute auch dieses bisschen Feuer in sich tragen, etwas Besonderes zu machen, das ist für uns so die Mischung, die wir wollen, die wir brauchen, um auch ein guter Konterpart für den Künstler oder die Künstlerin zu sein. Also hier ist es, glaube ich Handwerk ja, Kunst ja, aber das sind auch noch andere Elemente dabei, die einfach fundamental wichtig sind, hier auch sein zu können und auch irgendwo seinen Platz zu finden."
Sie bilden ja aus, wie viele Lehrlinge haben Sie denn?
"Also momentan haben wir im Glas einen, beim Glasmaler, die haben gerade ausgelernt. Und im Mosaik haben wir jetzt schon ein oder zwei Jahre nicht ausgebildet. Da kommt es immer darauf an, wen findet man und wir wollen auch nur so viele ausbilden, dass wir Leute, wenn sie gut sind, auch behalten können. Also ich halte überhaupt nichts davon, jetzt zu sagen, ich habe jetzt in jedem Lehrjahr drei Lehrlinge, da könnte ich vielleicht ein bisschen billiger produzieren, aber das interessiert mich nicht. Also wenn, dann wollen wir Qualität und wir wollen auch den Lehrlingen, die eben da sind, eine gute Ausbildung geben und danach auch die Sicherheit, dass sie vielleicht hierbleiben können und auch eine Zukunft haben. Weil wir wissen alle, die Lehrjahre, ob es jetzt zweieinhalb oder drei Jahre sind, das ist der Anfang, aber sobald man Geselle ist oder irgendwann seinen Meister hat, das ist eigentlich der Anfang des wirklichen Lernens. In unseren Handwerken braucht man mindestens also würde ich schon sagen zehn Jahre, bis man einfach so mit allen Wässerchen gewaschen ist. Es kommen immer wieder Dinge, die man nicht kennt und die man schlechter einschätzen kann. Aber man hat dann eben die Erfahrung über die Jahre plus natürlich mit den Kollegen, die alle im Haus sind, um Probleme auch lösen zu können. Aber eine Ausbildung ist jetzt nicht nur drei Jahre, sondern es ist einfach ja auch schon ein gewisses Zugeständnis für sich, ans Leben, diese Sache zu machen und auch weitermachen zu wollen. Weil wir … ja es ist ein Beruf, in dem man immer nur lernen kann. Und unser Gegenüber, der Künstler, die Künstlerin sind ja Menschen, die kreativ sind, die fordern, wo auch jeder was Anderes will. Und wenn wir dafür nicht offen sind und auch nicht ein guter Partner, dann wird es schwierig. Also wir suchen Leute, die einfach diese Verbindung von diesen verschiedenen Gaben oder Fähigkeiten haben. Ein guter Partner für Künstler, Künstlerin, Architekten, Bauherren, wer immer eben zu uns kommt, zu sein, um etwas Besonderes zu machen, also das ist schon unser Credo und unser Wunsch, dass es eben was Besonderes werden muss und eben nicht nur, was eine kurze Halbwertszeit hat, sondern es soll Bestand haben."
Sie sagten, Sie suchen Menschen, die schon ein gutes Gespür für Gestaltung haben, die sich auch mal zurücknehmen können und unterordnen können, weil sie ja für jemand anderen arbeiten. Was versuchen Sie denn aber diesen Menschen mitzugeben? Oder welche Werte wollen Sie auch noch vermitteln, außer jetzt die handwerklichen Techniken selbst. Also sie erwähnten schon die Qualität, der Anspruch ist extrem hoch. Gibt es da noch ein paar andere Sachen? Worauf kommt es an?
"Also ich finde, in so einer Firma, das ist wie eine kleine Familie. Ich finde es unwahrscheinlich wichtig, dass die Mitarbeiter untereinander gut können, kommunizieren, offen sind. Dass wir auch eine Art von Demokratie leben. Aber ich sage auch den Leuten immer, Demokratie muss man leben. Man muss sie auch annehmen. Das ist auch ein Stück Verantwortung, die man übernehmen muss, weil man für das dastehen, geradestehen muss, was man tut. Wir sind alle verantwortlich für unser Leben und für die Arbeit, die wir leisten. Und einfach auch selbstkritisch zu sein und nicht zu sagen, ja es passt schon, sondern einfach zu sagen, das ist noch nicht gut genug, setzen wir noch mal von vorne an. Also ich möchte, dass die Leute eigenständig sind. Ich möchte, dass sie ihren eigenen Kopf und ihr eigenes Herz verwenden und einsetzen und ihm auch nachgehen. Und vielleicht sagen, ich bin doch nicht ganz zufrieden, können wir das noch mal irgendwie anfangen? Und ich glaube, dass wir daran eigentlich alle nur wachsen können, zu einem anderen Bewusstsein, mit den Dingen umzugehen. Oder auch dieser Arbeit, dem Werk, dem wir in diesem Fall dann dienen. Und ich glaube auch, dass uns das Menschliche einfach weiterbringt, wenn wir offener in diesen Strukturen leben und arbeiten können. Und eben nicht dieses Boss und Arbeiter. Ich finde auch, dieses Bild endlich zu brechen, wir sind alle nur Menschen und wir sitzen alle im selben Boot und wir können eigentlich alle nur gemeinsam, auch wenn jetzt zum Beispiel in einer Firma wie unserer natürlich unterschiedliche Aufgabenbereiche da sind. Aber am Ende arbeiten oder kämpfen wir alle für dasselbe, ob das der oder die in der Akquise oder im Büro oder in der Produktion oder bei einer Montage ist. Am Ende des Tages geht es immer um ein Werk, was man gemeinsam erschafft und wo man sagen will und soll und muss, Bauherr, Künstler ist zufrieden, aber auch wir sind zufrieden. Auch wenn der Weg manchmal steinig ist. Das ist, würde ich sagen, ganz natürlich, weil es ja auch irgendwo ein interner Kampf ist, dass man sagt: Nein, da muss ich jetzt doch noch mal ran und muss irgendwie dran feilen. Aber ich weiß nicht, manchmal, wenn ich dann sehe eine Baustelle ist fertig, man hat alles montiert, und man beobachtet Leute und man sieht da bloß so ein kleines Lächeln in deren Gesichtern und dann weiß ich, jetzt haben wir es doch richtig gemacht. Und ich finde dafür steht das, sich auch zu mühen oder mal Dinge wegzustecken. Das Geld zählt sowieso bloß wirklich peripher, man muss seine Rechnung bezahlen können, man muss irgendwie überleben. Aber am Ende des Tages geht es für mich mehr um eine Wertigkeit, die wir schaffen. Und dem sind wir schon eben auch verpflichtet. Ich finde, wir können nicht nur sagen: Ja mei, da habe ich halt mein Geld dafür gekriegt, und dann ist es gut. Nein, ich glaube, wir haben die Verpflichtung, jeder Mensch in seinem Bereich, das Beste zu geben. Und ich glaube, dann geht man auch mit einem anderen Stolz oder mit einem anderen Selbstverständnis mit Dingen um. Ich glaube da können wir alle uns selbst mal einen Rüffler geben und probieren, auch wieder anders anzusetzen. Also, das ist jetzt nicht nur Arbeit. Ich glaube, das sind einfach viele Bereiche, wo wir gewisse Dinge überkommen müssen und ja auch in der Denkweise, im Ansatz eine Veränderung herbeiführen sollten."
Wollen wir noch einmal in die Produktionsstätte selbst schauen?
"Gerne. Wir sind jetzt hier im Ausstellungssaal, das ist jetzt eben ein Raum, den Theodor Fischer damals 1923 bereits für das Haus, für ein Haus für die Glasmaler entwickelt oder entworfen hat. Ein Raum über drei Stockwerke, in dem wir Mosaike auslegen, in dem wir heute noch vor der Glaswand unsere Gläser montieren können, anschauen, mit einem Kunden begutachten, bevor sie dann wirklich verschickt werden. Also der ist für uns ein wirkliches Schmuckstück und so wichtig für unsere Arbeit, weil wir einfach das erste Mal das Werk, was ja normal auf Tischen oder auf Leuchttischen eben kreiert wird, auch mit einer gewissen Distanz, also wir können das von der Ebene selbst, wir können es vom dritten Stock Ebene und dann eben auch vom vierten Stock noch einmal anschauen, um das erste Mal auch ein gewisses architektonisches Bewusstsein zu bekommen. Und natürlich auch architektonisch schon eine Besonderheit. Theodor Fischer hat eben 23 das Haus gebaut, heute das letzte Gebäude von Theodor Fischer in Privatbesitz, sonst sind in vielen Schulen oder Ledigenheim. Und natürlich ist es einfach auch ein Charakter, ein Charme, den man heute in der in der modernen Architektur nicht mehr so findet und ermöglicht uns natürlich einfach noch in der Stadt zu sein. Wenn wir jetzt heute beginnen würden, dann wäre man in irgendeinem Industriegebiet und das hätte natürlich lange nicht den Charme, den wir hier noch finden."
Ich könnte mir vorstellen, dass das alles zusammen, also dieses Wissen die Generationen weiter zu leben, auch zur Verantwortung führt, dass man eben den Anspruch so hoch hält, oder? Also dieses ganze Ambiente und so Träger einer Familientradition zu sein, das hebt doch den Qualitätsanspruch, oder?
"Ich glaube schon, wenn man einfach mitbekommen hat, was die Vorväter, Großvater, den ich natürlich noch kenne und mein Vater, den ich natürlich kenne und auch mit ihm lange zusammengearbeitet habe, einfach zu sehen, welchen Anspruch haben diese Menschen in ihrer aktiven Zeit gehabt, das ist natürlich schon auch so eine gewisse Messlatte, die man vielleicht sich selbst setzt oder die man einfach irgendwo wir haben wahrscheinlich dann schon fast genetisch mitbekommen hat. Wie will man das weitermachen? Wenn jetzt unsere Kinder, die von meiner Frau und mir, wenn sie das jemals machen wollten, kann man natürlich sagen, die sind sicherlich einfach in gewisser Weise, sie sind damit groß geworden. Sie kennen die positiven wie die negativen Seiten. Und natürlich ist es ein eine Sache, die einen sehr absorbiert, die viel Zeit nimmt. Aber die, glaube ich, auch zeigt, welche Freude man daran haben kann und vor allem, welche Werte wir für unsere Gesellschaft schaffen, kreieren können, was einfach schon etwas Besonderes ist. Und ich finde, ja, ich fände es wunderbar, wenn sie es machen. Aber natürlich kann ich nicht sagen, ich kann kein Diktat aufgeben ihr müsst das machen, weil ja so Tradition, wenn sie abreißen, dann ist natürlich da auch irgendwann ein gewisser Geist unterbrochen, der nicht mehr weitergeht. Und ich finde das schon auch sehr wichtig für unsere Gesellschaft, dass so etwas weiter schwingt, weil es natürlich auch Träger von etwas ist. Sie sehen es ja auch hier, was rumhängt, das sind jetzt viele alte Entwürfe, die wir eben zum Teil auch auf dem Dachboden wiedergefunden haben, weil in den 50er-, 60er-Jahren auch keiner diesen alten Stil sehen konnte. Das war völlig verpönt, dieses Nazarener... Das ist zum Beispiel ein Bild, das war auch auf dem Dachboden, das hing im Büro in London und das kam irgendwo 1913 wieder zurück und wir wissen jetzt auch nicht genau, wo ist dann wirklich die Jahre lag und, ja, aber es hat überlebt und das ist positiv. Eine Lampe von Theodor Fischer war auch auf dem Speicher, hat man wieder reparieren lassen und wiederaufgebaut. Oder jetzt hier Entwürfe von Feuerstein für Kirchen, die für mich persönlich eine Schönheit haben, aber auch ein handwerkliches Geschick und künstlerisches Geschick zeigen, wie man das heute kaum noch findet in diesem Bereich. Dass das natürlich jetzt nicht für alles anwendbar sein muss, das ist völlig klar. Aber es ist ein Können, was damals noch irgendwo gelehrt und trainiert wurde, was wir zum Teil verloren haben, weil an den Akademien oder Schulen diese Dinge einfach auch nicht mehr so im Vordergrund stehen. Da hinten sehen Sie noch in der Bibliothek, das sind einige von den alten Auftragsbüchern, Entwurfsbüchern oder Dokumentationen von ausgeführten Arbeiten. Ein Teil von dem, was es wahrscheinlich mal gab, aber immer noch schön, das natürlich zu haben und auch nachschauen zu können, weil man immer wieder sagt, von der Kirche könnte doch das oder jenes sein. Und so können wir uns dann schon immer noch mal ein bisschen Informationen holen. So, dann gehen wir vielleicht runter und schauen wir noch ein bisschen ins Mosaik.
Mosaik ist eben Glasmosaik oder Steinmosaik. Wir sehen jetzt hier wie eine Art Setzkasten, in dem einzelne Steine eingeordnet sind, die wiederum mit einer Nummer versehen sind, die dann eine Kiste, die im Gang oder im Keller oder im Speicher mit Material dasteht. Wir haben ungefähr viereinhalbtausend Farben auf Lager vom Glassmalten, das ist der gebrochene Glaskuchen, wo man entweder das innere Gebrochene verwenden kann oder die Oberseite, die dann ein bisschen unterschiedliche Effekte geben. Dasselbe bei Naturstein, das kann geschliffener, gestockter oder gehackter sein. Aber das hängt natürlich immer davon ab, was will der Künstler, die Künstlerin einfach ausdrücken? Wie fein oder wie detailliert muss das sein? Oder Keramik, was wir auch im Haus machen, kann man alles kombinieren. Mittlerweile produzieren wir auch immer mehr Material selbst, gerade so im Glasbereich wo wir sagen, wir bekommen die Farben nicht von den wenigen Herstellern, die es weltweit noch gibt, und arbeiten dann einfach selbst an Strukturen, um Qualitäten zu erhalten. Und so kombiniert man dann einfach ja von Projekt zu Projekt. Die letzten Monate war hier dieses große Mosaik für Nick Cave für den Times Square gelegen, heute eingeweiht, und jetzt arbeiten wir gerade hier an einer Arbeit für Seattle für ein Fußballstadion, und in anderen Räumen für andere, für Toronto, für eine U-Bahn-Station, das ist dann im vierten Stock. Es geht jetzt munter weiter eben mit anderen Dingen.
Was wir jetzt hier sehen, Glasmosaik, Glaskuchen, die jetzt positiv auf ein Netz gesetzt werden. Also wir haben hier das Bild als Unterlage, dann ein Netz drüber, dann kommt Kleber, dann werden hier die Steine in dieses Mörtelbett eingesetzt und ergeben dann eben Schritt für Schritt das Bild. Die Mosaike werden dann zerteilt, das sehen Sie hier, so einen Plan, dass dann eben einzelne Elemente dabei rauskommen, die eine Größe vielleicht von 50 mal 30, 40 mal 60 oder so etwas haben, die dann auch wieder gut verpackbar und gut versendbar und gut montierbar sind.
Hier sehen wir jetzt dann das, was wir vorne als Setzkasten mit den einzelnen Steinen gesehen haben, das ist dann eben jetzt hier mal ein Korridor, wo man ein bisschen ein Materiallager hat, also in jeder Schachtel sind dann die Smalten drin oder hier gewisse Glaskuchen."
Das sind Hunderte Meter von Regalen hier, das muss man vielleicht kurz noch erwähnen…
"Ja das ist schon sehr, sehr viel Material. Aber andererseits, wissen Sie, wenn man die Reichheit des Materials nicht hat, es ist dann so schwierig, ein Künstler sagt ich möchte aber genau den Ton haben und meistens ist es dann immer der Zwischenton, den man gerade nicht hat. Also ein reiches Lager ist immer ein Geschenk für eine gute Ausführung."
Die kaufen Sie ja aber weltweit. Also es gibt noch... Oder sagen wir mal so: Das Mosaikwesen ist offenbar noch so lebendig, dass es Produzenten gibt.
"Es gibt leider ganz, ganz wenige Kleinstbetriebe. Das sind dann ein, zwei Personen, die die noch herstellen. Also es ist nicht einfach, die Materialien zu bekommen und also deswegen einfach auch ein Grund, wieso wir begonnen haben, auch gewisse Dinge selbst herzustellen, weil mit diesen ganzen Lieferketten, das ist einfach schwierig. Und wenn jetzt ein Zwei-Mann-Betrieb oder Drei-Mann-Betrieb einen Teil des Weltmarktes bedienen soll, das wird schwierig. Und man sieht auch bei diesen Familienbetrieben, da ist es noch nicht gesagt, dass es wirklich weitergeht. Also da sind, wenn man sich das so mit dem 50er, 60er-Jahren vergleicht: Da sind einfach viele, die gibt es nicht mehr."
Vielleicht könnten wir noch einmal kurz sagen, welchen Vorteil denn Mosaik- oder auch Glasarbeiten grundsätzlich im Freien, im Außenraum natürlich auch innen verbaut, welchen großen Vorteil das eigentlich bietet.
"Glas ist natürlich eines der stabilsten Materialien, die man findet, vor allem lichtecht, in der Glasmalerei wie im Mosaik. Es sind lichtechte Pigmente, die verwendet werden, also das heißt auch in 50 oder 100 oder 1000 Jahren sind diese Farben eigentlich immer noch lichtecht und nicht vergilbt. Alles, was heute angeboten wird, im Digitaldruck mit UV-Farben oder sonstigen Dingen, das sind alles Farben, die nicht stabil sind, nicht lichtstabil. Und aber auch wenn sie zum Beispiel laminiert werden, tendieren sie immer zum Delaminieren, also sind das jetzt Dinge, die eigentlich, wenn man etwas auf Dauer einsetzen will, nicht geeignet sind. Und da sind halt jetzt unsere Basismaterialien einfach schon das Nonplusultra, was man machen kann. Und sie haben natürlich auch durch dieses, dass sie handgemacht sind, eine Qualität, die man ganz, ganz selten findet. Ob das ein mundgeblasenes Glas ist, wo wir hauptsächlich mit Lamberts zusammenarbeiten in Waldsassen, das sind einfach Elemente, die eine Schönheit haben, die Sie durch nichts ersetzen können. Und das ist natürlich, umso mehr Leute auch wieder ein Bewusstsein dafür bekommen, desto eher gibt es natürlich auch ein Überleben für diese Kleinsparten. Ein großes Problem sicherlich, jetzt auch gerade in dieser ganzen Glasherstellung, ob jetzt Opakgläser oder Transparentgläser, also Mosaik oder Glasmalereien, dass die Vorschriften speziell jetzt hier in Europa einfach so eng geworden sind, dass viele Pigmente überhaupt nicht mehr eingesetzt werden dürfen. Dass zum Beispiel ein Grün oder ein Rot oder Blau nicht mehr produziert werden kann oder nicht in der Leuchtkraft produziert werden kann. Und da muss auch irgendwo eine Weichenstellung kommen, weil ganze Zweige werden absterben. Weil wenn ich jetzt zum Beispiel für eine Glasmalerei, ein sattes Rot oder ein schönes Grün suche, dies aber nicht mehr bekomme, stimmt natürlich dieser Ausdruck nicht mehr. Und im Endeffekt geht es bei den Dingen, die wir verarbeiten, immer nur um Kleinstmengen. Und ich finde, da muss man anfangen, dass man vielleicht auch zwischen Industrie und Handwerk wieder trennt, um gewisse Dinge nicht zu verunmöglichen. Ich denke, das ist im Keramikbereich dasselbe. Überall dort, wo Pigmente oder Glasuren eingesetzt werden, stehen wir alle vor diesem Problem. Und da ist sicherlich Politik und an erster Stelle Verbände gefragt, dass auch wieder zurechtzurücken. Weil damit geht einfach wirklich Tradition und sehr viel Wissen verloren.
Das ist jetzt die Floatglas-Abteilung, also Industrieglas. Wir haben hier 2000 nochmal einen Anbau an das Gebäude setzen dürfen. Also das ist das etwas modernere, wo Sie jetzt eben auch verschieden große Brennöfen sehen oder die Farbmühle oder da drin ist dann eine Spritzkammer, unten hat es dann noch Zuschnitt, Schleifen, Belichtung, Sandstrahlen, Ätzen, Siebdruck, das ist alles noch im Keller unten, und Digitaldruck. Das ist jetzt eine Spritzkammer, hier kann man die Farben applizieren, diese ganze Absaugung benötigt man, um eben auch diese schwermetallhaltigen Farben abzusaugen, die werden dann gefiltert und die Mitarbeiter, auch wenn sie sprühen, müssen natürlich mit Masken arbeiten. Man muss aufpassen, aber solche wunderbaren Farben bekommen man jetzt ohne Blei oder ohne ja, gewisse Kombination einfach gar nicht hin, das geht nicht."
Also beim Mosaik habe ich das Gefühl sind die Techniken noch recht traditionell, also man hat einfach das Glas und bricht es und bringt es in die richtige Form, legt es zusammen. Aber hier zum Beispiel mit dem Floatglas geht es total ab. Also viele moderne Techniken sind dazugekommen.
"Man muss jetzt sagen im Glas hat sich natürlich die letzten 20, 30 Jahre schon relativ viel getan. Techniken, die man vielleicht auch entwickelt hat, um dem Glas wieder eine gewisse, speziell dem Floatglas, also den großflächigeren Gläsern eine gewisse Seele einzuhauchen. Damals in den Neunzigern, Ende der Neunziger wurde die fototechnische Gravur entwickelt, Spritztechniken, Siebdruck, Digital, Airbrush-Verfahren im Allgemeinen. Aber natürlich sind es auch Techniken, die wir wiederum gut zum Beispiel für die Keramik oder für das Mosaik einsetzen können. Deswegen also Mosaik ist sicherlich eher die archaische Basis, aber wie ich dann weiterarbeite, welche Elemente ich zusätzlich nutzen kann, um dem Mosaik einen anderen Ausdruck zu geben, um Details anders ausarbeiten zu können, das sind natürlich Dinge, die… ja, diese Vermischung. Und das ist ja auch gerade das Schöne jetzt bei uns im Haus, dass wir einfach diese verschiedenen Handwerke im Haus praktizieren und so beeinflusst das eine das andere stark. Und damit kommen natürlich Dinge heraus, die man so vielleicht noch nicht gesehen hat. Ich kann mir auch vorstellen, dass das einfach für die Künstler schon auch reizvoll ist, diese Kombinationen durchleben zu können. Manchmal können da schon Dinge entstehen, die es in der Form nicht gab und die auch dann für den Künstler, Künstlerin einfach besonders sind. Und dafür stehen wir, glaube ich, auch schon, dass wir experimentierfreudig sind, dass wir einfach immer noch mal ein Schrittchen weitergeben wollen, um dem Handwerk irgendwo auch eine Zukunft zu geben.
Jetzt sind wir hier in der traditionellen Glasmalerei. Das was wir jetzt unten gesehen haben Glaszuschnitt, die zugeschnittenen Gläser werden dann appliziert auf eine Trägerscheibe. Wir haben hier immer diesen kleinen Steg dazwischen, hier kommt später das Blei rein, und die Gläser werden mit einer Bienenwachs-Mischung auf die Trägerscheibe fixiert. Und dann geht das in vielen Malschichten eben los und man gestaltet diese Gläser. Das ist eine kleine Kapelle in Fort Wayne in Amerika und, Sie sehen, sehr naturalistisch und sehr detailliert. Wichtig bei so etwas ist natürlich, dass man die Leute noch hat, die überhaupt so malen können. Und das ist einfach ja auch schwierig, die Leute auszubilden oder die Leute zu haben, die auch das Händchen dafür haben. Also das ist jetzt nicht nur ein Handwerk, was ich erlerne, sondern da ist schon ja einfach viel mehr dabei und dahinter. Und bei der Glasmalerei natürlich jetzt auch wichtig zu verstehen, was passiert bei Transparenz? Wir waren jetzt hier auf Leuchttischen, in gewissen Arbeitsschritten wird es dann vor die Fenster gesetzt, dass ich auch natürliches Licht bekomme, dass auch dieses Helldunkelspiel, transparent, transluzent, matt, einfach funktioniert und dann auch den richtigen Ausdruck bekommt. Wenn jetzt, sagen wir mal die Köpfe sind jetzt schon viermal im Feuer gewesen, also die werden abgewachst, werden gebrannt, werden dann wieder aufgewachst und man geht halt dann so Schritt für Schritt malt man weiter, bis man ein fertiges Fenster hat. Wenn wir dann hier oben sagen, das müsste jetzt passen wird es gebleit und dann begutachtet man es. Und wenn man dann sagt da sind jetzt gewisse Details, die einfach noch nicht passen, wird es nachgearbeitet. Und wenn es dann gut ist, Künstler zufrieden, Bauherrschaft zufrieden, dann verschickt man es und dann wird es montiert.
Hinter uns sehen Sie so ein bisschen so eine Art Schauwand, was für verschiedene Stile der Glasmalerei, Gotik, Renaissance - gab es dann eher noch Fragmente, Barock, Rokoko - ist ja eigentlich die Glasmalerei ziemlich ausgestorben, außer Wappenmalerei oder so Wappenscheiben war da relativ wenig. Und hier in München war es dann König Ludwig I., der die königlich-bayerische Glasmalerei-Anstalt gründete und eigentlich wieder von vorne beginnen musste, weil es gab weder Farbglas noch die wirklichen Schmelzen. Wir haben dann diese Tradition aufgenommen und eben unseren etwas anderen vielleicht wieder mehr gotik-lastigen Mayer-Stil entwickelt, das ist jetzt hier eine Cäcilia, wo sie ebenso diesen typischen 19. Jahrhundert-Mayer-Stil sehen. Da vorne vielleicht noch ganz kurz, das sind so alte Mustertafeln, wo man sieht, wie es beginnt. Also von der Skizze, Karton, dann die Schnittpausen, Schablonen für den Glaszuschnitt. Dann schneidet man die Gläser zu, immer mit dem Spalt, wo später das Blei reinkommt. Bei der Glasauswahl gibt es zwei Typen, das eine ist das Echt-Antik-Glas, das ist voll durchgefärbt oder das sogenannte Überfangglas. Überfang ist eine ganz dünne Schicht, die auf einer Trägerschicht aufliegt, man kann das zum Beispiel durch Ätzen freilegen und kann das dann wieder mit der Malerei anders setzen. Oder man kann Schattierungen wie Sie es hier drüben zum Beispiel an den Blättern gesehen habe, Schattierungen ätzen, um eine gewisse Weichheit zu bekommen. Dann geht es mit der Konturmalerei los, dem Schattieren, Radieren, Buntfarben, Schmelzfarben. Bis dahin, das ist einfach das fertige gebrannte und dann später gebleite Feld, wird gekittet, geputzt, mit dem Windeisen. Aber es sind einfach viele, viele Schritte, die auch ganz schnell sehr viele Stunden absorbieren, wenn man einfach auch eine gewisse Qualität herstellen will."
Ernst Gamperl, Drechsler, Steingaden
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"Mein Name ist Ernst Gamperl, ich bin in München geboren 1965, habe dann normale Schulausbildung gemacht, Fachabitur. Und bin dann relativ, so mit 18, 19, dann hier raus ins Allgäu oder Oberbayern gezogen, es war noch Oberbayern, Steingaden, war das sogar ganz am Anfang. Bin in eine Wohngemeinschaft gezogen, mit Kletterern und Motorsportlern zusammen. Und bin dann dort in Berührung kommen, also einer meiner Freunde war Zimmerer, bin dann das erste Mal mit Holz in Berührung gekommen, als ich da für ihn auf den Baustellen als Zimmerer da sozusagen einmal mitgearbeitet habe. Das war sozusagen der Anfang mit Holz zu arbeiten, und ich habe mich dann später entschieden eine Schreinerlehre zu machen dann in Trauchgau, das ist dann Ostallgäu. Und während der Schreinerlehre bin ich dann in Berührung eigentlich mit Drechseln gekommen und habe dann über ein Buch und über einen alten Drechsler, den wir besucht haben in seiner Werkstatt in Füssen, ist doch so eine Leidenschaft erwachsen. Und das Buch, also das war von Richard Raffan, das hat mich eigentlich dann noch mal so richtig zum Schalendrechseln gebracht. Da war so eine Leidenschaft entfacht und, ja, die ist bis jetzt eigentlich vorhanden."
Und was war denn der Kern von dieser Leidenschaft? Also was hat Ihnen so gut daran gefallen, am Material oder eben auch an dem Drechseln selbst?
"Also beim Drechseln gefällt mir einfach der Speed, das gefällt mir sehr gut. Die Geschwindigkeit, mit der man Material wegschneiden kann, das scharfe Werkzeug. Scharfes Werkzeug hat mich immer fasziniert und die Schnelligkeit und natürlich auch die extreme Konzentration, die man bei der Arbeit braucht. Das gefällt mir auch sehr gut, das liegt mir auch, das kommt mir sehr zugute. Ich habe früher sehr viel geklettert oder Motorsport gemacht und diese Art zu arbeiten, das kommt mir sehr nahe, das gefällt mir einfach."
Und welche Rolle spielt das Material Holz? Gibt es da auch so eine Verbundenheit zur Natur? Oder gibt es einen Nachhaltigkeitsgedanken?
"Nachhaltig ist ja sowieso alles, was ich hier mache eigentlich, da brauche ich gar nicht drüber nachdenken. Wenn ich zum Beispiel die Späne verwende zum Einheizen, zum Wärmen des Hauses und der Werkstatt oder zum Abmulchen im Garten. Wir haben auch noch einen großen Garten, wo wir Obst und Gemüse anbauen, also der Gedanke ist sowieso vorhanden, das ist bei uns selbstverständlich. Und was ich jetzt gemerkt habe, ich habe jetzt vor kurzem eine Performance gemacht in Winterthur, das war 2019 während meiner Ausstellung, dieser sogenannten Lebensbaum-Ausstellung, haben wir mit Nik Bärtsch eine Performance gemacht, und ich musste quasi genau in 40 Minuten ein Stück hauchdünn fertig gedreht haben und habe gemerkt, dass jedes Stück, wir haben drei Performances gemacht, jedes Stück hat andere Anforderungen gestellt. Ich konnte mir nie einen Plan machen, sondern ich musste eigentlich während der Performance immer komplett umdenken. Und erst da habe ich gemerkt, wie vielfältig eigentlich das Material Holz ist. Obwohl ich schon ein Leben lang mit Holz arbeite. Aber da kam es mir nicht so vor, aber wenn man dann so präzis in so einer Performance eingebaut ist. Und da merkt man erst einmal, wie lebendig und vielfältig das Material ist. In dem Fall war es Ahorn für die Performance und da war eben bei einer an Ast drin, der andere hat einen kleinen Haarriss gehabt, die dritte hat einen Graueinschluss gehabt. Also es war immer irgendetwas, wo nicht planbar war."
Können Sie einmal bitte beschreiben, was Sie eigentlich für Objekte machen und was auch das Besondere daran ist und auch, was das Moderne daran ist. Es sieht ja doch anders aus, als Drechslerarbeiten aus dem neunzehnten Jahrhundert.
"Begonnen habe ich klassisch mit Schalen und Dosen, also Gebrauchsgerät für Küche und Tischkultur. Und es war aber dann schon sehr tief angelegt, dass ich auch die Techniken des Drechselns ausreize. Also das hat mich auch immer sehr fasziniert. Das eine war das Ergebnis und das andere war aber auch der Prozess, der Werkprozess, der handwerkliche Prozess, der hat immer eine ganz große Rolle gespielt, und dann entstanden die ersten Arbeiten, die eben sehr hauchdünn gedreht waren. Und da ist es eben so, dass es eine stark handwerkliche Komponente hat. Also es muss sehr präzise gearbeitet werden, mit sehr scharfem Werkzeug und sehr genau, weil ich habe da die Arbeiten auf ich glaube eineinhalb Millimeter damals gedreht, und das erlaubt einfach keinerlei Fehler. Das ist eine Komponente und das andere ist die Natürlichkeit des Materials. Und beides wird bei mir sozusagen in Personalunion in eine Komposition gebracht. Bei den neueren Objekten ist es auch so, dass es sehr tiefe, tiefgreifende, große Gefäße sind, die dann in Relation zum Raum stehen, also damit wirklich Objekte werden. Die damaligen Gefäße waren oder Schalen waren da noch eine Größe, wo sie dann in Bezug auf den Tisch oder eben zur Hand waren, also in Bezug zum Menschen standen. Und das ist so diese Kombination eben aus Präzision und Handwerklichkeit und eben auch die Natürlichkeit des Materials, was jetzt erst einmal so meine Arbeiten grundsätzlich so speziell macht."
Und welche Rolle spielt denn die Geschichte des Drechselns? Die verschiedenen Traditionsstränge, die es da gibt, das bäuerliche Drechseln, das höfische Drechseln., damit haben Sie sich ja auch auseinandergesetzt. Wollen Sie davon weg? Oder soll man das noch mit erkennen? Worum geht es Ihnen da? Was wollen Sie ausdrücken mit Ihren Objekten?
"Das bäuerliche Drechseln hat mich immer vom Ergebnis her viel mehr fasziniert wie das höfische. Wobei das höfische natürlich von der Technik faszinierend ist. Also mich hat aber das höfische Drechseln, dieses hochpräzise, technische, das hat mich nur insofern interessiert, als ich meine, die natürlichen Ergebnisse, die ich quasi als Bild vor mir hatte, machen kann, ohne dass man aber den technischen Prozess unbedingt spürt. Das heißt die Technik interessierte mich, ich weiß, wie es geht, habe es zum Teil auch ausprobiert, aber nur, um es so einzusetzen, um die Natürlichkeit sozusagen, also zum Beispiel jetzt bei den hauchdünnen Arbeiten spürst du durch diese Transluzenz, spürst du jede Phase des Holzes, die Leichtigkeit spürst du und dann eben auch den geschwungenen Rand. Durch das kommt für mich eben nicht diese Technik im Vordergrund, sondern die Natürlichkeit des Materials. Und das ist für mich immer ganz wichtig gewesen, dass eigentlich diese natürliche Ausstrahlung des Materials mehr im Vordergrund steht wie die Technik. Die wandert in den Hintergrund, ist aber vorhanden."
Und beim höfischen Drechseln ist es genau andersrum, da protzt man so ein bisschen mit den technischen Möglichkeiten…
"Da vergewaltigt man das Material, um eine Technik in den Vordergrund zu rücken."
… und oft ist es da ja auch Elfenbein, muss man auch noch sagen.
"Also ich sage jetzt vergewaltigen, natürlich haben die das damals überhaupt nicht so gesehen. Aber für mich ist es natürlich, wenn ich dann so Elfenbeintürmchen und so drechsle, kommt ja vom Material Elfenbein eigentlich nicht mehr so viel, also für mich persönlich, nicht mehr so viel rüber. Ich will ja da vielleicht mehr Fläche sehen oder eine Struktur oder wie es jetzt bei Mammutelfenbein ist, mal so diese kleinen Haarrisse, die dann das Material wieder schön betonen, wie zum Beispiel beim Messergriffen, wo man das dann wieder hervorragend rausholt, aber eben nicht bei so Elfenbeintürmchen, da ging es wirklich ganz klar um die Technik. Ich kann das auch nachvollziehen, weil in der Zeit ist eben dieses Drechseln als erste maschinelle Bearbeitung sozusagen erschienen und war dann am Hof überall quasi vorhanden. Und die Drechsler waren damals wie heute Fußballer, höchstbezahlte Profis, die von Hof zu Hof zum Teil ihre Techniken weitergaben. Es war eine andere Zeit, eine andere Herangehensweise. Aber wie gesagt, heute interessiert mich ganz klar die Natur, die im Holz steckt, die man eben mit der Technik des Drechselns auch hervorragend zur Geltung bringen kann.
"Ich war früher gern in der Glentleiten, und was mich da immer fasziniert hat, waren erstens die Materialien, die schon abgetragen waren, also diese Oberflächen, die schon abgenutzt waren, das hat mich immer fasziniert. Da gibt es bei den Japanern diese Fachausdrücke, die ja bald inzwischen jeder kennt mit Wabi-Sabi, also diese abgenutzten Gegenstände, das hatten wir im Prinzip in unserer Kultur natürlich ganz genauso. Wir haben bloß keine Fachausdrücke dafür verwendet oder keine Philosophie drüber aufgebaut. Und was dann aber auch noch schön war, zum Beispiel bei den Milchschalen oder Salatschalen, die sie ja früher hatten in Holz, die hat man im Prinzip aus dem frischen Holz im Winter geschlagen, aus frischem Holz hat man da die Schalen gemacht. Und die haben sich eben dann auch schon verzogen. Das war in der höfischen Drechslerei natürlich verpönt, so ein Holzverzug. Oder generell war das eigentlich verpönt und wurde eben genau vermieden. Und in der bäuerlichen Drechslerei war es eben einfach da und wurde weder als vielleicht ästhetisch angesehen noch irgendwie, das war halt einfach so. Und ich fand aber diese Ästhetik, dass eben so ein leichter Schwung am Rand oder so eine leichte Imperfektion mich eigentlich immer angesprochen hat und auch fasziniert hat und auch inspiriert hat, eben so einen Weg weiterzugehen."
Und das kommt aber eben aus dem bäuerlich-bayrischen Kulturkreis und jetzt nicht vom japanischen angeregt…
"Ich war immer schon vom bäuerlich-bayrischen Kulturkreis beeinflusst. Ich habe im Prinzip auch, als ich die Schreinerlehre gemacht habe, während der Schreinerlehre mit einem Freund zusammen alte bayerische Dreifuß-Stühle restauriert und auch neu gemacht. Also aber im alten Stil, aber dem wirklich alten Stil. Also nicht diese Jodel-Gamsbart-Depperl-Schau, wie ich immer sage, die man heute hat, wo man so Protziges in den Vordergrund stellt, sondern eben dieses ganz feingliedrige, feine, bayrische, was im Prinzip auch die bayrische originale Volksmusik transportiert. Das ist das, was mich in der bäuerlichen Kunst fasziniert hat."
Sehen Sie sich eher als Künstler oder als Handwerker?
"Es ist beides. Der Handwerker steckt durch und durch ihn mir natürlich, wenn ich meinen Tagesablauf anschaue. Ich habe nie irgendwelche schönen Klamotten, ich bin immer in den Spänen, habe immer Späne in der Unterhose. Und es ist immer irgendwie mit Machen und Tun in Verbindung. Natürlich geht jeder Arbeit ein Gedankenprozess voraus, das geht gar nicht anders. Du musst ja vorher das ganze Objekt im Kopf durchdenken und durcharbeiten. Natürlich entstehen dann während dem Verarbeitungsprozess Überraschungen, auf die ich dann aber auch wieder reagieren muss, zum Beispiel einen Ast, der auftaucht, der sehr spannend ist oder ein Einwuchs, der sehr spannend ist oder eine schöne Maserung, die auftaucht. Die muss ich natürlich in irgendeiner Form dann zur Geltung bringen, muss mein Konzept umändern, muss aber dann quasi, wenn ich das Konzept geändert habe, wieder einen kompletten Arbeitsplan im Kopf haben. Das heißt, ich muss genau wissen, wie das Umspannen ausschaut, wie ich sie neu zentriert bekomme nach dem Umspannen, welche Wandstärken, welche Textur. Oft probiere ich natürlich dann auch am Objekt, wenn noch ein bisschen mehr Fleisch vorhanden ist, wie die Textur dann aussieht, ob sie wirkt oder nicht. Aber ich muss letztendlich genau wissen, was ich mache. Und das ist eben dieser künstlerische, kreative Prozess, der im Vorfeld stattfindet und der immer stattfindet, bei jedem Gestalter."
Jetzt muss man noch dazu sagen, die Textur: also es geht eben nicht nur um die Form des Gefäßes, das eigentliche Drechseln, sondern die Gefäße oder Objekte werden dann nochmal bearbeitet.
"Ja, das ist eben genau dieser Oberflächenbearbeitungsprozess, das geht dann auch noch einher inzwischen mit Mineralien, die ich dann aufpudere, die dann mit der Gerbsäure zum Beispiel der Eiche in Reaktion gehen. Oder bei Ahorn, dass ich da mit Wasserstoffperoxid zum Beispiel bleiche, so dass der Ahorn wirklich schneeweiß rauskommt. Oder aber auch, dass ich bestimmte Hölzer länger liegen lasse, dass Pilze die Hölzer sozusagen befallen. Meist geschieht das ohnehin von selber, weil ich dann bei einem Ahorn nicht alles auf einmal im Winter wegarbeiten kann und einiges über den Sommer liegen bleibt und dann automatisch Pilzbefall entsteht, der dann wiederum auch eingesetzt wird in der Gestaltung später dann. Wenn ich zum Beispiel sage nach zwei, drei Jahren ist dann der Pilzbefall, so, dass er mir gefällt und schön ausschaut, wird auch das mit in die Gestaltung mit einbezogen. Es ist im Prinzip ein sehr vielfältiger Prozess und immer auch mit der Beobachtung des Materials verbunden, sowohl der Maserung als auch, sagen wir mal, das Wissen um das Material. Jetzt kommen wir eben zu dem Punkt des frischen Holzes, des Gründrechselns, auch das Wissen um das Material, was es macht, wenn es beim Trocknen eben schwindet. Und dieser Schwundprozess wird ja bei mir auch in die Gestaltung mit einbezogen."
Also es ist auch ganz viel Forschungsarbeit eigentlich mit drin.
"Erfahrung, Forschungsarbeit, ja, ist schon mit dabei, ja."
Drechseln ist ja ein sehr altes Handwerk, das eigentliche Drechseln, also das Drehen um eine Achse herum und Material ausschaben, wegnehmen, wegschneiden, das ist ja heute wie damals. Aber könnte man sagen, das Moderne an Ihren Arbeiten ist eben, dass das, was man damit ausdrücken will, was ganz Neues ist?
"Also bei mir war es schon, ich kann jetzt nur von mir selber reden, bei mir war es irgendwann der Punkt, wo ich über die Art der Gestaltung und eben auch mit ganz einfachen Hölzern, also sprich Hölzer, die man eigentlich schon fast im Brennholz findet, oder Hölzer, wo andere verschmähen, weil zu viele Äste und so drin sind, gearbeitet habe. Das war eigentlich meine Herausforderung, dass ich da trotzdem noch eine Schönheit und eine Ästhetik rausziehe aus diesen Materialien. Man muss ja auch dazu wissen, als ich begonnen habe, das war so vor 30 Jahren, Frankfurter Messe, damals war eigentlich sehr beliebt, dass man Edelhölzer verwendete. Die sehr farbig waren, sehr farbige Hölzer, Maserhölzer. Und das ging damals sehr leicht zu verkaufen, und mir waren das zu einfach. Ich wollte eigentlich über die Gestaltung und über die Art oder über die Persönlichkeit und die Eigenart meiner Arbeit wollte ich eigentlich die Besonderheit von, sagen wir mal, nicht besonderen Hölzern hervorheben, und das hat mich zu dem gebracht, wo ich jetzt eben stehe, eben sehr eigenwillige Techniken, die sich da entwickelt haben, aus dieser Grundhaltung raus."
Also steckt ein Stück Persönlichkeit von Ihnen auch in jedem einzelnen Stück?
"Ja natürlich, klar. Im Prinzip war es immer so, diese Schlichtheit auf der einen Seite, dieses Einfache im Denken, das kommt über die Gestaltung zum Ausdruck. Es ist nicht verkopft oder verkünstelt, denke ich mir, wenn ich mir meine Arbeit anschaue. Sondern es kommt sehr viel Natürliches raus. Sie wirken auch nicht kompliziert. Sie sind zwar oft in der Herstellung sehr kompliziert, wirken aber im Ausdruck dann nicht kompliziert. Also komplizierte Techniken versuche ich zu vermeiden."
Aber es ist sehr viel Körpereinsatz mit drin.
"Körpereinsatz, sehr viel Techniken natürlich auch, Wissen, vorausschauendes Arbeiten. Vorausschauend bedeutet, rechtzeitig zu wissen, was passieren könnte, damit es eben nicht passiert. Das man es abwendet. Eben auch wenn man sehr dünn arbeitet, dass man zum Beispiel sehr genau hört, ob andere Geräusche sind oder so, dass man sofort reagieren kann, und zum Beispiel ein Objekt, das sehr dünn ist, dann mit Klebeband oder Zellophan verstärkt, damit es eben durch die Rotation dann sich nicht selber zerlegt. Solche Dinge halt, das kommt dann auch noch mit in den ganzen Gestaltungsprozess mit rein."
Also es ist jedenfalls kein Zuckerschlecken so ein Objekt, was am Ende, ich weiß nicht 1,60 oder wie hoch sind die …
"Bis 1,60 Meter ausgehöhlt, ja, 5, 6 Millimeter dünn…"
...das macht man nicht mit dem linken kleinen Finger.
"Nein. Das ist ein langwieriger Prozess. Das sind sehr viele Versuche, Misserfolge, die dann so weit geführt haben, bis ich dann überhaupt zu diesem Ergebnis komme. Also es steckt sehr viel Vorarbeit drin."
Und auch das Werkzeug muss man erst einmal erfinden, mit dem man überhaupt in diese Tiefe hineinkommt.
"Ja, da kommt mir wieder meine Sportlerzeit, wo ich als Motorsportler aktiv war, als Trial-Sportler, wo ich mir sehr viel angeeignet habe, mit Metall zu arbeiten, also Motorrad-Tuning und Metallarbeit und biegen, Metalle biegen, Schweißen und so weiter. Das habe ich mir da angeeignet und das kommt mir jetzt eigentlich wieder zugute, wenn ich mir die Werkzeuge eben selber baue oder auch bauen lasse, aber dann weiß ich genau, wie ich es haben will, wenn ich es selber in meiner kleinen Metallecke nicht machen kann. Die Metallecke ist ja bei uns sehr klein in der Werkstatt."
Insgesamt muss man sagen ist die Werkstatt aber sehr groß...
"Die ist groß, aber wie gesagt, der Metallbereich ist eben nur sehr bescheiden und beschaulich."
Empfinden Sie sich trotzdem, also trotz aller Neuerungen, als eine Art Kulturträger auch, weil Sie eben das doch alte Handwerk des Drechselns weiterführen?
"Ich denke schon, ja. Also ich habe so weit noch nie gedacht, aber es interessieren sich viele Menschen für meine Arbeit. Es kommen aus aller Welt auch junge Leute, die jetzt auch zum Beispiel Doktorarbeiten über mich gemacht haben oder Uni… nennt an das Doktorarbeit überhaupt, also Abschlussarbeiten oder Magisterarbeit. Also einer war im Royal College of Art, der kam zu mir, ein Japaner. Dann hat ein Italiener über mich eine Arbeit gemacht in Bologna und ich sehe, dass einfach sehr viele junge Leute sich für die Techniken und für die Art, wie es gemacht ist, interessieren. Weil sie es eben scheinbar auch nicht an den Unis gelehrt bekommen. Oder weil man eigentlich gar nicht weiß, wo man sowas wirklich noch erfahren kann, diese Techniken. Also ich merke das schon sehr, dass viele junge Leute bei mir anfragen, auch ob sie Praktika machen könnten. Das muss ich aber meistens ablehnen, weil wir eben mit Steve, meinem Mitarbeiter, ein sehr eingespieltes Team sind. Und dann kommt natürlich auch noch die Sicherheit dazu. Ich kann nicht gewährleisten, dass sich der dann vielleicht verletzt bei der Arbeit und so. Das ist eben immer so ein Punkt, wo ich eben meistens ablehnen muss, wenn dann junge Leute anfragen. Leider eigentlich muss ich sagen."
Ich wollte gerade sagen, es gibt ja vielleicht auch noch andere Möglichkeiten, eben dieses Wissen auch in die nächste Generation zu überführen. Was machen Sie denn da noch oder haben Sie gemacht?
"Da habe ich mir bis jetzt noch keine Gedanken drüber gemacht. Ich habe natürlich Workshops gegeben, aber da verrate ich natürlich nicht alle meine Tricks. Steve weiß alle meine Tricks, mein Mitarbeiter, also, wenn ich mal nicht mehr bin, dann wüsste der es und meine Kinder wissen auch ziemlich viel, obwohl sie nicht mitarbeiten. So weit habe ich jetzt noch nicht gedacht."
Aufgeschrieben ist nichts, archiviert?
"Nein, gar nichts. Also, ich bin auch keiner, der Rezepte aufschreibt, weil ich eben genau diese, also ich brauche immer wieder diese Neuerfindung. Von allem, was ich eigentlich im Hinterkopf habe, will ich trotzdem wieder neu erfinden, weil auch mit dem Neuerfinden, vielleicht auch in der Rezeptur mal eine kleine Änderung, wieder was anderes, was Neues entsteht und das meine Arbeit eigentlich spannend hält. Es geht eigentlich immer darum, auszuprobieren. Ich hab zwar schon gewisse Grundrezepte im Kopf, aber ich mische meistens auch immer frei Schnauze und schaue dann das Ergebnis an und freue mich dann, wenn wieder was Schöneres rauskommt und ärgere mich wenn es dann vielleicht nicht so gut wird, wie es schon mal war. Und bleib dann halt so lang dran, bis ich zufrieden bin damit, mit den Oberflächen zum Beispiel. Und bei den Techniken ist es so, das ist so tief in mir drin, die Arbeitstechniken, das ist ja Handfertigkeit, das kann man sowieso nicht jemanden so ohne weiteres beibringen, sondern das muss man einfach lange machen. Und das ist wie beim Musizieren. Da muss man einfach dranbleiben und einfach üben und in Übung bleiben eigentlich letztendlich. Das ist das Entscheidende."
Drechseln spielt ja im Alltag tatsächlich gar nicht so eine große Rolle heute. Wie einfach oder schwierig war es denn, oder ist es, von dem Beruf zu leben? Und wie sehen Sie die Zukunft dieser Handwerkstechnik?
"Also die Zukunft liegt sehr klar auch im Hobby- und Privatbereich. Da gibt's wahnsinnig viel Zuwachs, sehr, sehr viele Menschen, die Drechseln als Hobby betreiben. Also, dass dieses Handwerk ausstirbt, da habe ich keinerlei Bedenken. Es wird weitergetragen von im positiven Sinne Dilettanten, weil dilettare heißt ja aus Freude etwas tun. Und diese Dilettanten tragen dieses Handwerk in Freude und Liebe und Leidenschaft weiter. Die müssen jetzt aber nicht unbedingt Geld verdienen damit, aber sie tragen die Techniken weiter. Und wie gesagt, der Hobbymarkt boomt sondersgleichen, und das denke ich hängt auch mit der Unzufriedenheit zusammen, die unsere digitale Welt einher bringt. Und ich habe da auch mit Toshiyuki Kita, als wir bei der Jurysitzung waren für den Loewe-Preis, habe ich mit ihm lange die Diskussion gehabt und war mit ihm einig, dass eigentlich dieses Handwerk, diese handwerkliche Ebene, diese menschliche Ebene, die das Handwerk bedient, ganz, ganz wichtig ist in einer Zeit, die jetzt durch und durch digitalisiert wird. Weil beim Digitalen hast du nicht das direkte Feedback mit dem Material, da bleibst du eben im virtuellen Raum hängen. Und ich merke immer mehr, dass ganz viele auch kranke Leute dann kommen zu mir, also wirklich krank, die sagen, sie halten die Arbeit nicht mehr aus, und sie würden gern ein Handwerk erlernen. Auch solche Leute kommen zu mir oder fragen bei mir an, weil sie diese digitale, unmenschliche Welt nicht aushalten können. Also das merkt man, das merkt man. Und das wird sicherlich dann ganz stark auf alternativer Ebene sich ausbilden. Ob die dann von der Handwerkskammer getragen wird oder ob die von einfach privat gemacht wird, jemand stellt sich ein kleines Drechselbänkchen rein und macht aus Freude im Hobbybereich vor sich hin, das kann ich nicht sagen, wo dann der Schwerpunkt liegen wird. Aber dass es weitergeht, das ist klar."
Und wie gut oder wie einfach oder schwierig war es denn für Sie, von dem Beruf zu leben? Weil es ist Ihr Beruf, Sie leben davon und Sie müssen auch tatsächlich hohe Ausgaben tragen bei den großen Maschinen und der Werkhalle.
"Also inzwischen habe ich natürlich eine große Werkstatt, sehr viele Ausgaben. Es trägt sich auch. Als ich begonnen habe, habe ich eine ganz kleine Werkstatt gehabt, mit ich glaube vier Meter Länge und drei oder 3,50 Meter Breite und da war genau Platz für eine Drechselbank und eine Bandsäge und eine Werkbank. Und so habe ich begonnen. Und ich habe damals schon über die Frankfurter Messe ganz gut verkauft und konnte leben, habe meinen Lebensstandard natürlich entsprechend angepasst und mit den Verkäufen und mit den Umsätzen ist natürlich auch mein Lebensstandard mitgewachsen und natürlich nicht der Lebensstandard, der ist immer gleichgebliebene, wir leben sehr einfach und naturbezogen und naturnah. Und das hat sich auch nie verändert. Aber was sich halt verändert ist die Größe der Werkstatt und einfach die Hilfsmittel, die mir inzwischen auch meine körperlichen Gebrechen ein bisschen ausgleichen, sprich Hebewerkzeug und so, was man früher noch von Hand geschleppt hat, schleppt man halt dann oder lässt man halt dann mit dem Gabelstapler oder fährt man mit dem Gabelstapler dann von einer Drehbank zur anderen. Und so hat sich das halt verändert. Das wächst halt dann auch, also, ich meine ich bin jetzt inzwischen knapp 60, also von dem her, ist das schon ein langer Weg, den ich hinter mir habe."
Jetzt sind die Stücke ja monatelang in der Bearbeitung und es liegt sehr viel Herzblut drin. Wie groß ist denn die Verbundenheit mit dem einzelnen Stück? Fällt es auch schwer, die wegzugeben?
"Also wenn sie ganz frisch, neu in meiner Werkstatt sind und dann passiert es ja doch leicht mal oder oft, dass sie dann gleich verschickt werden und auf Ausstellungen gehen, das fällt mir schon schwer. Ich freue mich dann oft einmal, wenn sie dann zum Beispiel nicht verkauft werden und dann wieder zurückkommen, was zwar dann meist nicht der Fall ist, aber doch ab und zu vorkommt. Also mir ist es immer lieber, ich habe sie dann eine Weile um mich. Das können zwei Monate sein, drei Monate, vielleicht ein halbes Jahr, ein Jahr. Irgendwann ist der Punkt, wo ich dann sage, ich kann es dann weggeben und habe dann auch kein Problem, wenn es verkauft wird. Aber wenn sie dann gleich weggehen, da habe ich schon immer Probleme."
Das ist ja auch so etwas Typisches aus dem Handwerk, dass die Verbundenheit mit dem Werkstück sehr groß ist.
"Ja, das ist so. Wenn man jetzt zum Beispiel, so wie ich, handwerklich künstlerisch arbeitet, spürt man das auch bei anderen Objekten. Dass da die Persönlichkeit des Machers, des Künstlers, des Handwerkers drinsteckt. Manche Leute spüren das vielleicht nicht. Wobei, ich glaube jeder spürt das, er merkt es bloß nicht, du merkst es auch, eine Arbeit, wo man sehr verbunden ist, also wo man sehr viel Liebe hineingesteckt hat und auch merkt, dass es sehr gut gegangen ist, weil der Werkprozess auch toll war und das Objekt dann am Schluss perfekt dasteht, das sind immer die Ersten, die weggehen. Also von dem her wird da was transportiert und die Menschen spüren das auch. Das ist vielleicht nicht erklärbar, aber es ist eine Kraft, die da transportiert wird oder Energie oder was auch immer."
Wunderbar. Wollen wir einfach noch mal durch die Werkstatt schauen?
"Ja, klar. Also hier habe ich jetzt einen großen Buchenstamm…"
… also der ist jetzt schon aufgedornt auf der Drechselbank.
"Der ist jetzt schon auf der großen Vortriebbank, also mit der ich jetzt quasi die Baumstämme sozusagen in Form bringe. Die werden bei mir am Holzlager eben, da hole ich mir dann die Baumstämme rauf mit einem Radlader oder einem großen Gabelstapler und schneide eben dann entsprechend die Form aus dem Baumstamm raus, die ich sozusagen jetzt mir vorgenommen habe. Jetzt in dem Fall ist es ein Stammstück von einer Rotbuche mit einem sehr großen starken Ast. Und dieser Ast, der wird jetzt von mir gesucht, sodass er dann am Rand, also an der Lippe von dem Objekt zur Geltung kommt. Das heißt, es kann jetzt sein, dass ich von vorne noch 15, 20 Zentimeter wegschneiden muss, bis ich dann den Ast, den sieht man jetzt zwar hier schön bei einem Durchmesser von ungefähr 40 Zentimeter, aber die Lippe wird bei ungefähr 15 Zentimeter sein, das heißt ich muss mir jetzt den Ast suchen, sodass der dann auch schön auf der Lippe zur Geltung kommt. Weil auf der Lippe ist es dann immer so, da an der Öffnung des Gefäßes ist es so, dass, wenn da dann ein Ast vorhanden ist, dann schrumpft der beim Trocknen wunderschön und dann hat meistens die Lippe einen schönen Schwung. Das ist immer so ein Ziel von mir, dass ich eben die Äste dann da hinlege, wo man es eben braucht. Naja, und dann wird, wenn die Lippe sozusagen, wenn ich den Ast gefunden habe, wird dann die Form von mir entwickelt. Ich schaffe mir also immer diesen Rahmen, ich muss erst die Lippe und dann den Sockel unten, wo dann das Futter, also wo sie dann umgeflanscht wird, das wird geschnitten. Und dann habe ich sozusagen einen Rahmen, innerhalb dessen ich mir dann die Form entwickeln kann."
Also man kann sagen, das Holz arbeitet selbst eben auch noch mit, weil es beim Trocknen schrumpft.
"Also jetzt ist natürlich der Baumstamm noch massiv, da arbeitet noch gar nichts. Aber ich muss natürlich das vorausdenken was passiert, wenn es dann ein Hohlkörper ist und dann eben als Gefäß sich verziehen soll. Ich nenne das immer der zweite Blick. Das heißt, ich habe immer schon im Hinterkopf, wie es dann eigentlich aussieht, wenn es dann fertig ausgedünnt und trocken ist. Das muss ich schon immer vorausplanen. Macht natürlich bei großen Stücken, als ich die großen Arbeiten gemacht habe, wo man dann auch mehrere Wochen aushöhlt dann, macht natürlich im Vorfeld eine Fehlentscheidung, kann gravierende Folgen haben, dass man zum Beispiel zwei, drei Wochen komplett umsonst arbeitet, weil das Stück sich dann total hässlich verzieht. Wenn ich da eine Fehlentscheidung treffe. Es braucht wahnsinnig viel Erfahrung eigentlich, wenn man mal in der Dimension und dem Bereich vorgedrungen ist, wo ich mich jetzt bewege."
Wie ist es denn technisch überhaupt möglich, so tief von innen etwas auszuschaben?
"Also, da habe ich mir eine spezielle Bohrvorrichtung gebaut. Das ist natürlich ein bisschen mein Betriebsgeheimnis, nenne wir es mal so. Es ist trotzdem immer noch sehr, sehr viel Handarbeit dabei, weil ich natürlich immer noch mit einem Werkzeug, wenn jetzt zum Beispiel sehr stark kurvige, bauchige Formen sind von innen her mit einem gekröpften langen Werkzeug von Hand nachdrehen muss und habe dann immer noch die Arbeit von außen sozusagen die Textur anzudrehen. Das heißt, da wird jede Rille dann eingestochen, wenn es dann einmal fertig ist als Hohlkörper. Das heißt, das ist insgesamt ja schon ein sehr langwieriger Prozess, bis dann so ein Stück eigentlich fertig ist."
Und nach den Rillen geht es ja noch weiter, da kommt es dann in die Oberflächenbearbeitung wie wir schon gesagt haben.
"Ja, also die Rillen sind schon Teil der Oberflächenbearbeitung. Es wird dann noch gebürstet, so dass es eine Wechselwirkung gibt aus Werkspur, also den eingestochenen Rillen, und der natürlichen Holzmaserung, das meiner Meinung nach ein sehr schönes Holzbild gibt. Also hier habe ich noch Kaltbecken, da ist Sumpfkalk drin. Das wird dann aufgemischt mit so einem Mixer, dann reagiert zum Beispiel Eichenholz reagiert dann zu dunkelbraun, wenn man es in Kalk gibt, also der basische Kalk reagiert mit der Gerbsäure der Eiche. Und in dem anderen Becken habe ich noch Eisenoxid, also wir nennen das immer Schwarzwasser, das ist natürlich kein Fachausdruck, aber werkstattintern. In Essig wird Stahlwolle aufgelöst, bis dauert mehrere Wochen, und dieser Sud wird dann noch mit Wasser verdünnt und geht dann in dem Fall in ein Tausend-Liter-Becken und da kann ich dann Objekte einlegen, die werden dann auch wirklich schwarz dann kommen die raus. Und so kann ich dann quasi immer mit der Gerbsäure kann ich dann spielen und kann sozusagen die Gerbsäure anregen, unterschiedliche Farben anzunehmen."
Aber es ist wieder das Material Holz, das ein bisschen mitmacht...
"… das reagiert. Das ist also keine Beize, keine schwarze Beize oder braune Beize, die aufs Holz aufgetragen wird, sondern das ist eine Reaktion mit den Inhaltsstoffen des Holzes."
Also im Prinzip arbeiten Sie heraus, was schon da ist. Also aus dem Material holen Sie heraus, was man so alles machen kann.
"Was drinsteckt. Also ich habe zum Beispiel mal eine Eiche gehabt, die hatte so einen morschen Ring, wo also schon sehr viel Gerbsäure sozusagen nicht mehr vorhanden war. Und das wird dann auch, wenn man es in Kalk- oder in Schwarzwasser legt, bleibt das dann hell. Also ich kann eigentlich über die Methoden, die Inhaltsstoffe des Holzes anregen, um das geht es letztendlich. Was ich natürlich auch noch zwischendurch mache ist, dass ich dann, wenn so Risse sind, die ziehe ich dann mit einer Flamme nach. Also arbeitet ein bisschen mit Feuer, sehr vorsichtig, wenn man so Risse akzentuiert und manchmal eben auch mit Sandstrahlen, aber nur selektiv. Wenn man so kleine Risse oder Holzrisse ein bisschen weicher nachziehen will, dann kann ich mit solchen Methoden auch noch arbeiten. Das wäre es hier zum Beispiel. Das ist jetzt ein Objekt, das ist jetzt ausgetrocknet. Und man sieht hier da im Kernbereich, dass da ein Riss natürlich vorhanden ist, und der ist jetzt noch sehr ausgezackt und ausgefranst. Und so was würde ich dann eben weicher dann noch nacharbeiten, entweder mit einer Feile oder einer kleinen Raspel oder Schleifpapier oder eben dann später auch noch vielleicht mit dem Sandstrahler, ganz selektiv, nur den Riss nacharbeitend."
Und scharfes Werkzeug hatten Sie vorhin erwähnt, ist besonders wichtig. Wie viel Zeit verbringen Sie mit Schärfen?
"Ja gut, Sie sehen hier, wir haben eins, zwei, drei, vier fünf, Schleifböcke, die dazu da sind, das Werkzeug scharf zu machen. Je nach Art und des Werkzeugs habe ich dann unterschiedliche Vorrichtungen zum Nachschärfen. Das ist zum Beispiel für flache Eisen, da kann ich die dann einspannen in so eine Halterung. Das ist da eine Lederscheibe, wo ich dann eben die schon geschärften Schneiden blankziehe und den Grat, den Graden abziehen kann, da gibt man dann ein bisschen Polierpaste drauf und dann zieht das Leder ganz fein die Schneide ab. Dann habe ich da Wassersteine. Wasserstein sind eben auch ganz gut, dass die Schneide nicht so ausglüht. Wenn man zum Beispiel Carbonstahl oder so verwendet, ist das ganz gut mit Wassersteinen zu schleifen und dann natürlich unterschiedliche Feinheitsgrade, dann auch noch, die dann entsprechend des Bedarfs entweder ganz scharfe feine Schneiden machen oder eben weniger scharfe aber dafür länger anhaltende Schneiden schafft. Also bei HSS-Stahl ist es zum Beispiel, also Hochleistungs- Schnellschnitt-Stahl, der beim Drechseln sehr viel verwendet wird, ist es so, dass man, da zeihe ich zum Beispiel den Grat gar nicht ab, weil der Span sozusagen, wenn er am Werkzeug vorbeifließt, sowieso den Grat mitnimmt. Also das wäre eigentlich Zeitverschwendung, wenn man dann da noch an der Lederscheibe den Grat abzieht, das ist dann mehr für Handwerkszeug, dass man dann für die feine Nachbearbeitung noch verwendet."
Also es spielt auf jeden Fall eine ganz große Rolle, dass das Werkzeug wirklich das macht, was es machen soll.
"Ja. Ich habe als ich meine Schreinerlehre damals noch gemacht habe, da habe ich noch gar nicht ans Drechseln gedacht, da habe ich schon sehr so viel Mühe und Zeit aufgewendet mit einem Schleifen, weil ich gemerkt habe ich kann es nicht. Meine Werkzeuge werden nicht scharf, habe also da in der Zeit als Jugendlicher schon wirklich viele, viele Stundenwochen verbracht, eine ordentliche Schneide zu kreieren. Und diese Basis, die ich mir damals aufgebaut habe, die ich habe dann auch wunderbar wieder ins Drechseln überleiten oder verwenden können, indem ich dann einfach die Techniken, die Basis der Techniken hatte. Und das konnte dann in allen Bereichen wieder anwenden, also scharfes Werkzeug ist ganz wichtig. Das macht auch keinen Spaß, mit stumpfem Werkzeug zu arbeiten."
Juliane Schölß, Silberschmiedin, Nürnberg
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"Mein Name ist Juliane Schölß, ich bin Silberschmieden und habe ein Atelier in Nürnberg, in dem ich arbeite."
Was für Objekte fertigen Sie denn hauptsächlich?
"Ich fertige Gefäß und Gerät an hauptsächlich und da unterscheide ich nochmal, dass ich einmal für die Kirche liturgische Gefäße herstelle und entwerfe und für mich dann freie Arbeiten, die einfach im Gefäß- und Gerätbereich sich befinden."
Wie sind Sie denn zum Silberschmieden gekommen? Also warum haben Sie sich gerade für diesen Beruf entschieden?
"Das ist eine lange Geschichte. Eigentlich bin ich über meine Tante zum Silberschmieden gekommen, die in Neugablonz ihre Zahnarztpraxis hat. Ich war dann beim Tag der offenen Tür in der Berufsfachschule für Glas und Schmuck in Neugablonz und habe mir das angeschaut und war von den Werkstätten begeistert und auch von der Atmosphäre. Und mir haben auch die Gefäße, die ausgestellt waren, die Silberobjekte total gut gefallen. Diese Strenge der Form und wie die da so standen und künstlerisch arbeiten hat mich auch immer schon interessiert aus familiärem Hintergrund. Und dann habe ich mich beworben für die Schule, wurde angenommen und habe die drei Jahre durchgezogen und bin Silberschmiedegesellin geworden, beim Nikolaus Epp."
Und wie ging es dann weiter nach der Schule?
"Da ging es dann erst mal so weiter, dass ich dachte, dass ich jetzt als Silberschmiedin irgendwo arbeiten will und gemerkt habe, dass es nicht so einfach ist, weil die Stellen einfach rar sind. Also das ist heute noch so und das war damals auch schon so. Und dann war ich so ein in einer Findungsphase und habe eine Zeitlang Kunstgeschichte und Italienisch in Regensburg studiert und habe dann während des Studiums gemerkt, dass ich wieder praktisch handwerklich arbeiten möchte. Und ich habe auch diese Schulzeit vermisst in Neugablonz, auch die Leute und diesen Arbeitsrhythmus. Und dann habe ich mir tatsächlich einen Silberschmiedejob besorgt und war dann einige Jahre in Würzburg und habe da als Silberschmiedin gearbeitet, 40 Stunden die Woche und habe dort dann festgestellt, dass es auf Dauer auch so nicht mein Lebensplan ist und habe dann da den Meister im Gold- und Silberschmiedehandwerk gemacht, damit ich wieder so eine Art Wegmarke für mich gesetzt hab und habe mich dann nach der Meisterschule an der Akademie in Nürnberg für die Klasse für Gold- und Silberschmieden beworben und bin da genommen worden."
Sie sagten gerade, Ihnen hat die Arbeit mit der Hand gefehlt. Was bedeutet Ihnen denn dieses händische Arbeiten, das Handwerk?
"Das bedeutet ziemlich viel mittlerweile, weil man, das klingt immer so platt, aber man sieht am Ende des Tages, was man mit den Händen hergestellt hat. Das ist schon sehr zufriedenstellend. Und ich mag das einfach mit den Händen… Das kann ich schwer erklären. Also vielleicht ist es gar nicht unbedingt das mit den Händen arbeiten, sondern dass man einfach was macht, was man später sieht, dass man gestalterisch tätig ist. Und da sind einfach die Hände, das ausführende."
Welche Rolle spielt denn dabei das Material Silber? Also wenn Sie das Material charakterisieren sollten, was würden Sie darüber sagen?
"Das ist ein superschönes Material fällt mir als erstes immer ein. Ich mag es total gern. Es ist so vielfältig in seiner Ausdruckskraft. Und ich glaube einfach, dass für mich persönlich dieses Material sehr entgegenkommend ist. Ich kann es zum Leuchten bringen oder zum Scheinen oder ich kann es auch dunkel werden lassen, also ich kann mit ihm gestalten, sowohl in der Oberfläche als auch dann, wenn ich das Material bewege, hat Silber total schöne Materialeigenschaften eben. Man kann es schmieden, man kann es montieren und löten. Man kann es ganz dünn walzen. Man kann es im Dicken verwenden, ist einfach super schön. Man sagte immer es ist weich, aber es kann auch sehr hart sein."
Wie entsteht denn jetzt eigentlich so ein Silbergefäß? Was gibt es da für Möglichkeiten, das herzustellen?
"Also man unterscheidet mehrere Techniken. Also, wenn man jetzt das Beispiel einer Schale nimmt, das ist auch das erste, was man in der Schule lernt, eine Schale zu schmieden. Da nimmt man eine runde Silberscheibe, die vielleicht eineinhalb Millimeter dick ist, und die wird dann mit dem Hammer getrieben von innen raus in einer Holzform. Und dann geht man über in die Technik des Aufziehens, wo dann das Material von außen zusammengeschoben wird und gleichzeitig nach oben gedrückt. Und, ja, ich glaube, das muss man sehen, um das wirklich zu verstehen. Aber das ist so das Handwerk des Schmiedens. Und dann gibt es eben noch die andere Komponente, dass man montiert, das heißt, man nimmt Silberblech in verschiedenen Stärken, wie man das eben benötigt, und montiert die Bleche. Das heißt, man arbeitet mit den Abwicklungen und lötet die zusammen. Die werden dann auch gehämmert, aber die werden dann rund gehämmert und nicht aus einer zweidimensionalen Form dreidimensional, sondern die baut man eben wie wenn man sich eben ein Papiermodell vorstellt, dass man das zusammenfalte so auf und da wird es dann zum Dreidimensionalen. Also das Silber wird dadurch nicht gestreckt und gedehnt, sondern es ist einfach schon in der richtigen Größe da."
Das klingt nach sehr vielen Stunden Arbeit. Warum hat man denn, wenn wir jetzt in die Historie blicken, warum hat man denn überhaupt angefangen, mit Silber solche Gefäße herzustellen? Also wo liegen die Ursprünge der Silberschmiede?
"Also Silber ist antibakteriell. Es ist ein Supermaterial, auch deswegen, weil es Lebensmittel echt ist. Und für den sakralen Bereich ist es natürlich ein edles Metall, was dann auch noch durch die Vergoldung noch edler geworden ist, damit eben das für diesen Zweck am edelsten und am bedeutsamsten ist. Und für den Gebrauch, also man kann es gut hernehmen für den Haushalt. Und was es natürlich auch noch ist, dass es bei bestimmten Familien auch als Prunk und Statussymbol natürlich auch gegolten hat, also tolle Tischaufsätze usw., das war schon was."
Wenn Sie heute ein Gefäß herstellen, egal in welcher Technik, wie nah ist das denn noch an den traditionellen Herstellungsarten. Also hat sich da viel verändert oder ist es noch sehr authentisch, original wie in den Anfängen?
"Das ist wirklich an vielen Stellen sehr authentisch, weil eine Schale schmieden, das kann man nur so machen wie eben vor mehreren hundert Jahren auch mit dem Hammer und in ein Holz reintreiben und dann von außen eben aufziehen. Diese Technik ist uralt und bewährt. Man hat früher natürlich, wenn man jetzt was lötet, hatte man früher keine Gasflaschen, sondern hat es im Holzfeuer gelötet. Aber man hatte auch schon den Blasebalg. Also viele Dinge sind jetzt vielleicht etwas optimiert, aber trotzdem geht die Technik noch so wie früher. Was natürlich anders ist, es ist vieles auch verloren gegangen, weil bestimmte ästhetische Sachen sind heutzutage nicht mehr gewünscht. Und dann vergisst man das natürlich auch und weiß nicht mehr, wie man bestimmte Dinge herstellt, weil das einfach nicht mehr unsere Sehgewohnheit ist."
Zum Beispiel?
"Also, wenn wir jetzt beim einfachen Beispiel des Bechers bleiben, also alte historische Becher, die haben oft Zierränder und Ornamente und noch mal irgendetwas aufgelötet. Und diese ganze Zierde dieser Becher, die lässt man heutzutage weg. Und genau diese Zierdrähte herzustellen, das lernt man auch nicht mehr in der Schule. Man kriegt es vielleicht mal kurz erzählt, dass es so was gab. Aber da hat keiner Übung und auch keiner mehr das Werkzeug dazu und darum ergibt sich das dann auch so."
Bei Ihren eigenen Arbeiten: Was für Ziele verfolgen Sie da? Oder was wollen Sie damit vermitteln, was ist das für ein Stil, welche Aussage wollen Sie treffen?
"Mir geht es bei meiner Arbeit darum, dass ich meine jetzige Zeit repräsentiere. Eben weil das Handwerk so ein althergebrachtes Handwerk ist, möchte ich, dass dieses Handwerk formal in die Jetztzeit transportiert wird. Das ist mir total wichtig. Dann ist mir wichtig, dass auch ich mich als Künstlerin transportiere und meine Formelsprache spreche in meinen Gefäßen. Also meine Persönlichkeit darf auch vorkommen. Und die Dinge, die ich herstelle, das sind lauter Unikate. Das heißt, ich möchte mich da auch gar nicht wiederholen, sondern es darf immer so weitergehen und sich entwickeln und auch ein Spiegel sein, was gerade so um mich passiert oder in mir passiert und was ich eben sehen möchte."
Welche Rolle spielt Funktionalität?
"Meine Sachen funktionieren immer, weil ich darauf Wert lege, dass sie funktionieren. Mir ist es nur nicht wichtig, dass sie gebraucht werden."
Also sind es nicht zwingend Gebrauchsgefäße, sondern man kann es als Objekte, künstlerische Objekte bezeichnen.
"Ganz genau so, ja."
Und sind Sie dann Handwerkerin oder Künstlerin, wie sehen Sie sich?
"Also ich sehe mich als Künstlerin, die ihr Silberschmiedehandwerk als künstlerisches Ausdrucksmittel hernimmt, um sich auszudrücken. Ja, das ist meine Intention. Also ich sage immer, das Silberschmieden ist mein Ausdrucksmittel, und ich habe das als Handwerk gelernt. Ich weiß, wie man was exakt rundschmiedet, und ich kenne mich in den Materialitäten aus. Und mich interessiert mittlerweile auch, genau dieses Wissen so integriert zu haben, dass ich damit frei umgehen kann und dieses Handwerk auch wieder verlassen darf. Dass ich damit frei umgehen kann wie vielleicht ein Maler, der weiß wie er ein Porträtmaler, der sich aber auch mit Farbe einfach frei auf der Leinwand ausdrückt. Und beides kann. Und so ist es bei diesem Handwerk auch. Also es darf die künstlerische Freiheit erfahren."
Sie hatten gesagt es ist Ihnen auch wichtig, dass ihre Persönlichkeit im Stück mit zum Tragen kommt. Wie ist denn das Verhältnis zu dem Werkstück? Also es ist ja eben kein seriell hergestelltes, es ist ein Unikat, das gibt es nur einmal, Sie verkaufen das dann. Wie ist die Beziehung zu dem Stück?
"Das wechselt. Also ich habe ein paar Stücke, ich nenne sie immer Wegbereiterstücke, das sind Stücke, die ich nicht verkaufe, die mir wichtig sind, weil sie auf meinem Weg, auf meinem Silberschmiedeweg so eine Wichtigkeit bekommen haben, weil sie mir irgendwas zeigen. Oder weil ich in diesen Stücken irgendetwas erfahren habe, aus dem dann das nächste sich herausentwickelt hat. Und dann gibt es natürlich Stücke, die etwas routinierter dann auch hergestellt werden von mir und da ist dann die Herzensbindung nicht ganz so heftig, obwohl ich auch feststelle, je älter die Stücke finden und je länger sie bei mir bleiben, desto mehr schließe ich sie ins Herz. Und dann denke ich immer ja, die gehören dann einfach doch zu mir. Also ich habe schon eine Beziehung zu den Stücken. Und ich sehe auch im Abstand von mehreren Jahren, wenn ich dann wieder Stücke auspacke, dass ich das Stück so nicht mehr machen könnte, weil ich damals in einer anderen Verfassung war. Also ich hatte mal eine Phase, da habe ich sehr viel asymmetrisch gearbeitet. Und dann habe ich letztens festgestellt, dass das gerade nicht der Fall ist bei mir. Also dass ich gerade eher in die Symmetrie gehe und das mit wieder andere Dinge interessieren. Mit dem zeitlichen Abstand sieht man dann auch deutlicher, was man vielleicht währenddessen gar nicht so wahrnimmt, weil es intuitiv kommt."
Gibt es denn auch auf konzeptueller Ebene Dinge, die Sie ausdrücken wollen. Also Sie hatten gesagt, Sie wollen, dass es etwas aus unserer Zeit ist. Da gibt es sicher noch mehr Dinge, die man ausdrücken kann.
"Also die eine Sache ist zum Beispiel, dass ich aus unserer Zeit Formen übernehme, die uns umgeben, die ich einfach übersetze, vielleicht mal von den Maßen her und einfach in Silber baue, was vielleicht jeder kennt, diese Form, um mich dann aber auch wieder von dieser Form zu lösen. Zum Beispiel dieser To-Go-Becher, der ja eine Zeit lang einfach das Non-Plus-Ultra in unserem Leben war, das jeder so einen Becher in der Hand hatte. Und die werden weggeschmissen. Und die sind schön anzusehen. Die haben eine Form, wo viel nachgedacht wurde, dass die Menschen sie eben gern in die Hand nehmen, die haben die richtige Größe und haben einen Falz und so weiter und so weiter. Und sie werden weggeschmissen. Und im Silber so etwas zu bauen, dass man auch einen Falz hat und diese Form einfach mal in die edle Kategorie übernimmt, die man eben nicht einfach achtlos beiseite gibt, sondern sie anschaut und vielleicht sogar vererben kann, das ist dann auch was, wo ich dann sehe, dass ich da unsere Zeit, also unsere Schnelllebigkeit in eine Langsamkeit auch oder in eine Langlebigkeit übersetze. Und dann geht es mir auch oft darum, dass ich dann aber schon versuche, die Dinge auch in einer gewissen Zeitlosigkeit erscheinen zu lassen, dass man nicht auch sagen kann, na ja typisch, was weiß ich, 20er-Jahre also oder 2020, sondern dass es auch eine Form hat, die den Menschen einfach anspricht, weil der Mensch diese Form mag. Also ich mag auch archaische Formen total gern, dieses ganz ursprüngliche, weil das sind so menschliche Formen, die unglaublich guttun, sie anzuschauen und anzufühlen. Und die haben so eine wunderbare Harmonie. Und so was interessiert mich auch total."
Das Besondere an Ihren Arbeiten ist ja, dass die Materialstärke überraschend fein ist, also sehr dünn.
"Ja, das stimmt. Das hat sich mal ergeben, und das war für mich ein wichtiger Punkt im Silberschmieden, wo sich ein Knoten für mich gelöst hat, dass ich einfach mal die Materialstärke gewechselt habe, was mir gar nicht so leichtgefallen ist, weil ich mich dadurch aus einer handwerklichen Tradition gelöst habe und gemerkt habe, dass es geht. Also ich benutze 0,3 Millimeter starkes Silber für meine freien Arbeiten, und das hat sich eigentlich aus dem Papiermodellbau, den die Silberschmiede machen und die Silberschmiedinnen, dass man die Formen nicht zeichnet, sondern gleich als Modell baut. Und dieses dünne Silber, das unterstreicht diesen Modellbau-Charakter und gibt mir die Möglichkeit, etwas schneller als in diesen vielen, vielen Handwerksstunden zum Ziel zu gelangen. Ich bekomme schnell eine Antwort vom Material, meine Hand ist mehr beteiligt, also ich kann direkter dran sein an den Formen. Also ich muss bei einem Gefäß aus 0,3 Millimetern nicht stundenlang mit dem Hammer hämmern bis es exakt rund ist, sondern diesen Schritt kann ich praktisch weglassen und die Rundung, die entsteht, die ist nicht exakt. Aber sie hat so was lebendig ist und so etwas Natürliches und das ist diese besondere Schönheit, die sich dann daraus ergibt. Das ist dann diese Freiheit, die die Form haben darf, also auch, dass das Material mitsprechen darf. Auch wenn ich etwas Dünnes löte, dann arbeitet dieses Material im Feuer und ich kann das aber auch nachher mit meiner Hand wieder in die Form bringen, wie ich möchte. Also es ist einfach ein direktes und auch zielgerichtetes Arbeiten, was aber den ganzen künstlerischen Prozess viel konzentrierter ablaufen lässt, weil man so dabeibleiben kann. Also ich muss nicht wochenlang an etwas schmieden und feilen und planieren, sondern ich kann mit den Dingen wirklich schneller umgehen und bin deshalb viel tiefer in diesem Arbeitsprozess drin, gedanklich und mit den Händen auch. Und trotzdem hat diese dünne Materialität eine gewisse Stärke und auch einen gewissen Charme. Und ich mische natürlich auch ein paar andere Stärken dazu. Da kommt dann auch wieder das perfektionistische Denken dazu, dass es dann doch eine bestimmte Stabilität haben muss an bestimmten Punkten, also dieses normale Silberschmieden, das ist in dem Blechbereich so 0,8, Millimeter, 1 Millimeter, 1,2 Millimeter, so richtig schön dick. Das hat dann auch ein Gewicht und das braucht natürlich wahnsinnig viel Handwerk. Und als ich im Studium da diesen Hinweis mal bekommen habe bei einer Arbeit, probiere es doch mal dünner, dann habe ich erst mal dünnes Material genommen, wo ich dachte, das ist dünn genug, und es war 0,5 Millimeter. Und dann habe ich da angefangen zu arbeiten. Und dann habe ich irgendwie gemerkt, dass passt mir auch nicht. Und dann hieß es nee nee, nimm doch mal 0,3. Und dann habe ich wirklich dieses 0,3-Millimeter-Blech genommen und dachte mir nee, das kann man nicht machen. Jeder Silberschmied sagt, du spinnst, wenn du das machst. Und dann habe ich es hergenommen und habe einfach mal angefangen und habe es dann auch gelötet, wie wenn ich ein Papier zusammenklebe und das hat sofort funktioniert. Und dann habe ich gemerkt, dass es klappt und dass es mir Spaß macht. Spaß ist auch ein ganz wichtiger Faktor dabei. Und dann kam so die Begeisterung, ah, das kann ich jetzt noch mal probieren, wenn es so gut geht. Und plötzlich habe ich gemerkt, wow, das macht total Freude, dieses dünne Blech zu nehmen und einfach so voranzuschreiten, ohne aufgehalten zu werden von diesen vielen, vielen Handwerksabläufen, die mich eigentlich immer so bremsen. Und dieses ungebremste Machen, das war wie so ein Freudentaumel. Also, ich habe dann auch gleichzeitig noch so viele Ideen plötzlich bekommen. Das fand ich dann eigentlich das schöne, das war wie so ein Guss aus lauter ach da kannst du doch das machen, und das kann man auch machen und wow, dann kann ich das probieren. Und das war so schön, wo ich gemerkt habe ja, jetzt kommt was, was mir entspricht und auf was ich so gewartet habe, wie wenn so ein Knoten sich löst."
Und gab es auch diesen Gedanken, dass Sie da dem traditionellen Handwerk jetzt etwas ganz Neues hinzufügen und es auch so ein bisschen ankommen lassen in der Moderne?
"Ja. Also, ich hatte einerseits den Gedanken, dass ich diesem Handwerk jetzt endlich mal entflohen bin. Und auf der anderen Seite habe ich gemerkt, dass ich dem was hinzufüge, weil die Leute eben plötzlich auch so gefragt haben, wie ich das mache und wie man das denn hernehmen kann und ob man es hernehmen kann. Und ach, und ob es wirklich Papier ist oder doch Silber. Also ich habe gemerkt die Leute, die gucken dreimal hin und sind angetan. Und da kommt bei den Sachen irgendwas bei den Menschen an, was so vorher nicht war, wenn ich Dinge gebaut habe und wo ich dann auch gemerkt habe ich bin irgendwie auf so einem Weg, der jetzt für mich der richtige ist und der wohl auch zeitgemäß ist, auch in unserer schnelllebigen Zeit, die Dinge vielleicht schneller herzustellen und wirklich auf die Persönlichkeit einzugehen und nicht einfach was herstellen, weil man es herstellt, sondern den Becher machen, den ich jetzt machen will und nicht einen Becher, weil man einen Becher macht."
Und das eine ist der technische Aspekt, also die Herstellungsweise. Das andere ist die Gestaltung. Also viele der Becher, die tanzen so ein bisschen sage ich mal.
"Ja, das sind jetzt die Becher, die einen geknickten Boden haben. Die kann man schräg stellen, die tanzen und auch die Becher mit geraden Boden, die haben auch dadurch, dass sie ja eben nicht ganz rund sind von jeder Seite auch eine andere Ansicht. Und manchmal darf es auch schräg stehen und das ist alles okay, das darf es und das darf so sein. Es dürfen Persönlichkeiten entstehen, aus den Dingen, die ich tue."
Also man sieht auch die Befreiung.
"Ja, die kann man wirklich sehen und spüren. Und das ist auch ganz schön, weil mir die handwerkliche Perfektion trotzdem total wichtig ist. Auch dieses Arbeiten in den dünnen Materialien erfordert Handwerkskunst, die ich natürlich so nicht hätte, wenn ich nicht durch den ganzen Prozess der Silberschmiedeausbildung und des langen Handwerkens gegangen wäre. Aber diese Freiheit, mit den Dingen umgehen zu können, sie loszulassen, selber zu gestalten, das ist was sehr Befreiendes und was sehr Zufriedenstellendes."
Und trotz der Modernität Ihrer Arbeiten, sehen Sie sich gleichzeitig als Vermittlerin dieser alten Tradition? Sie halten das Handwerk ja lebendig, indem Sie es zum Beruf gemacht haben und immer wieder tun.
"Ja, das stimmt. Ich finde den Beruf total schön und bereichernd, spannend und da ist so viel Möglichkeit und nach so vielen Seiten Offenheit da und nicht wundert's eigentlich oft, dass dieser Beruf nicht von mehr Leuten ergriffen wird. Leider hat er immer diesen Negativ-Touch, dass man nicht genug Geld verdient. Und das haben andere Berufe auch. Also ich finde diesen Beruf sehr zufriedenstellend für alles, für den Körper, für den Geist, für die Hände, die Seele, weil man wirklich von Anfang bis Ende dabei ist. Ich entwerfe die Sachen selbst, ich kann sie herstellen. Und am Schluss habe ich eine komplett gesamtheitliche Arbeit gemacht, die wirklich aus meinen Händen geflossen ist. Und das ist am Silberschmieden etwas Wunderbares, dass man wirklich Herr oder Frau des gesamten Prozesses sein darf."
Was haben Sie denn für Erfahrungen gemacht, wie die Menschen auf Ihren Beruf reagieren. Also speziell des Silberschmiedens, aber auch grundsätzlich, wie ist denn so die Wertschätzung gegenüber dem Handwerk Ihrer Meinung nach?
"Ich merke immer, dass viele Leute gar nicht mehr wissen, was Silberschmieden ist, weil es einfach nicht mehr groß in unserer Gesellschaft vorkommt. Der größte Irrtum ist immer, dass die Silberschmiede Schmuck machen aus Silber und die Goldschmiede machen Schmuck aus Gold. Und ich erkläre dann immer, dass die Silberschmiede Gefäß und Gerät machen, und dass ist auch mal ganz andere Materialien sein können und das Material nicht ausschlaggebend ist. Und wenn ich etwas herstelle und dann Leute mal bei mir im Atelier habe und ein bisschen erzählen, wie ich die Dinge baue, dann sehe ich, dass die oft sehr erstaunt sind, wieviel Arbeitsgänge in so einem Teil drin sind und dass das überhaupt nicht mehr in unserem Bewusstsein ist, was handwerkliches Tun an Zeit braucht. Das ist einfach so. Heutzutage kauft man die Dinge fertig, man kann nicht mehr in Werkstätten einfach schauen, man sieht niemand mehr, der irgendwo drauf herumklopft, das ist schon fern. Und es ist schon auch etwas so ein bisschen wie naja, wie Tierpark ist übertrieben, das passt jetzt da auch nicht... Aber man ist schon irgendwie eine Besonderheit, ist auf jeden Fall spürbar, dass die Leute fasziniert sind von diesem Prozess, dass man sich so lange mit Gefäßen auseinandersetzen kann und solange an etwas arbeitet."
Und versuchen Sie auch diese Informationen weiterzugeben? Also was für Möglichkeiten nutzen Sie, um eben dieses Wissen auch ein kleines bisschen an die Öffentlichkeit zu tragen und damit auch das Handwerk lebendig zu halten?
"In meinem Fall nutze ich einfach die vielen Möglichkeiten, die es in Bayern gibt, auszustellen, auch im internationalen Bereich und einfach meine Arbeiten zu zeigen. Und ich versuche, mit meinen Arbeiten den Leuten etwas Freude zu bereiten und möchte auch, dass Sie sich davon angesprochen fühlen und begeistert sind und dafür den Blick dann bekommen, dass es Silberschmieden ist. Und natürlich spreche ich auch manchmal mit Kolleginnen und Kollegen aus den jüngeren Bereichen und auch da möchte ich meine Begeisterung weitergeben. Und ich habe auch Kollegen und ich weiß aber auch, dass der Kreis der Leute, die diesen Beruf ergriffen haben, sehr, sehr klein ist und dass auch wenig Leute nachkommen und dass es schwierig ist, sowas nachzuziehen. Es ist wirklich sehr fein und klein und besonders geworden."
Und welche Institutionen oder Einrichtungen erleichtern denn dann doch vielleicht die Ausführung des Berufs oder motivieren?
"Es gibt tatsächlich sehr viele Fördermöglichkeiten und Wettbewerbe, an denen man teilnehmen kann in diesem Bereich. Das ist ein super Sprungbrett auch, da mitzumachen. Also es gibt in München den Bayrischen Kunstgewerbeverein, der den Preis für ein junges Kunsthandwerk bietet oder den Danner-Preis von der Danner-Stiftung in München, es gibt die Internationale Handwerksmesse, es gibt den Bezirk Oberbayern, wirklich viele, die sich dafür einsetzen. Es gibt in München eine Kunstakademie, die eine Goldschmiedeklasse lange Jahre hatte und jetzt auch wieder in eine Gold- und Silberschmiedeklasse umgewandelt wurde. Es gibt in Nürnberg eine Klasse für Gold- und Silberschmieden und freie Kunst, die auch die Möglichkeit bietet, da weiterzumachen. Und natürlich gibt es auch in Hanau eine Zeichenakademie, wo man auch noch hingehen kann. Also es gibt schon ein paar sehr wichtige und gute Stätten, wo man diesen Beruf weiterentwickeln kann, verglichen mit anderen Berufszweigen, ist es wirklich wahnsinnig wenig. Ich würde mich freuen, wenn da mehr da wäre."
Haben Sie denn konkrete Wünsche an die Politik?
(lacht) "Ich glaube, dass es momentan sehr schwierig ist in dieser Pandemie-Zeit, weil alles so auf den Kopf gestellt wurde. Ich merke, dass den Leuten klargeworden ist, dass Kunst und Kultur ein sehr wichtiger Bestandteil in unserem Leben ist. Und in diesem Bereich arbeite ich und da tue ich einfach mein Bestes, um da mitzugestalten."
Matthias Larasser-Bergmeister, Kunstschmiede Bergmeister, Ebersberg
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"Mein Name ist Matthias Larasser-Bergmeister, ich bin Inhaber der Kunstschmiede Bergmeister und das jetzt selbstverantwortlich seit zwölf Jahren. Ich habe die Schmiede von meinem Onkel und von meinem Vater übernommen. Die Schmiede existiert jetzt insgesamt schon 65 Jahre und bin aber in dem Betrieb aufgewachsen und jetzt 42 Jahren hier tätig. Ich habe hier in der Schmiede gelernt. Ich habe Gesellenprüfung gemacht, habe Meisterprüfung gemacht, habe dann ein Studium der Bildhauerei in der Akademie der Bildenden Künste in München gemacht, beim Professor Ladner und habe mich dann aber entschlossen, wieder ins Handwerk zurückzukehren und habe diesen Entschluss auch nie bereut."
Könnten Sie bitte einmal kurz ihren Betrieb vorstellen? Also wie viele Mitarbeiter haben Sie zurzeit?
"In unserem Betrieb hat circa 20 Mitarbeiter. Das ist immer ein bisschen unterschiedlich, das sind mal zwei mehr, mal zwei weniger, aber eigentlich konstant. Das ist eine Größe, mit der man gut arbeiten kann. Da wo man größere Projekte stemmen kann, der aber nicht zu groß ist, dass man die Übersicht verliert. Also dass man die Qualitätskontrolle oder das, was rauskommt, noch im Fokus hat und eingreifen kann, wenn irgendetwas nicht so ist, wie es sein soll. Also für mich hat sich das rausgestellt, dass das eine ideale Größe also für unsere Arbeit ist."
Wenn man auf das Gelände der Schmiede hier kommt, dann wirkt alles sehr geräumig. Also es gibt eine große Werkhalle. Es gibt einen Zwischenbau mit Büroräumen, dazu noch das Lager. Das sind vermutlich beste Voraussetzungen, um auch architekturbezogene Arbeiten auszuführen? Was genau schmieden Sie denn hier eigentlich hauptsächlich?
"Das ist relativ schwierige Frage, weil wir wahnsinnig breit aufgestellt sind. Wir arbeiten sehr hochwertig oder im hochpreisigen Segment, aber eben vom handwerklichen Anspruch her sehr hoch angesiedelt. Wir haben sehr viel für die Kirche gearbeitet oder arbeiten nach wie vor für Kirche. Also sakrale Ausstattungsgegenstände vom Tabernakel bis zum Kirchturmspitze, aber auch im profanen Bereich von einer Toranlage, wir haben die Tourentage fürs Maximilianeum gemacht, die einen wahnsinnigen Sicherheitsstandard hat. Wir machen aber ein kleines Gartentürl und einen Klingelknopf. Und wir machen Beleuchtungskörper, wir gehen in die Restaurierung, also, wenn es hochwertige Sachen sind. Also wir haben auch den Giambologna-Christus in der Michaelskirche aufgestellt. Also das ist wirklich breit gefächert. Und das macht halt auch Spaß, weil es ja eigentlich nie langweilig wird."
Auf dem Tisch hier neben uns liegt so eine Klingelanlage. Könnten Sie vielleicht einmal kurz erklären, um was es bei diesem Auftrag jetzt ging?
"Das ist jetzt eine Musterplatte für einen Bauherren, der kommt, und hat gesagt, er möchte für seine, der hat verschiedene Immobilien in München, er möchte für seine Immobilien eine einheitliche Klingelanlage haben. Und wenn man jetzt schaut, wie so was gemacht ist, das ist jetzt eine spezielle Sprechanlage, die in der Mitte die Optik hat, das ist tiefer gesetzt, die Oberfläche in dieser Tasche ist sandgestrahlt, oben ist feingeschliffen, dann in der Proportion die Klingelknöpfe gesetzt, ohne Verschraubung, nicht sichtbar. Das geht über Magneten, die sind da drin. Also, dass das ganz eine schlichte Einheit hat. Das Ganze sitzt in einem Rahmen drin. Hier wird angeputzt an der Seite, das halt einfach eine Trennung zwischen der Putzkante und dem eigenen Schild ist, dass wenn ich das rausnehme, dass ich nichts kaputtmache. Der Klingelknopf ist indirekt hinterleuchtet von hinten, also allein in diesem Trumm, das ist so komplex, da steckt so viel Überlegung drin, das schaut eigentlich ganz schlicht aus und hat eine Wertigkeit."
Und nebenan sieht man ein Grabkreuz, sehr aufwändig, sehr filigran, teilweise vergoldet. Was hat es damit auf sich?
"Das ist jetzt eine Rekonstruktion eines historischen Grabkreuzes, da ist der Kunde gekommen und hat ein altes Grabkreuz, das sein Urgroßvater mal geschmiedet hat, vorbeigebracht, dass aber dermaßen kaputt war und dann hat es noch irgendjemand mal feuerverzinkt. Also die ganze Kunstfertigkeit war weg. Er wollte aber diese Form oder diese spezielle Beziehung zu dem Grabkreuz erhalten und hat jetzt eine Kopie von dem anfertigen lassen. Aber das ist genauso gemacht, wie es der Urgroßvater früher mal gemacht hat. Die Blätter sind aufgenietet, das ist alles getrieben, das ist schön gemacht. Es gibt sogar eine Mechanik für das Seelenhäuschen da drin, da kannst du dann aufmachen. Und das dauert lang. Also das machst du nicht nach der Lehre, sondern da bist du garantiert also, wenn du diese Qualität rausbringen willst, da bist du zehn Jahre im Betrieb unterwegs. Und dann kommst du einmal da hin. Und das ist auch bei uns auch so ein Thema, wir haben keine hohe Fluktuation. Also wenn einer mal bei uns ist, dann ist er normalerweise lange hier und ich habe Mitarbeiter, die 30, 40 Jahre, also die mit mir gekommen sind. Also, dass einer nach drei Jahren geht, das ist nach der Lehre. Und wenn er den Sprung schafft, dass er da bleiben darf, dann ist er normalerweise lange da."
Wenn man jetzt gar keine Ahnung hat vom Schmieden, woran kann denn ein Laie erkennen, ob etwas gute Qualität ist?
"Man muss einfach genau hinschauen. Man muss es erspüren. Und wenn du dir die Details anschaust, wie was gearbeitet ist, ob es ordentlich und sauber verbunden ist, angeordnet ist, ob du eine Prägnanz drin hast. also ich kann jetzt nur von unserem Gewerk sprechen, also Sie werden da keine Schweißnaht sehen an dem Kreuz. Sondern das ist alles genietet, gelötet, gefügt. Das ist einfach, wenn man sieht, wie so ein Band ausgebildet ist, das läuft halt einfach. Das ist alles mit der Hand gemacht. Man kann mit der Hand präzise arbeiten, wenn man es kann. Man muss keine fertigen Sachen verwenden sind, sondern man kann das alles selber machen. Und dann macht es auch Spaß, wenn es so etwas dann funktioniert und schön ist."
Was bedeutet Ihnen persönlich die Arbeit mit den Händen? Also, warum haben Sie sich gerade für diesen Beruf entschieden?
"Wenn du mit deinen Händen irgendetwas entstehen lassen kannst, und das ist eigentlich wurscht, welcher Beruf das ist, du formst was, du hast eine Idee und du kannst es umsetzen. Stück für Stück. Du fängst langsam an, da ist noch nicht erkenntlich, was es wird. Und mit jedem Schritt näherst du dich dem Ziel. Und wenn es dann schön wird, wenn dann was dasteht nachher, dann bist du auch sehr stolz darauf. Und das ist schon ein tolles Gefühl, wenn man das mal kennengelernt hat. Du hast halt einfach was gemacht, und da geht der Geist in die Hand. Also das ist einfach, da tut mir jeder Mensch leid, der nur im Büro sitzt, weil der sowas nicht erleben kann oder darf. Man muss schon schauen, dass man dem Fokus nach draußen schon noch hat, also, dass man nicht mit Scheuklappen nur noch das Handwerk glorifiziert. Das wäre sicher auch verkehrt. Aber jeder Mensch ist halt für was anderes wahrscheinlich gemacht und wir gehören daher, wo wir sind."
Schmieden ist ja ein sehr altes Handwerk. Sehen Sie sich auch so als Träger einer Kulturtradition?
"Es hat etwas Archaisches. Du gehst mit einem harten Material um, du machst es heiß, ist ändert seinen Aggregatzustand, es wird plastisch und du kannst es verformen und wenn es wieder kalt wird, dann ist es wieder hart und starr. Und ich glaube speziell so der Umgang mit dem Feuer oder speziell das Schmiedehandwerk, das hat schon viele inspiriert, und es ist was ein eigenes."
Ihr Haus ist ja eine Kunstschmiede. Wie unterscheiden sich jetzt Ihre Arbeiten von industriellen Serien- oder Massenprodukten? Also wo setzen Sie vielleicht auch ganz bewusst eigene Akzente? Was machen Sie anders, um sich abzusetzen?
"Ich weiß nicht, an was es liegt, aber vielleicht auch an jetzt meiner Ausbildung zum Bildhauer. Aber bei uns liegt der Fokus wahnsinnig stark auf Proportionen. Also wie steht was da? Welche Funktion hat? Was ist das richtige Material dafür, Metall dafür, welchen Ausdruck kriegt das. Und du bist immer auf der Suche nach der perfekten Form für den Gegenstand, was du machst. Wir sind sehr planungsintensiv, also bis bei uns was in die Werkstatt geht, ist es durchdacht. Man weiß ganz genau, was man tut. Das ist auch wichtig, weil sonst läuft dir die Zeit davon, dann kannst du es irgendwann nicht mehr bezahlen. Also du musst vorher, speziell wenn du mit Metall arbeitest, wissen, was du tust. Und diese Planung oder diese Auseinandersetzung mit dem Stück im Vorfeld, bevor es gemacht wird, die ist bei uns ganz ein wesentlicher Teil unserer Arbeit."
Sie hatten vorhin den hohen Qualitätsanspruch an die Arbeiten genannt, und auch die intensive Planung vor der eigentlichen Handarbeit. Gibt es noch mehr Beispiele für solche handwerklichen Werte, nach denen Sie sich in ihrer Arbeit richten und die Sie ja letztlich über die Produkte dann auch nach außen vermitteln.
"Eigentlich glaube ich muss man den Hammer nicht höher hängen als er ist. Also es kommt jemand zu dir und hat ein Anliegen. Und du versuchst da mit deinem ganzen Know-How, das du dir in jahrelanger Arbeit oder Auseinandersetzung aufgebaut hast, du versuchst den zu beraten, und du versuchst, egal, ob das jetzt ein Briefkasten ist oder irgendetwas anders. Du musst halt wissen, wie was funktioniert. Beim Briefkasten musst du wissen, wie groß ein Brief ist, welche Schräge er braucht, dass er fällt, dass er nicht steckenbleibt. Und das ist ganz was Banales, aber du musst es halt wissen. Und das musst du weitergeben. Und es nützt dir das schönste Trumm nichts, wenn es dann hinten nach nicht funktioniert. Und du musst halt schauen, dass du die Aufgabe, die an dich herangetragen wird, so gut wie möglich erfüllst. Und wenn du es gut planst, dann hast du damit auch keine Schwierigkeit."
Ihr Betrieb ist bekannt dafür, dass hier ausgebildet wird. Es gibt immer mehrere Lehrlinge parallel, die dann im sogenannten dualen System ausgebildet werden. Könnten Sie das kurz erklären, bitte?
"Wir bilden sehr viel aus, weil es halt erfahrungsgemäß für uns sehr schwierig ist, auf dem Markt Leute zu kriegen, die unser Spektrum erfüllen können. Und unsere Ausbildung ist genauso vielschichtig wie unser Betrieb. Wir legen sehr viel Kraft und sehr viel Zeit in die Ausbildung, das zeigen auch die guten Ergebnisse, die wir jedes Jahr haben, also normalerweise ist fast immer irgendein Innungssieger dabei oder manchmal geht es auch weiter zum Landes- und zum Bundessieger. Wir haben schon viele Bundessieger aus unserem Betrieb herausgebracht und Ausbildung ist ganz was Wesentliches. Also, wir haben jetzt von unseren 20 Leuten, sind sechs Lehrling dabei. Und wenn nachher von den sechs Lehrlingen einer oder zwei dann im Betrieb bleiben und weitermachen, dann ist das eigentlich schon eine ganz gute Quote. Wir leisten uns auch in den Ausbildungsmeister, der extra für diese Lehrlinge da ist und denen was lernt oder diese Techniken in ihrer Vielfältigkeit auch vermittelt und zwar professionell vermittelt. Und mein letzter Ausbildungsmeister ist jetzt von der Berufsschule abgeworben worden, das hat man recht gestunken. Aber es ist halt so und dann fängst du halt wieder an. Also du hast schon wieder Abgänge und musst das halt wieder auffüllen.
Das duale System ist halt einmal der schulische Zug oder die schulische Mitausbildung, wo die Theorie vermittelt wird. Ich finde das sehr wichtig, weil du einfach dieses Wissen brauchst als junger Mensch. Du erfährst, warum Sachen funktionieren und warum sie nicht funktionieren. Also speziell in der Metallurgie ist ja mit Legierungen, welcher Bestandteile ist da drin, welchem Stahl kann ich härten, welchen kann ich nicht härten, wie funktioniert eine Konstruktion, wie baue ich eine Treppe auf, welche Tritt- und Steigungsverhältnisse habe ich da drin. Das ist Theorie. Das muss ich aber wissen, wenn ich dann irgendwann einmal auf einer Baustelle komme und was tun muss und je mehr ich weiß, wie was funktioniert, und das glaube ich, unterscheidet uns deutlich vom europäischen Ausland oder von anderen Ausbildungskonzepten, da sind wir schon gut. Und das spürt man auch. Und wenn ich jetzt schau was unsere Gesellen und Meister draußen in der Werkstatt alles draufhaben, also das sind tolle Leute."
Das heißt die Tatsache, dass Sie selbst so viel ausbilden, ist letztlich eine Form der Qualitätssicherung.
"Anders wäre es nicht möglich. Weil ich kann nur die besten Leute brauchen, die ich kriege, und ich versuche, mir die selber zu ziehen. Oder wir versuchen das im Team. Da hilft auch jeder mit, das ist unsere Firmenphilosophie. Und das funktioniert sehr gut. Wir haben eigentlich immer einen Praktikanten bei uns, weil ich finde, das zur Verfügung stellen von Praktikumsplätzen ist essenziell wichtig, weil viele junge Menschen ja gar nicht wissen, was wir tun und wenn du denen nicht die Möglichkeit gibst, ein, zwei, drei Wochen da reinzuschnuppern und die mal sehen, dass Handwerk nicht nur Knechtschaft ist, sondern dass das eine hohe Kreativität in sich trägt und wie man zusammenarbeitet, wie so ein Team funktioniert, wie einer für den anderen verantwortlich ist. Und dass am Schluss nur das Ergebnis zählt, also das ist schon was Schönes."
Wie unterscheiden sich denn die Betriebsabläufe zwischen dem traditionellen Schmieden noch vor 100 Jahren und heute? Also wie hat sich das Kunstschmieden weiterentwickelt?
"Das ist glaube ich wie in unserem ganzen Leben. Du musst immer mehr können. Du musst immer mehr lernen. Du musst vielfältiger sein. Du fängst mit dem Schmieden an, du stehst am Amboss und haust mit einem Hammer auf verglühendes Metall drauf, du musst aber genauso eine CNC-gesteuerte Fräse bedienen können. Du musst dich mit Ladungssicherung auseinandersetzen, wenn du irgendwohin fährst. Du musst vielleicht irgendwann einmal in einen 3D-Druck hineingehen, der ja jetzt eigentlich mit dem Kunstschmieden gar nichts mehr zu tun hat, aber auch das sind Techniken, die wir mittlerweile schon zum Modellbau nutzen, dass du was visualisieren kannst. Du musst die ganze EDV beherrschen, wir konstruieren in 3D und das sind Sachen, die hat es vor 20 Jahren gar nicht gegeben. Aber wenn du nicht mitwächst… Aber deswegen darfst du die alten Techniken auch nicht vergessen, deswegen musst du letztendlich trotzdem noch ein Grabkreuz schmieden und das schmiedest du wie vor hundert Jahren."
Sie sagten vorhin, die Lehrlinge sehen hier vielleicht zum ersten Mal, dass Handwerk nicht nur Knechtschaft bedeutet. Wie ist denn Ihrer Meinung nach die Wertschätzung gegenüber Handwerk heute, also wie reagieren die Leute zum Beispiel auf Ihren Beruf?
"Da gibt's jetzt immer eine Innenansicht und eine Außenansicht. Ich persönlich habe ja meine Haltung zum Handwerk schon jetzt episch breit erklärt. Aber natürlich, wenn du vom Handwerk sprichst, kommt dir entgegen, ja Handwerk ist unverschämt, sie sind unpünktlich, sie murksen, und sie verkaufen ihre Dienstleistungen oder ihre Ware viel zu teuer. Und das ist für mich einfach, ja, fast eine Verunglimpfung. Und ich sehe es einfach komplett anderes. Natürlich gibt es schwarze Schafe…"
Wie schaut es denn konkret beim gestaltenden Handwerk aus? Gibt es da auch oft Diskussionen um die Preisgestaltung?
"Wie definiert sich ein Preis? Also ich muss sagen: Meine Leute sind Spitzenleute und sind jeden Preis wert. Und trotzdem pendelt sich bei uns die Arbeitsstunde so zwischen 60 und 70 Euro ein von einem Meister, von einem Gesellen vielleicht bei 55 bis 65. Wenn ich in eine Autowerkstatt gehe, dann zahle ich 120 Euro. Aber das Auto ist ein Statussymbol, man schönt das mit Arbeitseinheiten. Man kommt nicht auf einen richtig optischen Wert. Wenn ich zum Rechtsanwalt gehe, weil ich ein Problem habe, dann zahle ich 250 Euro in der Stunde. Der braucht ein Regal voll Bücher vom Beck-Verlag und einen Laptop. Wir haben eine Werkstatt mit 300 Quadratmetern oder 400 Quadratmetern. Wir haben schwere Maschinen, die gewartet werden müssen, wir haben einen Fuhrpark, der erhalten werden muss. Im Endeffekt ist das Handwerk viel zu billig für das, was es tut. Und du wirst aber diffamiert, dass du immer zu teuer und nicht anständig bist und das stimmt halt nicht. Und das ist etwas, was mich wirklich traurig macht, dass sich so etwas so festsetzt. Und auch diese Wertschätzung, die man ein Handwerker gegenüber hat, die ist, wenn man ihn braucht, dann ist er ja ganz gut, aber ansonsten hält man lieber Abstand. Also da gibt es schon einen sehr großen Bruch zwischen einem Akademiker und einem Handwerker und auf Augenhöhe ist das nicht. Sollte es aber sein."
Also es gibt offenbar viel Unwissenheit und Erklärungsbedarf, was alles dahintersteckt, bis es dann so ein handwerklich gefertigtes Produkt mal so dasteht, wie es ist.
"Jeder weiß, jeder kann rechnen, jeder holt sich 50 Angebote für irgendeinen Schmarrn und der Billigste kriegt den Zuschlag und der Billigste soll nachher der Beste sein. Also das funktioniert halt nicht. Wenn ich eine gute Arbeit will, dann muss ich sie halt bezahlen. Und keinem wird was geschenkt. Und keiner kann zaubern. Und jeder kocht mit Wasser. Und wenn ich etwas reinstecke, dann bringe ich was raus."
Haben Sie denn daran anknüpfend konkrete Wünsche an die Politik?
"Dass sie einmal ihre Vergaberegeln überarbeiten. Und dass nicht immer der Billigste den Zuschlag kriegt, sondern dass man irgendwo einen Mittelwert raus tut. Das wäre viel ehrlicher. Es würden keine solchen Kostenexplosionen bei Baustellen passieren. Wenn man sich die Mühe machen würde, genau hinzuschauen, wen man beauftragt, dann glaube ich wäre es viel einfacher."
Könnten wir zum Abschluss vielleicht noch einen kleinen Rundgang durch die Werkhalle machen und einfach mal schauen, an was dort gerade gearbeitet wird?
"Ja, jetzt wird nicht mehr gearbeitet. Aber hier machen wir gerade einen Baum. Gestern ist er noch gestanden, heute ist er gefällt. Das wird ein Grabmal für eine Münchner Familie, die sich im Waldfriedhof mit einer Skulptur verewigt. Und irgendwie haben wir uns dann auf so einen Baum einigen können. Und da wurde ein Modell gebaut. Dann war eine lange Diskussion auch mit dem Grabmalamt, ob man so etwas aufstellen kann oder nicht. Letztendlich waren die sehr froh, dass einmal eine zeitgenössische Skulptur wieder auf einen Friedhof kommt und haben somit die ganzen Friedhofsregeln außer Kraft gestellt, damit man das machen kann. Und so etwas ist dann schon auch schön, wenn halt so was dasteht, das machst du einmal. Der ist 2,50 Meter hoch und hat ein Blätterdach aus 450 Blättern, die alle jetzt unterseitig vergoldet werden, also, wenn er mal steht, das wird eine Schau.
Direkt daneben ist jetzt eine große Toranlage aus Eisen mit einer statischen Konstruktion aus schweren Profilen. Da war die Aufgabenstellung vom Bauherren, dass er eigentlich ein geschlossenes Tor haben will, dass einen Sichtschutz bietet, aber das nicht wie eine Wand ausschauen soll. Und somit haben wir jetzt nach verschiedensten Versuchen so Lamellen entwickelt, die gespalten sind, wo der Rundstab durchgeht und die ich jetzt dann individuell einstellen kann. Also jetzt kann ich es noch drehen, und der Bauherr, wir stellen die Anlage dann draußen im Hof auf und dann kommt er vorbei und dann können wir durch Drehen der Lamellen die Intimität herstellen, die er braucht, also die Durchsichtigkeit oder diese Geschlossenheit. Die kann man dann exakt einstellen, und dann wird es fixiert. Und das ist eigentlich eine super Idee, eine super Arbeit und ich freue mich schon, wenn es mal steht.
Das da bauen wir zusammen, das wird fertiggemacht. Ein Portal von Christkönig, also das ist ein Kirchenportal, das ziemlich kaputt war. Und das haben wir jetzt komplett zerlegt, haben wir andere Füllungen eingebaut. Pressspanplatten waren da drin verbaut, die gequollen sind und das alles gesprengt haben. Da haben wir jetzt gescheite harzgetränkte Schichtstoffplatten eingebaut, also das hält jetzt die nächsten 60, 70, 80 Jahre, ohne dass es irgendwas sprengt. Und wird nach einem Urlaub dann eingebaut werden.
Unsere Werkstatt, die wandelt sich von Woche zu Woche, also je nachdem was reinkommt, und schaut auch immer anders aus. Wird ja dann umgestellt, wird umbaut. So wie wir halt das gerade im Moment brauchen, da ist schon eine hohe Dynamik drin."
Also die Auftragslage scheint zu stimmen.
"Gott sei Dank."
Wie sehen Sie denn grundsätzlich so die Zukunft des Kunstschmiedes? Sie haben ja einfach mit den Leuten Kontakt, die das jetzt wollen und machen. Aber grundsätzlich?
"Es ist schon so, dass man sagen muss, ich weiß nicht, wo die Zukunft der handwerklichen Arbeit liegt. Ich hoffe, dass wie gesagt, dem Handwerk wieder mehr Wertschätzung entgegengebracht wird. Aber richtig sehen tue ich es im Moment nicht. Auf der anderen Seite denke ich mir, das, was wir an Wissen bei uns im Betrieb vereinigen, das was wir haben, das kann ja keiner mehr. Also insofern hast du irgendwann ein Alleinstellungsmerkmal und wirst sicher gebracht werden."
Also die Auftragslage stimmt, weil es einfach nicht mehr viele gibt, die es anbieten.
"Ja... Jeder sucht sich sein Gegenüber. Aber ich denke, für Leute, die was Wertiges, Schönes haben wollen und die genau hinschauen und die auch die Qualität noch beurteilen können, die kommen irgendwann zu dir, also die finden dich dann schon. Und was man schon sagen muss, die Ausbildung dahin, das, was Sie vorher gesagt haben ja, wie erkennt man denn die Qualität. Ja, da muss ich sowas einmal gemacht haben, oder ich muss mich damit auseinandersetzen, wenn ich mich damit nicht auseinandersetze, dann werde ich es nicht erkennen können. Das ist genauso wie wenn ich zum Schumacher gehe und mir einen Turnschuh aus China kaufe, der zusammengepappt ist, oder wenn ich mir einen Maßschuh kaufe und dann mal sehe wie man eine Sohle näht, wie man sowas macht, wie sowas aufgebaut wird. Wenn ich mich damit nicht auseinandersetze, werde ich immer Turnschuhe tragen."
Sie haben ja offenbar auch genug Lehrlinge. Also es gibt junge Menschen, die das doch immer noch schätzen, lernen wollen. Das ist ja auch eine harte Ausbildung, ist auch körperlich anstrengend, man muss sich damit auseinandersetzen, dass andere das überhaupt nicht verstehen, was man da tut.
"Ja gut, aber ich meine, eine harte Ausbildung heißt ja nicht, dass es keine schöne Ausbildung ist. Und wenn ich mir unsere Lehrlinge manchmal anschaue, wenn sie kommen, der irgendwie so ein Strich in der Landschaft ist. Und nach drei, vier, fünf Jahren steht da ein Mann da, mit so einem Kreuz, der Stolz ist auf das, was er kann. Also besser geht es nicht. Lehrlinge haben wir genügend, also wir haben wirklich viele Anfragen, ob das jetzt auf die Praktika zurückgeht, die wir anbieten, weiß ich nicht. Oder ob es vielleicht auch ein bisschen der Ruf ist, den wir schon haben mit der Ausbildung, aber die kommen ja weit her. Aber letztendlich, ich meine wir haben so einen schönen Beruf. Es ist kein Wunder, dass da Leute sind, die sich dafür interessieren. Und es liegt natürlich schon auch an dir als Betrieb, welchen Anspruch du hast, was du für Arbeiten reinbringst. Wenn ich nur kilometerweise Balkongeländer schweiße, ja, das ist für einen jungen Menschen auch nicht attraktiv. Der braucht schon ein bisschen was zum Sehen. Und ja: Wir haben den schönsten Beruf."
Urs Langenbacher, Lautenbauer, Füssen
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"Ich heiße Urs Langenbacher, bin Zupfinstrumentenmachermeister, blödes Wort, arbeite in Füssen, baue als Neubau vor allem Konzertgitarren, Mandolinen und Lauten; befinde mich hier an einem für meinen Beruf wirklich interessanten Ort, der auch geschichtlich eine große Bedeutung hat und genieße das eigentlich auch, auf Basis dieser Tradition hier arbeiten zu können. Ich teile mir die Werkstatt mit dem Geigenbaumeister Pierre Chaubert, also insgesamt sind wir zu viert hier in der Werkstatt, die Geigenbauer zu dritt, und ich für mich alleine und hab die Werkstatt jetzt seit 25 Jahren und fühle mich hier sauwohl in Nähe der Berge, ringsherum die Seen und kann mir es anderswo nicht besser vorstellen eigentlich."
Füssen es ja ein ganz wichtiges Zentrum für den Lautenbau gewesen, historisch. Warum wurden denn gerade hier so viele Lauten gebaut?
"Das ist gleich eine Frage, die in die Vollen geht. Da bleibt mir gar nichts anderes übrig, als ein bisschen auszuholen. Also grundsätzlich befinden wir uns hier an einem Ort, wo es die Rohstoffe für unser Handwerk eigentlich auch im Mittelalter zuhauf gab. Es war auf jeden Fall ein Landstrich, in dem von der Landwirtschaft zu leben immer schon schwierig war. Also Füssen ist die höchstgelegene Stadt Deutschlands, also wir liegen auf 830 Metern. Die Vegetationsperiode ist relativ kurz. Es ist relativ niederschlagsreich, und es war nie einfach, sich in dem Landstrich von Agrarischem über Wasser zu halten. Und ganz typisch ist wie in vielen anderen Regionen, wie jetzt im Schwarzwald oder auch im Fichtelgebirge, dass man versucht hat, sich im Winterhalbjahr mit anderen Betätigungsmöglichkeiten über Wasser zu halten. Ich denke, das ist der Grund dafür, warum so ein Handwerk dann auch Fuß fassen kann.
Füssen hat einen ganz wichtigen Standort an einer der Hauptverkehrsrouten zwischen Norditalien und damals der Metropole Augsburg. Also wir liegen an einer der alten Römerstraßen dieser Via Claudia Augusta über den Reschenpass und dann über den Fernpass nach Augsburg und das hat auf jeden Fall die Möglichkeiten eröffnet auch Waren, die hier entstanden sind, ohne Probleme sowohl in Richtung Süden oder in Richtung Norden weiter zu transportieren. Dann war Füssen deshalb ein wichtiger Ort, weil er eigentlich die erste Möglichkeit geboten hat, Waren vom Übergang über die Alpen dann mit einem Floß weiter zu transportieren, also Füssen war so ein Umschlagsort, der auch Stapelrecht hatte, also ab Füssen, ab dem Lechfall, der lechaufwärts hier liegt, war es dann möglich mit dem Floß in Richtung Augsburg, letztendlich dann über Regensburg, Passau, Linz bis nach Wien, also letztlich gab es Waren, die bis nach Budapest gelangt sind von hier. Damit war das praktisch die mittelalterliche Autobahn zumindest in Richtung Norden. Und der Warenverkehr, den darf man sich auch wirklich leistungsfähig vorstellen. Also man denkt immer, die Alpen wären damals unüberwindbar gewesen, das war sicher nicht so. Es gab ein ausgeklügeltes Transportsystem in beide Richtungen. Und wenn halt zum Beispiel als berühmtestes Handelsgut aus den Gegenden hier so Barchent, also so Baumwoll- und Leinengewebe über die Alpen nach Norditalien kamen, dann kamen ganz sicher auch entweder die Instrumente als Ganzes, aber noch viel wahrscheinlicher auch die Halbwaren oder Bestandteile von Instrumenten nach Norditalien in Werkstätten, die dort entstanden waren, nachdem Füssener hier ausgewandert sind. Und das ist eigentlich der springende Punkt, dass das Handwerk hier entstanden ist, das ist erstmal kurios an so einem Ort, weil hier garantiert kein … also hier waren nicht die Musiker, die Instrumente gefordert haben, sondern hier waren die Rohstoffe, die Transportwege. Hier waren zeitweilig auch die kulturell aktiven Herrscher, also zum Beispiel Kaiser Maximilian hat über 30 Mal hier in Füssen seine Sommerresidenz gehalten und war vom Fürstabt in Augsburg, vom Fürstbischof, eingeladen aufs hohe Schloss und hat hier seine Sommerresidenz gehalten und hatte nachweislich auch eine Kapelle in seinem Gefolge und hat mit den kulturell Wichtigen seinerzeit hier konferiert, also Kirchheimer und Dürer. Also Dürer ist ein ganz besonderes Thema, weil Dürers Schwiegervater war ein Lautenbauer aus Füssen, das ist zum Beispiel auch ganz interessant."
Sie hatten erwähnt, dass hier in der Umgebung die benötigten Rohstoffe zu haben waren. Was genau braucht man denn, was hier so reichlich vorhanden ist, um gute Gitarren, Mandolinen und Lauten zu bauen, was Sie ja tun.
"Also das Entscheidende sind auf jeden Fall die Hölzer. Ganz wichtig ist, egal ob man jetzt Geigen baut oder Harfen baut oder jetzt eben meine Sparte, dass man Nadelhölzer in wirklich Top-Qualität finden kann. Und das ist eigentlich grundsätzlich in alpinen Räumen, also mit hoher Wachstumslage, mit den Fichten hier in der Gegend möglich. Und wenn ich jetzt zu einem Holzhändler gehe und nachfrage, wo der das Material herhat, also da finde ich zuhauf Fichten, die auch irgendwo aus dem Ammerwald stammen, also auch aus unserer direkten Umgebung. Und bei mir persönlich ist so, dass für mich der Wiebke-Wirbelsturm 1993 entscheidend war, weil da habe ich mit einem Freund zusammen am Geiselstein, also letztlich 15 Kilometer Luftlinie von hier, beim Klettern so eine Hochlage entdeckt, wo der Windwurf eine ganz interessante Lage umgeworfen hat. Und das konnten wir dann zwei Jahre später, als das endlich abgeräumt wurde und mit einer Seilbahn erschlossen wurde, konnten wir uns da das raussuchen, was für unsere Zwecke in Frage kommt und davon zehre ich eigentlich bis heute. Also ich verwende vor allem die eigene Fichte direkt hier aus dem Ammerwald und darüber hinaus war historisch für die Muscheln der Lauten die Eibe von besonderer Bedeutung. Und das Interessante an dem Rohstoff ist, dass es auch schon früh ziemlichen Streit um den Rohstoff gab, und zwar vor allem deshalb, weil man diese Eibenstecken, hat man es damals genannt, also das waren so die armdicken Eibenäste möglichst ohne Verzweigungen, die konnte man nicht nur für unseren Zweck sehr gut gebrauchen, um Lautenspäne daraus zu schneiden, sondern die waren auch sehr gesucht für die Rüstungsindustrie der damaligen Zeit, also man hat diese Stecken zu Zehntausenden nach England vor allem verkauft für die Langbogen-Herstellung."
Warum genau sind denn die Bäume, die in großer Höhe wachsen im Alpenvorraum, warum sind die denn so geeignet als Klanghölzer? Warum gerade die?
"Also ganz grundsätzlich ist es so, dass Material, das unter kargen schlechten Bedingungen gedeiht, grundsätzlich von seiner Struktur wesentlich enger, also vom Zellabstand, von der Jährigkeit, wesentlich engjähriger dann wächst, dadurch eine große Festigkeit hat. Aber es bedeutet natürlich nicht, dass jeder Baum, der hier wächst, auch gleich für unsere Zwecke geeignet wäre. Es ist natürlich auch wichtig, dass der Faserverlauf im Stamm für unsere Zwecke passt, es sollte halt kein drehwüchsiger Baum sein, er sollte nicht im Wind ausgesetzt sein, wenig Harzgallen haben und wenig äußere Schäden. Aber es gibt schon Lagen, die allein aufgrund ihrer Lage schon mal interessant sind und versprechen, gutes Material zu bieten."
Und was genau zeichnet die Eibe aus, dass die für den Lautenbau so geeignet ist?
"Also die Eibe ist ein ganz eigenartiges Material. Sie ist einerseits leicht, andererseits extrem langfaserig, elastisch und hat eine ungeheure Spannkraft, und das macht sie auch so exzellent biegbar. Und sie bleibt dann auch in der Form gut stehen. Sie hat eine ganz dichte Struktur, also kaum Poren. Sie wird auch zum Beispiel von Möbelbauern für die Furnierung von Möbeloberflächen immer als leicht polierbar und gut polierbar beschrieben. Und das spielt uns alles in die Hände. Und für den Streitbogenbau, also für die Waffenherstellung, sind im Grunde genau diese Eigenschaften auch wichtig. Es geht vor allem darum über die Wurfarme einen großen Impuls in elastisches Material zu bringen und damit halt einen Pfeil möglichst weit zu schießen."
Wie sind Sie denn zum Instrumentenbau gekommen? Warum haben Sie sich für diesen Beruf entschieden und dann auch eine Ausbildung gemacht?
"Immer schwierig, da eine klare Antwort zu finden. Da spielen doch, denke ich mal, bei jedem nicht ein großes Kalkül eine Rolle, sondern viele Zufälle, die da mitreinspielen. Also Musik habe ich schon früh gemacht, sogar zeitweilig daran gedacht, das vielleicht mal zum Beruf zu machen, es war dann aber schon klar, dass ohne mehr Einsatz das nicht möglich ist. Mit Holz hatte ich auch schon immer in einer elterlichen Bastelwerkstatt zu tun, das hat mich immer interessiert. Und entscheidend war wahrscheinlich, dass ich einen Gitarrenlehrer hatte damals, der sich selber auch sehr für den Bau interessiert hat und mir da so manche Informationen zugespielt hat. Und dann war es letztendlich einfach die Entscheidung, diese Aufnahmeprüfung an der Staatlichen Fachschule in Mittenwald für Geigenbau und Zupfinstrumentenmacher einfach mal zu probieren. Und das hat geklappt, und damit war es für mich auch entschieden. Aber ich hätte mir auch ganz was anderes vorstellen können. Also so ehrlich muss ich schon sein, und dann wächst man letztendlich mit dem Interesse, was man eh schon hat, wächst man da immer tiefer rein. Und eigentlich ist unser Fach ein gutes Beispiel dafür, dass es sich nicht irgendwann erschöpft, sondern je näher man den Objekten kommt, desto interessantere Fragen tun sich auf. Also ich glaube, mir wird es in Zukunft nie langweilig werden. Und ich glaube, der Erfahrungsschatz, den man sich da im Lauf der Jahre zusammenträgt, auf den kann man aufbauen. Und der macht es eigentlich nur interessanter. Also da bin ich heilfroh, dass ich jetzt nicht Elektroniker bin, der, wenn er sich mal eine Zeit lang nicht mehr um alles Neue kümmert, dann irgendwie ins Hintertreffen gerät, sondern ich habe das Gefühl, da bin ich auf der sicheren Seite."
Was bedeutet Ihnen denn die Arbeit mit den Händen? Also welche Werte verbinden Sie mit Handwerk?
"Ich finde, das ist eigentlich der der Kern der Sache. Wenn man daran nicht auch Spaß hat, dann würde man, glaube ich, den Beruf auch gar nicht machen wollen. Und für mich ist eigentlich ein Punkt, ein ganz entscheidender: Es gibt eine Publikation von Richard Sennett, das finde ich einfach einen ganz interessanten Mann, weil er recht provokativ zum Beispiel auch zur Sprache bringt, das in unserer heutigen Welt die praktische Intelligenz irgendwie Gefahr läuft, ins Hintertreffen zu geraten oder gar nicht mehr richtig wertgeschätzt zu werden. Und ich habe selber so ein paar persönliche Erlebnisse, an denen ich einfach gemerkt habe, man kann nicht alles verschult oder verhochschult weitergeben und tradieren. Wir hatten hier mal eine Restauratoren-Konferenz, hatten die auch eingeladen in unserer Werkstatt und haben verschiedene Vorträge gehört. Und da war zum Beispiel einen Vortrag: die Rekonstruktion eines Drehleier-Steges auf einem historischen Instrument. Und der Vortrag war exzellent ausgeführt, hervorragend bebildert, schlüssige Überlegungen und irgendwie beeindruckend. Und dann sagt ein damaliger Mitarbeiter von uns, der selber Drehleier spielt, das ist völliger Schmarrn, was die da erzählt, weil der Steg steht falsch rum. Wenn derjenige Drehleier spielen würde, würde er merken, dass das so rum gar nicht funktioniert, weil man das Rad andersrum dreht und die Schnarre funktioniert nicht. Und das war für mich so ein Zeichen, dass es einfach wichtig ist, auch das Metier aus der Praxis zu kennen oder vielleicht auch wirklich praktische Erfahrungen im Umgang mit einzelnen Arbeitsschritten zu haben, um daraus resultierend einfach zu wissen: Nein, das muss vom Arbeitshergang anders gelaufen sein und nicht falsche Schlüsse zu ziehen. Also ich finde es auch richtig interessant, sich alte Instrumente mit Kollegen, Handwerkern anzuschauen, die einfach sagen ja, das ist mir aber klar, warum da jetzt von der Säge Bearbeitungsspuren sind, weil wir das immer so machen, wie die das in Frankreich gemacht haben, dann hat man das vielleicht mit Außenform und nicht mit Innenformen…. also es gibt oft ganz praktische, handfeste Gründe, warum in manchen Regionen, was so passiert ist und in anderen Regionen anders. Und wenn man da nicht nahe dran ist, dann kann man auch als studierter Fachmann da schnell in die Sackgasse laufen und völlig falsche Schlüsse ziehen.
Aber grundsätzlich habe ich es, glaube ich leicht, mit meiner Art Arbeit auch Wertschätzung zu finden. Also jetzt da so ein Instrument mit einer handgestochen Rosetta und vergoldet und so viele Saiten drauf und so leicht und trotzdem hält es den Zug aus… Ich glaube, dafür Bewunderung zu finden, ist relativ leicht. Aber zum Beispiel für exzellent gemachte, wirklich handwerklich top gemachte Möbel Wertschätzung zu finden, wo es industrielle Massenware gibt, die vielleicht auf den ersten Blick sogar ähnlich wirkt und nur im Detail wirklich die überlegene Arbeit zu sehen ist, glaube ich, da fällt es viel schwerer, die Wertschätzung dafür zu bekommen."
Wie grenzen Sie ihre Arbeiten denn von der industriellen Fertigung ab? Also wo setzen Sie vielleicht noch mal eigene Akzente, um den Unterschied auch noch größer zu machen?
"Das ist gar nicht so leicht zu beantworten, weil ich glaube, für jemanden, der jetzt die Sensibilität gar nicht mitbringt, den Unterschied auch wirklich selber zu spüren, für den ist oft gar nicht offensichtlich oder gar nicht deutlich, da einen Unterschied überhaupt zu haben. Also ich würde das jetzt in der Beratung auch wirklich so als Grundlage sehen, jemandem überhaupt was Handgemachtes nahezulegen. Also wenn ich dem gute Serien-Instrumente zeige und er eigentlich da schon Schwierigkeiten hat, den Unterschied zu was Einfachem wahrzunehmen, dann würde ich auch sagen, dann ist es eigentlich unnötig, sich was von Hand bauen zu lassen. Wobei ich es natürlich gern machen würde, klar."
Und wo ist denn bautechnisch betrachtet wirklich der größte Unterschied?
"Also der Unterschied liegt eben gar nicht in offensichtlich bautechnisch Erkennbarem. Letztlich sieht eine Gitarre, die ich gebaut habe, nicht so viel anders aus als eine, die ich auch von der Stange kaufen kann. Als ich denke es geht da um viel mehr, also als erstes Kriterium fällt einem vielleicht immer Lautstärke ein oder Durchsetzungsfähigkeit oder solche Dinge. Ich glaube, es geht um ganz anderes, wenn man sich was von Hand bauen lässt, also rein von der Lautstärke, unterscheiden sich meine Instrumente jetzt nicht grundlegend von einem Serien-Instrument, von einem guten. Es geht vielmehr darum, wenn ein Musiker das als Ausdrucksmöglichkeit für seine musikalische Expression braucht, dann tut es ihm natürlich gut, wenn er eine große Palette verschiedener Farben leicht zugänglich hat. Also wie ein Maler, der auf einer Palette viele Nuancen mischen kann. Und darin zum Beispiel unterscheidet sich so ein handgemachtes Instrument am ehesten von einem, des jetzt aus der Serie kommt und mit weniger Sorgfalt gebaut ist. Oder auch die leichte Zugänglichkeit dieser Palette verschiedener Farben, also dass er mit wenig Anspiel Stellenänderungen, nur mit Anschlags-Richtungsänderung, mit Nageldrehung und so schon eine große Bandbreite verschiedener Farben realisieren kann. Und es funktioniert halt bei einem trägeren Instrument, was steifer ist einfach lange nicht so gut."
Woran liegt das denn? Was ist denn da der Unterschied, dass das bei Ihren Instrumenten bessergeht?
"Eigentlich geht es darum, dass die Decke sensibler auf die unterschiedlichen Schwingungsformen der Saite auch reagiert. Das ist eigentlich der Hauptunterschied, praktisch gesprochen."
Also auf jeden Fall ist es wichtig, dass man auch selbst schon mal das Instrument gespielt hat, einen Zugang zu Musik hat, zumindest so weit, dass man über Klang mit dem Musiker sprechen kann. Machen Sie Musik? Was spielen Sie für Instrumente? Spielen Sie denn dann auch alte Musik?
"Also ganz grundsätzlich ist es auf jeden Fall ein großer Vorteil, wenn man auf den Instrumenten selber auch zu Hause ist und damit umgehen kann. Also alleine aufgrund der Bandbreite von den Sachen, die ich jetzt mache, ist mir das echt gar nicht möglich. Also ich komme von der Gitarre und habe ursprünglich klassische Gitarre gespielt, aber ich muss auch zugeben, dass ich seit ich hier die Werkstatt in Eigenregie führe, wenig Zeit dafür aufwende. Also ist nicht so, dass ich nicht auch was drauf könnte. Aber wenn ich abends heimkommen, mache ich oder habe ich lieber Quatsch mit meinen Kindern gemacht, als noch Gitarre zu üben, wenn ich eh den ganzen Tag damit zu tun hatte. Aber es tut gut, die Sachen besser zu kennen. Das lässt mir auch Gitarre näherliegen als jetzt eine Laute, Lauten kann ich nicht wirklich gut bedienen, muss ich so ehrlich sein. Aber noch wichtiger finde ich, dass man Musiker um sich herumhat, die man einschätzen kann, die man langjährig kennt, die auch bereit sind, mal zu einem Vergleichstest vorbeizuschauen, die vielleicht selber auch ein Interesse daran haben, weil sie sich selber dafür interessieren. Weil dieses Zuhören und Zuschauen, was kommt bei dem Zuhörer an, und das Fachsimplen, das finde ich fast noch fruchtbarer als jetzt nur was alleine bedienen, weil auch meine Ausdrucksmöglichkeiten wären ja dann auch nur begrenzt und andere gehen wieder ganz anders damit um. Also ich muss schon so ehrlich sein, dass erst gute Musiker mir überhaupt zeigen, was in so einem Instrument alles drinsteckt, ich wäre gar nicht in der Lage, das alles da rauszukitzeln."
Was unterscheidet denn eine Laute eigentlich von der Gitarre, nur damit man mal so einen Eindruck davon bekommt, was da bautechnisch eigentlich so alles dahintersteckt, hinter so einem Instrument.
"Also ganz offensichtlich äußerlich hat eine Laute halt eine ganz andere Form. Also Gitarre denke ich, wird jeder kennen, in so einer Acht-Form des Korpus. Eine Laute hat eine birnenförmige Deckenform und vor allem eine nahezu halbrund gestaltete Rückseite, also die Muschel, wie wir es nennen. Je größer die Korpusgröße wird, desto weniger ist die Rückseite halbrund. Also eigentlich haben die wenigsten Lauten, wirklich nur ganz archaische Modelle haben wirklich einen halbrunden Querschnitt. Aber diese Muschel kommt dadurch zustande, dass man im Grunde ähnlich wie beim Orangenschälen, im Grunde Schnitze, also Streifen, gebogen werden, erstmal in der passenden Form, dann zugeschnitten und aneinander geleimt werden, also Streifen für Streifen und sich dadurch die Form ergibt. Eine Laute hat im Gegensatz zur Gitarre vor allem den Unterschied, dass die Saitenspannung viel geringer ist als bei der Gitarre. Also bei dieser Renaissance-Laute, die ich jetzt auf den Tisch liegen habe, hat die Chanterelle, die höchste Saite, die einzeln bezogen ist, hat dreieinhalb Kilo Zug, und die anderen sogar noch weniger, also die Bässe zum Teil dann nur 2,6 oder 2,8. Bei einer Konzertgitarre bewegt sich der Zug einer Saite zwischen sechs und sieben Kilo. Dadurch ist natürlich der Impuls, den man auf das Instrument geben kann, bei einer Laute wesentlich geringer. Der Gesamtzug ist vergleichbar, weil ich bei einer Laute durch die Doppelchörigkeit, also dadurch, dass man eigentlich zwei Saiten jeweils miteinander anschlägt, habe ich dann doch eine ziemliche Summe, wenn ich die Züge zusammenrechne. Aber der Einzelimpuls einer Saite ist sehr gering, und deswegen kann das akustisch nur gut funktionieren, wenn die Materialstärken der Decke dünn genug sind, also die Membran, die ich da antreiben will, auch leicht genug anregbar. Dass das Ganze dem Zug überhaupt standhalten kann, das erreiche ich dadurch, dass auf der Innenseite der Decke, also innen im Korpus eine Vielzahl an Querleisten unter der Decke in Querrichtung verlaufen, die das Ganze stabilisieren. Also irgendwie muss ich es halt schaffen auf eine Fichtendecke, die um den Steg um nur 1,7 oder 1,8 Millimeter Stärke hat, daran 50 Kilo, also einen Zementsack Saitenzug parallel zur Decke aufzuhängen über den Steg. Und das erreiche ich eben nur durch diese Versteifung."
Wie entsteht denn eigentlich so eine Laute?
"Also ganz grundsätzlich entsteht sie so, dass man zuerst diese Muschel baut, aus dünn geputzten Spänen, die sind nicht mal zwei Millimeter stark, dann schneidet man mit Schablonen die Streifen zu, biegt die und setzt die dann wie Schnitzel einer Orange aneinander. Und dann entsteht über einem massiven Lautenstock, der sieht im Grunde aus wie ein Leisten von einem Schuster, also eine Innenform, die massiv ist. Darüber entsteht dieser Korpus. Dann nimmt man den ab von dem Stock, daran wird ein Hals angesetzt. Der wird eben in meinem Fall mit einer Schraube verbunden. Früher hat man das geleimt und genagelt. Am Ende des Halses, also Richtung Kopf, braucht man immer einen Wirbelkasten, also eine Befestigungsmöglichkeit der Saiten, wo man die Saiten auch stimmen kann, mit Wirbeln. Der ist jetzt ganz typisch bei Renaissance-Lauten so geknickt nach hinten versetzt. Es gibt aber auch Instrumente, wo es einfach eine Verlängerung der Saiten bedeutet, also in Saitenrichtung weiter verlängert läuft. Das klanglich vor allem entscheidende ist dann das Bauteil der Decke, das sind im Grunde immer Fichtendecken bei Lauten. Die werden normalerweise spiegelbildlich symmetrisch in der Mitte zusammengefugt, also es gibt kaum eine Decke, die aus einem Teil gefugt ist, eher große Lauten sind auch aus mehreren Teilen zusammengefugt. Und die Materialstärken, die bringt man dann wirklich auch von Hand auf die endgültige Stärke von zwischen 1,5 und 2 Millimeter. Und das wird gehobelt auf einer flachen Fläche und anschließend die Verzierungen der Rosette geschnitten. Also wirklich aus dem Deckenmaterial geschnitten und dann in so ein Relief geschnitzt. Manchmal verziert man das dann noch mit einer Goldfassung, so wie jetzt in dem Fall. Und dann braucht man für die Saiten noch einen Steg auf der Decke, um die Saiten anzuknüpfen. Und dann haben wir die Bestandteile zumindest alle mal erwähnt. Das zieht sich dann doch über einen guten Monat Arbeitszeit hin, also mit Lackierung eher noch zwei Wochen mehr. Und in Summe bin ich ungefähr 160 Stunden daran zugange, bis das dann fertig ist."
Inwieweit entspricht denn die Laute wie Sie jetzt hier daliegt aus Ihrer Hand historischen Instrumenten, also in welcher Form ist sie mit den gleichen Werkzeugen gebaut, mit den gleichen Materialien? Und wo sind vielleicht schon Innovationen drin? Oder was haben Sie auch gemerkt ist viel besser anders zu machen als die Vorgänger vor Ihnen vor Hunderten von Jahren.
"Also ich denke die Art, wie ich das heute mache, unterscheidet sich gar nicht so sehr von dem, wie das damals entstanden ist. Also wir haben zum Teil wirklich die gleichen Werkzeuge. Klar, wir haben bessere Messmethoden, also Messuhren, um Materialstärken zu messen, ich denke, da hat man sicher in früherer Zeit viel mehr mit Fingerspitzengefühl und Erfahrung gelöst und kam aber auch zu guten Ergebnissen. Und dann ist sicher ein großer Unterschied, dass auch historisch, also bei dem, was jetzt in Füssen entstanden ist oder auch von ausgewanderten Füssenern in Norditalien entstanden ist, ganz viel aus vorbereiteten Bestandteilen gebaut wurde, den andere als Zulieferer übernommen haben. Also die Lautenspäne haben sie im Grunde so im Nebengewerk unserer Profession bereits vorproduziert gehabt. Also es gibt Nachweise über in Kisten transportierte Lautenspäne nach Norditalien oder sogar über bereits gestochene Lautendecken. Das bedeutet also Decken, die bereits die Rosette ausgestochen hatten, dass man die genauso in Kisten transportiert hat und exportiert hat. Sonst wäre es gar nicht möglich gewesen, dass zum Beispiel von 1583 das Inventar von dem Moises Tieffenbrucker in Venedig, das listet Materialien auf, die in seiner Werkstatt vorhanden waren. Und da waren über Tausend gestochene Lautendecken in seiner Werkstatt vorhanden. Also die hat er garantiert in seiner Werkstatt mit, wenn man die Größe betrachtet, vielleicht vier, fünf Gehilfen garantiert nicht selber gestochen. Der hat die aus der Heimat bezogen, hat die als Halbware bereits geliefert bekommen. Und deswegen würde ich trotzdem seine Arbeit aus diesen Bestandteilen exzellente Instrumente zu bauen, nicht dadurch abgewertet sehen. Im Gegenteil, also die Genialität daraus dann exzellente Instrumente zu machen, die Weltruf hatten zur damaligen Zeit, finde ich trotzdem eine grandiose Leistung."
Dann ist ja Ihre Art, die Instrumente jetzt zu machen, nämlich wirklich von Anfang bis Ende alles aus Ihrer eigenen Hand, das entspricht ja vielmehr dem Bild, was man heute von Handwerk hat, oder?
"Ja, vielleicht schon. Also ich glaube, dass das viel eher diesem romantischen Bild des sich selbst verwirklichenden Handwerkers entspricht. Also das war historisch sicher nicht zu allen Zeiten so, im Gegenteil. Die waren einfach sauclever, haben wirklich erfolgreich in Metropolen der damaligen Zeit grandiose Werkstätten geführt. Aber das ist ja auch klar, dass man in Venedig mit 34 Opernhäusern in der Stadt zu der Zeit natürlich besser ein Auskommen hatte mit der Profession als jetzt hier am nördlichen Alpenrand in einer Kleinststadt. Auch wenn es hier zur Blüte 20 Werkstätten gab, bei einer Einwohnerschaft von 2000 Bürgern. Das wäre ohne die Kontakte in die Ferne und auch die Absatzmöglichkeiten in die Ferne, wäre das nie auch hier in der Heimat erfolgreich gewesen. Und deswegen würde ich auch immer sagen, dass die Symbiose zwischen denen, die hier vor Ort tätig waren und denen, die in der Ferne tätig waren, das ist eigentlich der springende Punkt für den Erfolg beider Seiten. Die haben sich gegenseitig gebraucht."
Welche Rolle spielen denn trotzdem Innovationen in Ihrem täglichen Tun? Wie innovationsfreudig sind Ihre Kunden, was Bautechnik angeht, aber auch vielleicht Gestaltung? Wo geht es heute gar nicht mehr anders? Können Sie dann noch mal drüber reden, was ist jetzt doch modern an Ihren Instrumenten und warum ist das auch gut so?
"Also ich würde sagen, die Lauten sind kein so gutes Beispiel für die Innovationsfreude. Also ich mache schon einige Sachen anders als historisch, also früher hatten wir zum Beispiel Hals und Korpus miteinander verbunden, indem man da geschmiedete Nägel heiß eingeschlagen hat, um den Hals anzunageln, von der Korpus-Innenseite her. Ich verwende heute einfach Schrauben, ganz moderne Schrauben, um das zu bewerkstelligen, das ist sicher genauso stabil oder sogar besser. Aber das sage ich natürlich keinem, dass da eine Schraube drin ist und bei einer sehr traditionsbewussten Kundschaft würde ich da auch gar nicht so wert drauflegen. Aber ich hätte zum Beispiel kein Problem, jetzt auch in einem Lautenhals eine Carbon-Versteifung zu verwenden, wenn ich das Gefühl habe, dass es die Stabilität zusätzlich braucht. Auch wenn das vielleicht manch einer als Stilbruch oder Überschreitung einer Grenze sieht, die er nicht machen möchte. Aber bei den Konzertgitarren, die ich baue, kann man vielleicht schon eher davon reden, dass da einige neue Ideen drinstecken. Also zum Beispiel verwende ich an meinen Stegen grundsätzlich, wenn es der Kunde nicht anders wünscht, bewegliche Knochenreiter, mit denen man die Intonation am Steg ganz präzise einstellen kann und verwende keine festgelegte Stegeinlage. Oder was ich auch wunderschön finde, sind die Mechaniken, die mittlerweile von der Firma Scheller direkt hier in einem Nachbarort produziert werden, die alle beweglichen Teile kugelgelagert haben. Also da kostet dann so eine Mechanik, so viel wie eine normale, gute Konzertgitarre von der Stange, allein die Mechanik. Aber ich glaube, jemand der 7500 Euro für eine Konzertgitarre ausgibt, dem sind dann die 350 Euro Aufpreis für die Mechanik durchaus auch wert, außergewöhnliche Qualität zu kriegen, die einfach super funktioniert. Also bei den Konzertgitarren habe ich jetzt gar keine Skrupel, zum Beispiel Carbonstäbe im Hals zu verwenden, um den steifer zu gestalten, bei geringem Gewicht."
Sehen Sie sich denn so als Träger eines Kulturerbes? Sie sind ja nun auch explizit in Füssen tätig.
"Es ist natürlich ein großes Wort … ja man sonnt sich ja gern. Also ich finde es sehr schmeichelhaft, vielleicht einer derjenigen zu sein, die das hier weiterführen. Aber ich habe überhaupt kein Problem damit, auch so ehrlich zu sein und zu sagen: Es hat absolut mit Zufall zu tun, dass ich hier gelandet bin. Letztendlich hatte ich einen ganz anderen Arbeitsvertrag, der dann geplatzt ist. Und ein Freund von mir hat bei meinem Kollegen Pierre Chaubert, also bei dem Geigenbauer, gearbeitet als Geigenbauer. Und mit dem hatte ich Kontakt und der konnte sich vorstellen, einen Zupfinstrumentenmacher anzustellen und das alleine ist schon mal wirklich eine außergewöhnliche Situation. Und dann war ich sechs Jahre bei ihm Mitarbeiter und mit dem Umzug in unsere jetzigen Räumlichkeiten habe ich mich dann selbständig gemacht und wir führen jetzt halt gleichberechtigt, als gleichberechtigte Partner, unter einem Dach zwei Werkstätten. Und natürlich finde ich das toll, dass das hier Tradition hatte und man vielleicht auch dazu beitragen kann, das Bewusstsein zu befördern und hochzuhalten. Und allein in den 25 Jahren, die ich jetzt hier bin, hat sich das Museum so ungeheuer weiterentwickelt. Also als ich kam, gab es überhaupt nur einen Nachbau, ein Lauteninstrument in der ganzen Sammlung. Und heute ist es eine international beachtete und geschätzte Sammlung, die sich absolut sehen lassen kann zwischen den großen Instrumentensammlungen, also nicht nur Europas, sondern ich denke auch international. Und die Fachleute selber, denen ist Füssen durchaus ein Begriff, also nicht umsonst hat zum Beispiel die Deutsche Lautengesellschaft schon mehrere Male hier ihre Jahrestagung stattfinden lassen und unter anderem auch ein Jubiläum, und die fühlen sich einfach auch hier am Ort wertgeschätzt und gut aufgehoben. Und das ist für mich natürlich auch schön."
Wie groß ist denn der Austausch mit dem Ort oder mit dem Menschen vor Ort? Vielleicht auch mit anderen Handwerkern. Wird das gefördert, dass Sie hier ansässig sind?
"Also es ist auf jeden Fall auch im Interesse der Stadt begründet, dass wir jetzt hier in dem Gebäude unter dem wirklich großzügigen Dach des alten Kornspeichers mitten in der Altstadt, in der Fußgängerzone unsere Werkstatt haben. Zur Entscheidung: Also Pierres Mietvertrag lief aus, er wollte sich ohnehin neue Räumlichkeiten suchen. Für mich stand eigentlich an, mich damit auch selbständig zu machen und auch selber eine Werkstatt zu eröffnen. Und in dem Moment kam die Stadt auf uns zu und hat uns die Möglichkeit geboten, ob wir das hier nicht machen wollen. Und das war uns eigentlich viel zu groß. Und vor allem war es ein kaltes Dach, eigentlich nun ein Lagerraum von der Feuerwehr. Und wir konnten uns das gar nicht vorstellen, dass man das auch finanziell stemmen kann. Letztendlich gab es dann eine Menge Aufeinander-Eingehen, und wir haben das dann als Erbbaurecht zugestanden bekommen für eine lange Laufzeit und konnten dadurch dann auch die Finanzierung absichern und haben uns dann doch entschieden, dass fifty-fifty zu schultern und haben das in einem Jahr Umbauzeit zu dem gemacht was es jetzt ist und fühlen uns natürlich sehr wohl direkt im Herzen der Stadt. Und andererseits ist es gar nicht schlecht so bisschen abgehoben, nicht auf Straßenniveau die Werkstatt zu haben, sonst müsste man wahrscheinlich einen Tourismusbeauftragten am Tresen irgendwie beschäftigen, um dem Ansturm Herr zu werden, sonst käme man wahrscheinlich gar nicht mehr zum Arbeiten. Also ohne die Bereitschaft der Stadt und auch das Engagement der Stadt, also auch ich persönlich hatte eine Aussage vom damaligen Bürgermeister, dass sie auf jeden Fall alles tun werden, um mich am Ort zu halten, wenn möglich, weil es ihnen einfach auch wichtig wäre, die Profession am Ort irgendwie lebendig zu halten. Also wir haben schon zur Kommune einen guten Draht, also beinahe zu jeder Anschaffung, die hier fürs Museum anstand, waren wir irgendwie mit involviert oder beratend tätig. Also, wir haben auch an der Konzeption des Museums einiges mitgearbeitet. Der Pierre zum Beispiel hat einen Werdegang über die Entstehung einer Geige gebaut, ich das Gleiche für eine Laute, wir haben Filme gedreht, die so 15 Minuten das Entstehen eines Instruments zeigen. Wir haben Schautafeln zur Lackherstellung, wir haben Schautafeln zu den Rohstoffen, es gibt ein Display zur Saitenherstellung. Also es ist schon schön zu sehen, dass unser Handwerk auch als roter Faden genutzt wird, um durch die Stadtgeschichte zu leiten. Also ganz besonders grandios finde ich auch, dass es gelungen ist, mit der Stadt Cremona eine Kulturpartnerschaft ins Leben zu rufen und im Grunde ist Cremona seit, ich glaube es sind jetzt mittlerweile vier Jahre, Kultur-Partnerstadt der Stadt Füssen. Und auch Cremona hat überhaupt kein Problem damit, auch anzuerkennen und klar zu benennen, dass die Wurzeln ihrer Instrumenten-Tradition auf jeden Fall ganz irgendwo anders liegen. Und dass das einfach miteinander zu tun hat. Und diese Wurzeln reichen halt so weit zurück, dass es eher den Lautenbau betrifft. Letztendlich sind die gestrichenen Streichinstrumente eben erst 50 Jahre später auf den Plan getreten, deswegen war dann Cremona für die Entwicklung oder den Startschuss von den Instrumenten so entscheidend."
Jetzt lebt das Handwerk ja mit Ihnen weiter. Aber wie geht es später mal weiter? Also was kann man tun? Was tun Sie? Was wird um Sie herum getan dafür, dass es auch eine Zukunft hat?
"Das ist schwer vorherzusehen. Also interessant finde ich einfach: Als der Pierre 1982 seine Werkstatt in Füssen neu gegründet hat, gab es eine lange Pause von über 80 Jahren, wo es gar niemanden gab im Saiteninstrumentenbau. Und er war im Umkreis von ungefähr hundert Kilometern der einzige. Mittlerweile sind wir im Umkreis von hundert Kilometern, wir haben es letztens mal überschlagen nur die Leute, die wir jetzt kennen und uns sofort als Name im Kopf waren: Es waren, glaube ich, 36. Und ich glaube, dass unser Handwerk nicht Angst haben muss, auszusterben."
Abgesehen davon, dass man die Instrumente herstellt: Was gibt es denn überhaupt für Möglichkeiten letztlich auch die die Musik, die auf den Instrumenten gemacht wird, lebendig zu halten?
"Also ganz grundsätzlich haben wir immer auch Interesse daran gehabt, zum Beispiel für die Musikschulen vor Ort auch die Möglichkeit zu Führungen zu bieten. Also wir haben mehrere Lehrer, die das halt so auch als Jahreshighlight dann vielleicht als Ausflug organisieren. Es sind manchmal sogar Kindergartengruppen da, denen man das dann halt auf ganz niederschwelligem Niveau versucht nahezubringen. Und ich glaube, dass das immer seine Spuren hinterlassen wird. Also ich selber habe während der Zeit, die ich das mache, schon Beispiele von Schülern, die ich als junge Musikschul-Schüler kennengelernt habe, denen ich später ein handgebautes Instrument gebaut habe und die mittlerweile, also einer hat sogar eine Professur, die anderen sind studierte Musiker, haben zum Teil exzellente Abschlüsse geschafft, und ich konnte deren ganzes musikalisches Leben letztlich mit begleiten. So was ist natürlich schön, und ich glaube, man darf diesem Engagement auf niedriger Könnensstufe wirklich auch zutrauen, dass das Früchte trägt. Also ich glaube, die Begeisterung, die fängt früh an, und je früher sie anfängt, desto mehr kann daraus werden."
Wie schaut es denn mit dem Markt für Lauten eigentlich aus? Beziehungsweise Sie machen ja eben beides, die Konzertgitarren deutlich mehr auch als die Lauten, warum ist das so? Wie gut kann man von ihrem Beruf leben?
"Also ich würde sagen, von meinem Beruf kann man gut leben. Aber es ist für mich zum Beispiel auch nie wirklich zur Debatte gestanden, Mitarbeiter einzustellen, weil das, solange ich das alleine mache, alles ganz gut funktioniert. Aber wenn ich die Arbeit noch ranschaffen müsste, um jemanden bezahlen zu können, dann würde es nicht so leicht werden, da bin ich ganz sicher. Und grundsätzlich ist natürlich das Metier historischer Lautenbau was Besonderes, weil es da eigentlich als Serienware kaum Konkurrenz gibt. Also jemand, der so ein Instrument braucht und das in einer höheren Qualität haben möchte, der kommt eigentlich gar nicht drumherum zu einem Handwerker zu gehen und sich das machen zu lassen, weil die Stückzahlen sind einfach so gering, dass es für eine Serienproduktion kaum Sinn macht. Und bei den Konzertgitarren muss ich ganz klar sagen: Es gibt so viel gut gebaute Instrumente von Kollegen, da muss ich auch ganz klar sagen, vor 20 Jahren war es sicher noch ganz anders. Aber ich finde, es gibt eine Menge gut ausgebildete Leute mit guten Ideen, die wirklich auch neue Wege beschreiten und gute Ergebnisse haben. Das ist echt beeindruckend. Also ich glaube, da muss auch jeder, der irgendwie seinen Stiefel seit Jahrzehnten macht, einfach aufpassen, dass er nicht rechts überholt wird. Also das sehe ich fast so ein bisschen als Problem, dass man einfach immer wieder auch unterwegs sein muss und auch andere Dinge sehen muss und sehen, wo geht es hin? Was bauen andere? Und wo stehe ich da eigentlich? Also deswegen finde ich so Seminare und Meisterkurse an Hochschulen oder Gitarrenfestivals auch so interessant, weil es da oft dann zu Vergleichsspielen vor Publikum kommt, in größeren Räumen. Und da lässt sich dann überhaupt die Einschätzung der eigenen Arbeit überhaupt richtig realistisch greifen."
Also ist so eine Form der Weiterentwicklung grundsätzlich immer mit dabei, also allein schon wegen der Konkurrenz verschiedener Werkstätten. Man muss einfach nach vorn denken und sich etwas Neues einfallen lassen?
"Das hoffe ich doch. Und ich glaube auch jemand, der da nicht bereit ist, die Ohren aufzuhalten, der kommt einfach ins Hintertreffen. Ganz klar. Wobei oft nicht die spektakulären, ins Auge stechenden Neuigkeiten wirklich dann der Schlüssel zum Glück sind. Also ich finde, es gibt extrem viel Effekthascherei, was nach was Tollem aussieht, aber ich würde es dann doch lieber erst mal auf Herz und Nieren von einem Musiker gespielt hören, bevor ich dann da sage, das ist jetzt wirklich die Erfindung, die alle glücklich macht."
Gibt's denn bei Ihren Gitarren irgendwie so eine kleine Findung, von der Sie überhaupt berichten wollen?
"Eigentlich ist nichts wirklich Spektakuläres dran. Ich muss echt sagen, dass eigentlich der Fortschritt eher da drin liegt, ein System zu finden, dem man zutraut, das alles leisten zu können, was man erreichen möchte. Und dann liegt eigentlich die Raffinesse, viel mehr in der Abstimmung der Komponenten und dass das dann schlüssig funktioniert und dass es ausgeglichen funktioniert und keine ungereimten Ausreißer, irgendwelche Resonanzspitzen hat, die ich gar nicht haben möchte. Also ein gut handhabbares, gleichmäßiges Verhalten, was es dem Musiker möglichst leichtmacht, sich gut auszudrücken. Also ich wäre der letzte, der nicht ganz etwas anderes probieren würde, wenn ihm was unter die Finger kommt, was er echt überzeugend schlagkräftig findet. Natürlich würde ich dann auch Neuland beschreiten und es natürlich auch probieren. Man kann sich ja gar nicht freimachen davon, gute Instrumente, also gerade wenn man auch Reparaturen macht und Restaurierung, sich gute Instrumente genauer anzuschauen und daraus seine Schlüsse zu ziehen. Natürlich geht man immer von einer Grundlage aus, und ich glaube auch, sich von dieser Tradition völlig abzukoppeln und ganz was Neues zu machen, bedeutet halt immer auch einen Start ins Blaue und ein Stück weit von vorne anfangen. Es ist natürlich viel einfacher auf dem Erfahrungsschatz, was man hat, was aufzubauen und weiterzuentwickeln. Ich habe mich auch schon mit dem Gedanken getragen, auch mal Sandwichdecken aus verschiedenen Materialien und so, damit anzufangen, habe auch Seminare besucht, wo ich der Sache mal näherkam, wie man denn überhaupt mit den Materialien arbeitet und so. Und bin mir einfach währenddessen klargeworden, dass ich nicht mehr Entscheidendes drin finden werde als das, was ich von der massiven Bauweise ohnehin kenne. Und habe mich einfach entschieden: Nee, da mache ich gar nicht mit. Und lustig ist, dass diese modische Welle von Musikern, die da alle total darauf anspringen, weil es einem halt so in seiner Effektivität erstmal beeindruckt, ich kenne ganz viele, die so ein Instrument haben und im Nachhinein sagen: Gut, es hat mich beeindruckt, ich weiß auch warum, aber letztendlich ist mir gar nicht so dienlich in meinem in meinem Ausdruck, und doch wieder zurückkehren zu einem traditioneller gebauten Instrument."
Florian Becker, Schulen für Holz und Gestaltung des Bezirks Oberbayern, Garmisch-Partenkirchen
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"Florian Becker, Schulleiter der Schulen für Holz und Gestaltung des Bezirks Oberbayern in Garmisch-Partenkirchen. Ich bin ursprünglich Architekt, vom Architektenberuf in die Schulleitungsrunde gewechselt, seit vier Jahren jetzt."
Welche Schulen kommen denn unter dem Dach da alles zusammen? Was für Ausbildungsberufe kann man dort erlernen?
"Das ist einmal, eigentlich ist das die Grundstufe, das sind die Lehrberufe sozusagen für Schreiner und Holzbildhauer. Die Schulen für Holz und Gestaltung hießen früher auch Fachschule für Schreiner und Holzbildhauer. Das ist also eigentlich die Keimzelle, wobei die traditionelle Schnitzschule, wie sie auch liebevoll immer noch genannt wird, war wirklich eine Schnitzerschule, also eine Holzbildhauerschule, das ist die Keimzelle. Und daraus hat sich dann eben auch die Meisterschule entwickelt, die wir noch haben, das ist der Aufsatz, dass ist dann eigentlich sozusagen die Vergoldung des Schreinerhandwerks, das ist natürlich der Meistertitel. Und dann gibt es seit den frühen 80er-Jahren noch die sogenannte Fachakademie für Raum und Objektdesign. Das geht in Richtung Industriedesign und Innenarchitektur. Und dann haben wir auch noch die Krippenbauschule. Das ist so ein Appendix, der seit wenigen Jahren, ja mittlerweile auch über zehn Jahren, existiert. Das ist aber im Kurssystem ähnlich der Volkshochschulen."
Also fünf Schulen insgesamt unter einem Dach, alle haben was mit Holz zu tun. Und warum hat sich nun diese Ansammlung des Holzwissens gerade in Garmisch-Patenkirchen angesiedelt?
"Das fußt tatsächlich auf der Historie, auf der Geschichte. Die Schule gibt es ja seit 1869, wir hatten ja vor zwei Jahren unsere 150-Jahr-Feier. Die Schule wurde gegründet, dort in der Region, wirklich zur Haltung und Stärkung und Ausbildung auch der Jugendlichen, die damals natürlich in dieser Region nicht so viele Berufschancen hatten, die Landwirtschaft war da prädominant. Aber man wollte die Abwanderung verhindern und vor Ort eigentlich eine Ausbildungsmöglichkeit bieten. Und natürlich ist das Holz dort im Oberland auch in den Bergen natürlich absolut verwurzelt. Und dieses Schnitzerhandwerk, dieses Schreinerhandwerk, hat dort einfach seine Wurzeln und seine Tradition. Man weiß ja auch gerade, dass viele landwirtschaftliche Betriebe ihre erstgeborenen Söhne tatsächlich zum Schreiner ausbilden ließen oder dass auch immer noch tun, das ist ein klassischer Einstiegsberuf, Einstiegsausbildung für Landwirte immer noch. Und dahin geht das alles zurück ursprünglich."
Welche Rolle spielt denn die Gestaltung bei all dem? Also mal abgesehen von handwerklichen Techniken und Fachwissen über das Material, wo steht die Gestaltung im Lehrplan?
"Das ist bei uns eben die Besonderheit. Da wir es ja auch im Namen tragen, Schulen für Holz und Gestaltung, das wird auch immer wieder betont und ist letzten Endes auch ein kleines bisschen mit der Grund, warum traditionell Innenarchitekten und wie ich eben auch Architekten da die Schulleitung machen, weil die Gestaltung dort wesentlich akzentuierter und wichtiger ist als jetzt im dualen System der Handwerksbetriebe, der Schreinerbetriebe, wo die Lehrlinge eben vorrangig wirklich marktorientiert ausgebildet werden und auch bedarfsorientiert, ist bei uns da noch dieser Sonderfokus auf dem Entwurf, auf der Handzeichnung und eben diesem traditionellen Können des Entwerfens und des Planens als Ausgangspunkt für die Fertigung."
Wie genau versuchen Sie denn, das Wissen weiterzugeben? Also welche Konzepte haben Sie entwickelt, um den Schülern etwas mitzugeben?
"Bei uns hat sich das über die letzten ich sage mal 30 Jahre, 20 bis 30 Jahre, fast wie von selber ergeben durch den Generationenwechsel, den wir erleben im Lehrkörper. Das bedeutet, wir haben jetzt momentan ein Team aus knapp 30 Lehrerinnen und Lehrern, die wirklich im Durchschnitt sehr jung sind. Ich spreche hier von 30 bis 35 Jahren im Schnitt, die automatisch eigentlich die Erneuerung und Innovation mitbringen. Aufgrund ihres noch jungen Erfahrungshorizontes, ihrer eigenen Ausbildung, aber natürlich auch ihrer eigenen Umsetzung des Zeitgeistes. Und da bietet unser Lehrplan, wie gesagt, wir sind ja nicht dual, sondern eine Vollzeitschule, die Möglichkeit, dass auch relativ frei zu interpretieren und das passiert Schuljahr für Schuljahr in enger Kooperation mit der Schulleitung. Und das ergibt sich tatsächlich in einer sehr fruchtbaren Symbiose."
Können Sie dafür ein paar Beispiele nennen? Also wie kann das denn am Ende aussehen?
"Ich nehme einmal das Beispiel Florian Meigel, den wir in der Ausstellung ja auch hier mit seinem Chaiselongue zeigen. Da sieht man eine ornamentale Frontgestaltung, die einen sehr traditionellen Charakter hat, das nennt sich Kumiko. Das ist eigentlich in der japanischen Handwerkskunst auch gewissermaßen verankert, den er an seinem Stück mit einem sehr, sehr, sehr modernen neuen Gerät umsetzt, also als Werkzeug zur Umsetzung, früher hätte man das von Hand einschnitzen müssen. Heute geht das eben mit dieser neuen digitalen Oberfräse. Da sieht man, dass jemand sich wahrscheinlich auch in den digitalen Medien oder Fachzeitschriften umgeschaut hat, in der Literatur, und auf seine Art und Weise ein Thema, nämlich das Ornament, das ja unglaublich wichtig ist und auch historisch, also beim Jugendstil angefangen, über Biedermeier, Rokoko ein riesengroßes, auch akademisches Thema ist, aufgreift, und dann neu umsetzt und transformiert sozusagen."
Das heißt, das wurde ihm gar nicht vom Lehrer gezeigt, sondern die Schule bietet eben auch Freiräume, sich das selbst zu erarbeiten?
"Das ist absolut richtig. Wir versuchen als Lehrerinnen und Lehrer, als gesamter Lehrkörper da aus der eigenen Berufserfahrung so viel wie möglich eben bildhaft einfließen zu lassen in den Unterricht. Da wir natürlich wissen, dass die jungen Leute sehr, sehr, sehr fokussiert sind auf die digitalen Medien, auf ihr Smartphone, auf die Bilderflut von Instagram, Facebook und Co. Wir versuchen darüber, über visuelles Material, die Schülerinnen und Schüler gewissermaßen zu ködern, um sie dann auch für Themen zu sensibilisieren und im Idealfall sie dann im privaten Umfeld darüber auch diskutieren zu lassen oder sich da auch weiter dann letzten Endes auch im Internet oder hoffentlich bald wieder in Live-Ausstellungen umzutun und da fortzubilden."
Welche Techniken werden denn eigentlich gelehrt? Also wo lernt man noch die ganz traditionellen Techniken und was haben Sie alles für Möglichkeiten an Ihrer Schule, welche Werkstätten gibt es, um auch mal in die Moderne zu schnuppern?
"Da nehme ich ein Beispiel aus dem Schreinerhandwerk, das ist die sogenannte Schwalbenschwanzverzinkung. Das ist eine Eckverbindung, die wirklich ihre Tradition vor vielen hundert Jahren sucht, die wir immer noch im Lehrplan lehren, im ersten Lehrjahr der Ausbildung zum Schreinergesellen. Das ist eine relativ aufwändige, komplexe Handarbeit, die viel Übung braucht, bis man sie wirklich optisch so zustande bringt, dass sie einen selber zufriedenstellt, dass sie andere zufriedenstellt, den Kunden zufriedenstellt. Das ist eine Technik, die ich im Austausch über das Erasmus plus-Austauschprogramm europaweit in den Schulen, unseren Partnerschulen abgefragt habe, die dort nicht mehr gelehrt wird, weil sie ebenso viel Zeit einnimmt. Aber anhand dieser Technik kann man eigentlich beschreiben, wie eine handwerkliche, absolut traditionelle Technik auch in unseren Werkstätten digital weitergetrieben werden kann. Wie man auch auf der CNC-Fräse die gleiche Verbindung herstellen kann, aber durch das Wissen um diese Funktionsweise eben diese Verbindung versteht. In der Architektur hat man oft das Problem, ich schweife jetzt ein bisschen ab, dass man die digitalen Medien so ausreizt, dass man aufgrund der mangelnden Erfahrung auf der Baustelle Dinge plant, die so technisch auf der Baustelle gar nicht machbar sind. Das ist das Problem der CAD-Zeichnungen, auch die Genauigkeit der CAD-Zeichnung auf 0,0000 Millimeter, was man eigentlich gar nicht braucht. Und da haben wir in unserer Schule die Möglichkeit, durch die wirklich sehr, sehr, sehr gute Ausrüstung vom Hobel bis hin zur CNC-Fräse und dem Stemmeisen eben diese Fertigkeiten auf mehreren Ebenen und Lehren auszuprobieren und ausprobieren zu lassen."
Und wie ist denn die Einstellung der Schüler, wenn sie an der Schule beginnen, wollen die eher die alten Techniken lernen? Oder wollen sie es so modern wie möglich? Oder ändert sich das vielleicht auch im Verlauf der Ausbildung?
"Letzteres ist der Fall, das ändert sich im Lauf der Ausbildung. Bei uns fangen ganz viele entweder, also es polarisiert möchte ich fast sagen, an, um ganz bewusst nur die analoge Handarbeit zu erlernen, weil sie sagen, sie sind keine Computer-Typen oder nicht computeraffin. Jedoch im Laufe, ich sage jetzt mal zur Hälfte der Ausbildung, wird jede oder jeder, die Lust verspüren, eben doch auch mal in diese neuen Techniken, in die neuen Technologien reinzuschnuppern. Und wir haben oft den Fall, dass tatsächlich Leute, die vielleicht auch eine gewisse Berührungsangst vor der neuen Technologie haben, am Ende sich ganz sogar in diese Richtung fokussieren und weiterentwickeln. Das ändert sich in der Ausbildung durch die langsame Heranführung durch bestimmte Lehrplanthemen."
Und welche Möglichkeiten stehen den Schülern da offen? Ich glaube, Ihre Schule ist recht gut ausgestattet.
"Absolut. Die Schülerinnen und Schüler haben im Rahmen des sogenannten Förderunterrichts, den wir anbieten, das ist also eigentlich wie ein differenziertes Fach in den weiterführenden Schulen, wo man freiwillig gegen Abend noch in die Werkstätten kommt und dort dann an die Fräsen, an die CNC-Fräsen oder Shaper Tools rankommt, das ist unter Beaufsichtigung von Lehrerinnen und Lehrern und das wird also sehr, sehr, sehr rege wahrgenommen, so dass auch schulartenübergreifend theoretisch dort gearbeitet werden kann. Und durch die Symbiose der vier Hauptschulzweige ist da auch die Neugierde und die Experimentierfreude sehr, sehr hoch."
Welche Rolle spielt in den Köpfen oder in den Händen eben das Handwerk, also das händische Tun? Wie gehen die Schüler oder die Lehrer damit um?
"Das händische Tun ist definitiv der Anreiz und die Motivation, ich sage jetzt mal von 85 Prozent der Schülerinnen und Schüler, um an unsere Schule zu kommen. Sei es, dass sie selber erkannt haben in ihrer Historie, in ihrer Vorbildung, in ihrer schulischen Laufbahn, dass materielle, monetär getriebene Aspekte oder auch rein akademische, also wissensbasierte Aspekte einer Ausbildung oder einer Weiterbildung nicht in ihrem Fokus stehen und sie ganz bewusst eben das analoge wieder suchen. Oder auch, wie ich vorhin schon erwähnt habe, Menschen, die vielleicht eine eher negative Erfahrung in dieser digitalen Welt haben, die sich bewusst dafür entscheiden, ist ganz gemischt. Aber letzten Endes spüre ich, dass die Leute sich wieder mehr dafür interessieren."
Welchen Stellenwert hat denn Handwerk als solches in den Köpfen der Schüler?
"An dieser Stelle möchte ich ein Buch empfehlen, das ist von Peter Korn und heißt „Why We Make Things and Why It Matters“, also warum wir Dinge tun und warum es wichtig ist. Peter Korn ist selber ein New Yorker Jude, der aus einer sehr, sehr hochgebildet akademischen Familie kommend eben den Schreinerberuf erlernt hat und diese Frage in diesem Buch eigentlich aufwirft und im Laufe des Buches auch beantwortet. Zusammengefasst geht es eigentlich darum, dass er das handwerkliche Schaffen, die Fertigstellung eines Möbelstücks als eine Art Befriedigung beschreibt, die man auf anderem Wege nicht bekommen kann. Also ich addiere jetzt den Begriff des Tagwerks, dass man also morgens sozusagen aufsteht, mit den Händen etwas schafft und abends ins Bett geht mit dem Resultat sozusagen vor Augen, dass einen selber befriedigt, eine Befriedigung, ähnlich ich vergleiche es mit dem Musizieren, mit dem Musikmachen, was eben nicht zu kriegen ist für Geld oder tatsächlich auch durch angereichertes Wissen. Meine Empfehlung ist dieses Buch. Die Frage wird sehr treffend beantwortet und ich beantworte es eben auch so dahingehend, das Handwerk hat den Stellenwert oder dem Handwerk wohnt die Eigenschaft inne, etwas beginnen zu können, mit klarem Ziel, zu jedem Zeitpunkt ein klares Ziel und zu jedem Zeitpunkt auch ein messbares bewertbares Resultat mit einem Ende, das man entweder akzeptiert oder tatsächlich noch einmal wiederholt."
Also etwas mit den eigenen Händen zu gestalten, was dann auch als Objekt vor einem steht, macht einfach glücklich.
"Ganz genau. Noch ein weiteres Zitat eines ehemaligen Meisterschülers, den ich im Rahmen unseres Fachschultages, das ist der Tag der offenen Tür, getroffen habe und zu fortgeschrittener Stunde auch beim Bier mit ihm saß, der hat eben in seiner Mundart den Satz geprägt: „Oaner, der a Freid hat was Scheens zu machen, der hat’s Herz am rechten Fleck“. Und dem ist wenig hinzuzufügen."
Spielt denn die Nachhaltigkeit auch eine Rolle? Also das Material Holz ist ja schon seit längerem und vielleicht auch immer schon gewesen in Mode. Aber gerade jetzt hat es noch mal einen anderen Stellenwert.
"Das ist so, wobei ich diesen Fokus nicht überbewerten würde in Bezug auf unsere Schulen tatsächlich. Wir kaufen unser Rohmaterial tatsächlich auch beim Holzhändler, der jetzt nicht unbedingt das Bio-Zertifikat mitbringt. Es ist aber definitiv durch den Aspekt des Nachwachsens natürlich Thema. Und auch der Aspekt der Wiederverwendbarkeit und auch Wiedergabe von Möbeln an die Folgegenerationen, also die Vererbbarkeit von Möbelstücken aus Holz, die einfach sehr langlebig sind, ist definitiv Thema."
Sie hatten gesagt, die Bewerberzahlen sind konstant hoch. Wie viele bewerben sich denn und wieviel Plätze haben Sie eigentlich?
"Wir haben im Schnitt plus minus 80 Mappen-Einreichungen für die Berufsfachschule für Schreiner. Wir haben aber leider nur 17 Plätze, die wir vergeben können. Und da sehen Sie schon, das ist ein ernsthaftes Problem, auch weil man natürlich bei einer solchen Mappenauswahl den Leuten teilweise wahrscheinlich nicht ganz gerecht werden kann. Wir sind gerade dabei, das über einen etwas erschwerten Bewerbungsprozess vielleicht etwas zu reduzieren, um dann genauer eben die Leute anschauen zu können und sich dann auch für die oder den Richtigen entscheiden zu können. Wir empfehlen immer die Wiederbewerbung im nächsten Jahr auch. Aber das ist natürlich ein Luxusproblem, was wir da haben. Und als Letztes wollen wir als Eliteschule gelten. So werden wir im Ort Partenkirchen und Garmisch oft bezeichnet. Das möchte ich ganz explizit an dieser Stelle sagen."
Was muss man denn mitbringen, um ein guter Schreiner oder ein guter Holzbildhauer zu werden? Welche Fähigkeiten sollte man schon mitbringen, wenn man sich an der Schule bewirbt?
"Man sollte auf jeden Fall Spaß am Arbeiten mit den Händen, an der Basis dessen, was das Handwerk ja ausmacht, haben. In irgendeiner Form, sei es eben Zeichnen, die Handzeichnung oder das Backen oder einfach Mithelfen auf der Baustelle, wenn die Garage gebaut wird oder Pflanzen also irgendetwas im Bereich des Tuns. Das ist sehr, sehr wichtig, meiner Ansicht nach. Wenn das nicht vorhanden ist, dann ist man wahrscheinlich im Schreiner-, Holzbildhauerberuf verkehrt. Man sollte eine große Offenheit haben für gestalterische Themen, für Themen des Entwurfs, desen wie die gebaute und geschaffene Umwelt aussieht. Man sollte den Willen haben, die Sehfähigkeit, also das Sehen schärfen zu wollen und auch damit das Bewusstsein, was unsere Umwelt, unsere Arbeitsumwelt, unsere private Umwelt eigentlich formt in der Dinglichkeit."
Spielt zeichnen können eine Rolle in der Schule?
"Ja, definitiv. Also das Zeichnen, die Handzeichnungen, ist in allen Schularten Thema und im Lehrplan natürlich auch sehr gewichtig verankert. Man muss als Voraussetzung kein Zeichenprofi sein, man muss auch nicht extra eine Zeichenschule vorher besuchen, um eine gute Mappe abliefern zu können. Dabei geht es wirklich um Intuition und Ehrlichkeit und einfach den Willen, sich auf dem Blatt Papier frei auszudrücken und auch mit dem Stift in Anführungszeichen zu denken und da eine gewisse Routine zu entwickeln."
Sie hatten schon ganz kurz den Ort Garmisch-Partenkirchen erwähnt. Wie ist denn die Schule im Ort verankert? Also auch das ist ja für Handwerk oft wichtig, dass man auch aus der Schule heraustritt und mit den Menschen vor Ort in Kontakt kommt.
"Das ist wirklich eine ganz interessante Frage. Wir haben oft den Fall, dass Garmisch-Partenkirchner nicht wirklich wissen, wo wir sitzen, nämlich mittendrin in Anführungszeichen, am Hauptplatz. Mein Vorvorgänger Alexander Wanisch, auch Architekt seines Zeichens, hat die Schule erweitert um einen Ausstellungspavillon, der die Hauptstraße flankiert, der also sozusagen längsgerichtet die Straße nach Mittenwald, die Straße nach Italien, säumt und dort auf der ganzen Länge Ausstellungsfläche bietet, Schaufensterfläche bietet, wo wir uns präsentieren können. Die Schule ist für Fachleute natürlich ein absolut gängiger Begriff. Viele Garmisch-Partenkirchner kennen uns über eben den Tag der offenen Tür und Veranstaltungen, die wir dann nach außen optisch kommunizieren. Aber tatsächlich gibt es auch viele, die uns im Ort nicht kennen, weil wir eben anders als in der Berufsschule Garmisch-Partenkirchen, wo die Schreinerinnen und Schreiner im dualen System ausgebildet werden, eine Schule in Vollzeit sind, die dann doch in dieser Ausbildungsform exotisch ist und sozusagen drei Jahre Unterstützung, finanzielle Unterstützung der Eltern voraussetzt."
Gibt es denn trotzdem Versuche mit Firmen zusammenzuarbeiten oder einfach mal eine Projektarbeit zu machen, die dann wirklich realisiert wird, solche Dinge?
"Das haben wir, das haben wir sehr, sehr rege. Wir haben ganz viele Anfragen tatsächlich auch aus dem Ort. Wir haben jetzt gerade das sogenannte Gar-Park-Projekt fertiggestellt, das wurde auch veröffentlicht. Das ist eine Zusammenarbeit mit dem Markt Garmisch-Partenkirchen mit auch den Kliniken, die eben Freiräume schaffen, auch für Kindergärten und Kinderkrippen, die sich da eine Möblierung unsererseits wünschen. Aber auch haben wir wirklich mit den großen Firmen Würth zum Beispiel eine Kooperation, wo wir jedes Jahr das sogenannte Würth-Seminar anbieten. Da kommt dann eben ein Referent der Firma ins Haus und stellt die Produkte vor. Mit Festool haben wir auch eine Kooperation, wo wir einen gewissen Nachlass für die Handmaschinen bekommen, für den schulischen Gebrauch et cetera, et cetera. Wir sind da schon sehr gefragt auch. Und das Magazin DDS, die Fachzeitschrift DDS [Anm.: DDS - Das Magazin für Möbel und Ausbau], ist auch sehr oft bei uns im Haus über Redakteure, die wir gut kennen. Das ist wichtig, dass wir da in die freie Wirtschaft auch unsere Finger natürlich ausstrecken und andersrum auch nach uns gegriffen wird. Das ist in dem Fall eine gute symbiotische Verbindung."
Um das besser einzuordnen, was wirklich für qualitätvolle Arbeiten bei Ihnen entstehen, kann man ja noch erwähnen, dass also regelmäßig Preise auch an Schüler Ihrer Schule vergeben werden, wichtige Preise zum Teil auch, oder?
"Das ist so, darauf sind wir natürlich auch in gewisser Weise stolz. An der Stelle noch einmal die Betonung wir sind eine Schule in Vollzeit. Wir haben die Möglichkeiten, den Schülerinnen und Schülern alles anzubieten, um sich wirklich hier fachlich zur vollen Reife zu entfalten und sind da unheimlich froh natürlich, dass der Bezirk Oberbayern, unser Träger, da so viel auch investiert, um uns diesen Status zu ermöglichen."
Jetzt haben wir, glaube ich, viel über Möbelbau und Innenarchitektur geredet. Wie schaut es denn mit den Holzbildhauern zum Beispiel au, wie sind da die Berufschancen?
"Ich habe noch nicht erwähnt, dass ich ja selber vor meinem Architekturstudium an der Schule Holzbildhauer gelernt habe, damals schon im Wissen, dass die Holzbildhauerei in jedem Fall ein extrem, extrem hartes Brot ist. Im Vergleich zu den 80 Bewerbungen, die ich vorhin erwähnt habe in der Schreiner-Schule, sind es in der Holzbildhauerschule meist 15 bis 20 auf fünf Plätze, also da ist die Ratio eine etwas andere. Das sind tatsächlich junge Leute, die sich ganz explizit und auch ich sage jetzt zu 99 Prozent losgelöst von dem ganzen digitalen Thema, für ein Handwerk entscheiden, das ein absolutes Nischendasein in gewisser Weise führt, in der Hoffnung aber, in der künstlerischen Weiterentwicklung dann doch einen Platz im Arbeitsleben und Berufsleben zu finden, der einen oder eine ernährt letzten Endes."
Günter Mix, Staatliche Berufsschule für Flechtwerkgestaltung, Lichtenfels
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"Ich bin der Günter Mix, bin hier an der Berufsfachschule für Flechtwerkgestaltung Lehrer. Ich bin der dienstälteste Lehrer. Meine hauptsächliche Lehrtätigkeit ist die Sparte Flechtmöbelbau."
Warum ist denn die Schule für Flechtwerkgestaltung gerade in Lichtenfels? Was für Faktoren haben dazu beigetragen?
"Das gab verschiedene Faktoren. Das Wichtigste ist wahrscheinlich, dass hier in Lichtenfels Anfang des 18. Jahrhunderts sich die Flechterei sehr stark etablierte, bzw. die Flechter, die hier waren, es schafften, für ihre Produkte einen Absatz zu finden. Das ging unter anderem durch Flößer, die Kleinkorbwaren bis nach Holland mittransportiert haben und dort verkauft haben. Es ging aber auch durch sogenannte Korbhändler, die mit ihren Waren hausieren gingen, erst in der näheren Umgebung, aber dann auch überall in die Welt hinaus. Also haben findige Korbmacher es geschafft, hier Lichtenfels als Zentrum auszubauen. Dann gab es irgendwann eine Zeit, wo ja neue Modelle entstehen mussten, weil die Kundschaft will ja immer was Neues haben. Dann hat man überlegt was macht man? Es fing an mit einer sogenannten Zeichenschule, dass die Flechtlehrlinge gestalterisch zeichnen lernten, um neue Modelle selbst entwerfen zu können. Das ging über mehrere Jahre hinweg. Irgendwann hat man aber erkannt, dass es zu wenig ist, es muss auch mehr Praktisches mit dabei sein. Und dann hat man letztendlich nach mehreren Anläufen Lichtenfels als Standort rausgesucht, weil sich mittlerweile in Lichtenfels schon viele Händler bzw. Fabrikanten hier angesiedelt hatten und Lichtenfels als Zentrum angesehen wurde und auch war."
Das heißt, es ging auch um eine Qualitätssicherung im Handwerk, um das also weiter hochzuhalten und auch an neue Generationen zu vermitteln.
"Genau, es ging in erster Linie um Qualitätssicherung für die Zukunft."
Und warum hatten sich denn ursprünglich so viele Flechter hier angesiedelt? Also wächst hier die Weide besonders gut oder wächst nichts Anderes?
"Also Weide wächst hier besonders gut am Main. Das ist klar. Aber es gibt in Deutschland oder in Europa noch mehr Orte, wo Weide gut wächst. Es gibt ja noch mehr Flüsse. Aber wie gesagt, es haben einige Pioniere geschafft, sich zu vermarkten mit guten Produkten am Anfang und vor allen Dingen auch irgendwann auch mal mit dieser sogenannten Feinarbeit. Und die Feinarbeit hatte ein Alleinstellungsmerkmal. Und da hat man es geschafft, die Flechtwaren von Gebrauchsgegenstände weg zu Kunstgegenständen zu heben und da war dann ein gehobener Markt da."
Also die Wertschätzung fürs Handwerk, fürs Flechthandwerk war zu einer bestimmten Zeit sehr groß offenbar.
"Ja, kann man so sagen. Wobei die Flechterei immer ein Auf und Ab hatte. Flechterei war ursprünglich zum Flechten von Gebrauchsgegenständen und da war das Ansehen nicht so groß. Also die Flechter an sich, die Korbmacher, waren Pfannenflicker und fahrendes Volk und hatten kein großes Ansehen. Erst wo es dann Lichtenfels geschafft hat, als Fechtzentrum eine richtige Industrie aufzubauen, wurde das Ansehen ein wenig höher. Und aus der Flechterei, die sich hier angesiedelt hat, ist dann irgendwann auch mal die Polstermöbel-Industrie und die Kinderwagen-Industrie entstanden hier in Oberfranken."
Wie schaut es denn heute aus, wenn man vielleicht doch einfach mal durch Lichtenfels geht: Spürt und sieht man davon noch viel? Und wenn ja, was?
"Die Stadt Lichtenfels bemüht sich seit einigen Jahren, ein Erscheinungsbild in puncto Flechterei in der Stadt zu integrieren. Wenn man vom Bahnhof rauskommt, sieht man ein Flechtobjekt, man sieht in der Coburger Straße eine überdimensional große Ameise als Flechtobjekt, auf dem Marktplatz ist ein großer Korb, Bänke sind geflochten. Also man sieht schon, dass Lichtenfels mit Flechterei was zu tun hat."
Die Schule ist ja deutschlandweit die einzige ihrer Art. Es gibt in Europa noch zwei, drei andere. Worin unterscheidet sich aber die Schule hier von diesen anderen?
"Also die Schule ist, wie Sie gesagt haben, einzigartig in Europa. Es gibt insgesamt nur zwei Schulen, es gibt in Frankreich eine, und es gibt bei uns eine. Die in Frankreich macht aber keine Berufsausbildung. Die machen im Prinzip ein Kurs-System für junge Erwachsene als Weiterbildung oder als Arbeitsbeschaffungsmaßnahme oder so. Die sind aber momentan im Umbruch, wollen auch wieder zurück zur Berufsausbildung, das hatten sie früher auch. Ist natürlich jetzt alles durch Corona gebremst worden. Es gibt noch eine Flechterschule in Japan, die machen eine einjährige Ausbildung, aber nur auf Bambus-Flechterei."
Wie ist denn die Ausbildung genau aufgebaut? Also welche Struktur gibt es, wie es der Praxis- und der Theorie-Anteil und was ist vielleicht auch der Schulleitung oder der Lehrerschaft besonders wichtig?
"Also das Hauptziel von uns Lehrerschaft ist, dass Schülerinnen und Schüler, die bei uns die Einrichtung verlassen, dass sie damit ihren Lebensunterhalt einigermaßen bestreiten können. Und dazu brauchen Sie möglichst viele Techniken und die einigermaßen gut beherrschen. Sie brauchen aber, das Wichtigste, auch Fantasie, um sich durchzusetzen, um sich neue Modelle zu machen und um sich auf dem Markt zu behaupten. Das heißt, sie müssen sich eine Nische machen. Sie müssen eine Nische finden."
Und wie es die Ausbildung aufgebaut?
"Insgesamt dauert die Ausbildung drei Jahre. Im ersten Ausbildungsjahr lernen Sie das eigentliche Flechten in der geschlagenen Arbeit, das heißt in der Vollweiden-Arbeit. Ab dem zweiten Jahr – alles grob gesprochen – kommt immer mit dazu, zu allen Techniken, die Sie zusätzlich lernen und zu der Technik, die Sie bereits gelernt haben, immer auch noch Lernfelder, indem der Aspekt Gestaltung mit drin ist. Ab dem zweiten Lehrjahr kommt Flechtmöbelbau mit dazu, kommt Feinarbeit mit dazu, kommt Rahmenkörbe, Flechtobjekte mit dazu. Im dritten Jahr ist es eine Vertiefung und eine Erweiterung von dem allen, was im zweiten Jahr ist, und zusätzlich der Aspekt Gestaltung noch gesteigert."
Und wie würden Sie sagen, ist so der Praxisanteil und der Theorieanteil?
"Der Praxisanteil ist bei uns überwiegend. Ich würde sagen so zwischen 60 und 70 Prozent."
Wie genau bringt man denn jemandem diesen Beruf bei? Also ist das ein Zeigen und Nachahmen? Oder gibt es hier viele Bücher und eine große Bibliothek? Ist es ein Herumexperimentieren, probiert es mal selber aus!?
"Es ist alles von dem, aber hauptsächlich ist es ein Zeigen und Nachmachen, lernen mit den Augen und Learning by Doing. Wir haben auch eine Fachbibliothek, wo man immer mal Techniken auch nachschauen kann. Wir haben auch eigens erstellte Merkblätter, wo dann die Techniken beschrieben sind und die Vorgehensweise beschrieben sind. Aber das meiste ist Learning by Doing."
Über die Vermittlung der Techniken hinaus. Was ist noch wichtig? Also braucht man auch ein bisschen einen historischen Hintergrund? Oder welche Werte vermitteln Sie noch, die zum Handwerk dazugehören?
"Also einen historischen Hintergrund braucht man als Anfänger nicht unbedingt. Es ist vielleicht sogar ganz gut, wenn man unbedarft rangeht. Wir halten die Schüler an, dass sie möglichst genau arbeiten, präzise arbeiten. Wir lassen ihnen aber auch die Freiheit zu erkennen, wenn sie mal was schneller machen wollen und was ausprobieren wollen, dass es nicht ganz so gut wird. Also Genauigkeit und Zielstrebigkeit ist für uns schon sehr wichtig."
Es gibt ja bestimmte Aspekte im Handwerk, die immer wieder auftauchen. Zum Beispiel, dass man seine Persönlichkeit und seinen Charakter mit in ein Stück einfließen lassen kann oder grundsätzlich die große Verbundenheit mit dem Werkstück. Spüren Sie das auch?
"Das spüre ich. Das spüren wir. Man spürt es sofort beim Schüler. Wenn es jemandem Spaß macht an dem Stück, dann wird es im Prinzip besser, das spürt man, also die Schüler identifizieren sich dann mit einem Stück, und die wollen das. Und wenn ihnen was nicht gefällt, das merkt man sofort, dann wollen sie es gar nicht fertigmachen, dann landet es im Verkaufsraum."
Worauf kommt es denn beim Flechten an?
"In erster Linie darauf, dass man sich mit der Materie, mit dem Material, vertraut macht, dass man weiß: Wie reagiert das Material? Gewisse Fingerfertigkeit braucht man, die erlernt man aber, das ist wie beim Klavierspiel. Und vor allen Dingen: Man braucht ein räumliches Vorstellungsvermögen, um dann die Körbe oder die Flechtobjekte während des Flechtens auch so hinzubringen, wie man es sich vorstellt, also das Geistige zum Manuellen umzusetzen, das ist nicht ganz einfach."
Welche Rolle spielt denn die aktuell große Diskussion um Nachhaltigkeit? Also gibt es vielleicht auch mehr Zulauf, jetzt wo alle eben über Nachhaltigkeit reden, weil die Weide ist ja ein sehr umweltverträgliches Material.
"Also die Nachhaltigkeit ist momentan schon ein großes Thema. Wir haben auch immer wieder Themen im Lehrprogramm, die mit Nachhaltigkeit zu tun haben, Stichwort Upcycling. Unsere Schüler wollen hauptsächlich mit Weide arbeiten, weil das ein heimisches Material ist. Rattan haben sie nicht so gern, wobei Rattan auch seine Berechtigung hat. Ich persönlich sage auch immer, wir haben momentan die große Chance mit unserem Handwerk, dass wir im Prinzip die Nachhaltigkeit, die ja jetzt in aller Munde ist und die man ja praktizieren soll, mit unserem Material bestens auch erreichen kann. Also wir haben eigentlich eine Jahrhundertchance."
Wie sind denn die Reaktionen, wenn sie jemandem zählen, dass Sie Flechtmeister sind? Wie ist denn die Wertschätzung gegenüber diesem Handwerk Ihrer Meinung nach?
"Das kommt immer darauf an, in welcher Situation man ist und in welcher Region. Also in Regionen, wo die Flechterei total unbekannt ist, da ist man im Prinzip sowieso ein Exot. Jetzt unter Kollegen, da ist man einfach wertgeschätzt, weil man was kann. Und unter alteingesessenen Heimarbeitern von hier ist die Flechterei nicht so hoch im Ansehen. Also es ist unterschiedlich, aber im Großen und Ganzen wird man als Handwerksmeister schon auch wertgeschätzt."
Und wenn man mit Kunden in Kontakt kommt, auf einem Markt zum Beispiel, die hören dann den Preis. Wie sind da die Reaktionen?
"Auch unterschiedlich. Zum einen sind Sie erstaunt, dass es so viel kostet. Dann erklärt man ihnen, wie viel Arbeitszeit drin ist und wieviel Know-how, und wieviel Können da drinsteckt und wie viel Erfahrung man braucht, um das überhaupt zu machen. Dann sehen die meisten ein, dass es so viel kostet. Dann sagen die einen, okay, ich leiste mir das, und andere sagen okay, das mag ja recht und schön sein, aber ich kann mir das nicht leisten und will das auch nicht."
Wieviel Vorwissen ist denn bei den meisten da?
"Von den Schülerinnen und Schülern ist das Vorwissen meistens gering. Die kommen zu uns und haben vielleicht irgendwann mal einen Volkshochschulkurs gemacht oder haben in Handarbeits- oder Werkunterricht in der Schule mal was gehabt. Oder sie haben in der Waldorfschule mal Flechterei gehabt und haben die Materie interessant gefunden. Von den Kunden ist es so, dass die meisten keine Ahnung haben von der Flechterei. Viele denken auch die Körbe kommen aus der Maschine. Das muss man dann auch immer erklären, dass alles Geflochtene, was sie weltweit sehen, von Hand geflochten ist. Deswegen ist es für mich unverständlich, wenn ein Werbeslogan heißt „handgeflochtener Korb“, weil für mich das selbstverständlich ist."
Sie hatten davon gesprochen, dass eigentlich gerade eine Jahrhundertchance für das Flechten in der Luft liegt. Wie versuchen Sie denn vielleicht, die zu nutzen?
"Ja, wir als Schule können das wenig nützen. Wir können immer die Schüler nur anhalten, schaut, dass ihr euch in der Beziehung hin vermarkten könnt vielleicht, das ist eine Lücke. Ansonsten wäre das eigentlich eine Aufgabe für die Verbände. Der Einzelne kann halt immer wenig machen. Er muss seine eigene Werbestrategie darauf aufbauen und auch damit werben, dass das Flechthandwerk, in das Weltkulturerbe aufgenommen wurde."
Was bräuchte es, dass dieses Handwerk noch populärer wird?
"Also vielleicht vom Kleinunternehmen her, dass die vielleicht ein bisschen anders behandelt werden wie große Unternehmen, steuerlich und administrativ, dass da bürokratisch nicht so hohe Hürden sind, das wäre vielleicht ganz gut. Dass die jetzt nicht mit anderen Handwerken, die… also, dass unser Gewerk mehr als Kunsthandwerk gesehen wird und Kunsthandwerk zu anderem Handwerk auch ein bisschen mehr unterschieden wird."
Soweit Sie davon wissen. Wie geht es denn den Schülern nach Abschluss ihrer Ausbildung hier auf dem Arbeitsmarkt? Wie viele bleiben dem Flechten in irgendeiner Form verbunden, wissen Sie das?
"Genaue Zahlen habe ich da nicht. Ich habe Schätzungen, die sich auf 20 bis 25 Prozent beziehen, die irgendwie in der Flechterei bleiben und die allermeisten sich selbständig machen als Haupterwerb. Aber die meisten als Nebenerwerb."
Das ist ja nicht viel, also die Berufsaussichten, kann man sagen, sind nicht rosig.
"Ja, gut. Es ist kein Zuckerschlecken, unser Handwerk. Man muss schon körperlich arbeiten, man hat auch wahrscheinlich keinen Sieben-Stunden-Tag, es ist zeitaufwändig. Reichtümer kann man nicht anhäufen. Und im Vergleich zur Metallindustrie ist halt wirklich der Verdienst lange nicht so hoch. Wir haben ja auch die Chance für unsere Abgänger, dass sie weitermachen, also dass sie die Meisterprüfung machen können. Und die Meisterprüfung berechtigt ja zum Studieren, das machen ja auch einige, Innenarchitektur, das bietet sich an, oder Produktdesign, das bietet sich auch an. Es gibt einige Schüler, die diesen Weg schon gemacht haben."
Dabei kann man durch Flechten so viel tolle Dinge machen. Was kann man denn eigentlich alles machen? Welche Möglichkeiten bietet dieses Handwerk, zu dem man ja eigentlich nicht viel braucht: Das Material wächst vor der Haustür und so viel Werkzeug braucht man vielleicht auch gar nicht für die kleinen Formen…
"Nun gut, man braucht einen trockenen Raum, man braucht ein bisschen Werkzeug. Man braucht das Material, das, wie Sie sagen, kann man eventuell selber züchten oder auch in der Natur ernten. Es gibt ja nicht nur die Weide, es gibt verschiedene Gräser, die man verflechten kann. Es gibt die Waldrebe, die man verflechten kann, alles Mögliche kann man verflechten, was biegsam ist."
Und welche Möglichkeiten bieten sich durch das Flechten? Also welche Produkte kann man eigentlich alles herstellen?
"Produkte natürlich Gebrauchsgegenstände. Aber auch, was momentan sehr im Trend ist, sind Gartenobjekte oder Zäune, lebende Zäune. Oder auch Innenaccessoires wie Sichtschutz und Möbel natürlich. Ich habe eine Schülerin gehabt, die hat eine Urne geflochten, das geht auch. Sie können große Sitzmöbel machen, Sie können Verkleidungen machen, Sie können große Baugeflechte machen, es wurde ja auch schon ein Weidendom gemacht. Also die Bandbreite ist riesig. Da braucht man Fantasie und natürlich das Können."
Inwieweit ist denn die Ausbildung noch von der Tradition geprägt und wo versucht die Schule auch ganz bewusst Akzente der Moderne zu setzen? Wo geht es um Innovation? Wie versucht man, das Handwerk auch in die Moderne zu überführen?
"In die Moderne in der Raumgestaltung und im Möbel. Und zwar Möbel in Verbindung mit anderen Materialien als modernes Möbel. Als Lichtobjekte und in der Gartengestaltung, also ein bisschen hochwertige Sachen, nicht so was die Gärtner auch machen, sondern schon hochwertigere Flechtereien. Skulpturen aus Weide, Skulpturen aus Haselnuss, Skulpturen aus Kunststoff kenne ich auch jemanden, wobei Kunststoff natürlich jetzt wieder mit Vorsicht zu genießen ist. Aber Weide ist halt ein Material, das sehr schnell verwittert und viele Kunden wollen ein Material, das sie dann länger draußen stehen haben und dann geht man auf Kunststoff, Kunststoffmaterialien, die in der Strandkorb-Fabrikation Anwendung finden, die werden da verwendet."
Man kann ja im Grunde alles flechten, was irgendwie ein bisschen biegsam ist, oder?
"Ja, kann man. Stahlseile haben wir auch schon verflochten oder Eichenspan, alles was biegbar ist. Die Schüler sind oft so kreativ, die kommen oft mal mit Materialien daher, die wir Alteingesessenen noch nie gehört haben."
Gibt es manchmal Kooperation mit Firmen also, um auch zu zeigen, wie es weitergehen könnte für die Schüler?
"Im kommenden Schuljahr haben wir eine Kooperation mit einer Firma, die hier ansässig ist, die Babyausstattungen macht, die haben 100-jähriges Bestehen. Wir hatten eine Kooperation vor einigen Jahren mit einer ansässigen Firma, die einen Showroom aufgebaut haben. Da war unsere Aufgabe, Sitzmöbel zu machen, dass die Kundschaft sich einen Film anschauen konnte, der vielleicht 10, 15 Minuten geht, also eine kurzfristige Sitzmöglichkeit, also kein bequemer Sessel.
Wir machen das aber in Ausnahmen, weil sonst, wenn wir damit Werbung machen würden, könnten wir nichts Anderes machen. Es muss begründet sein und es muss einen Lerneffekt für unsere Schüler haben und eventuell regionalbezogen."
Das heißt, das Interesse in der Industrie wäre da, also zum Beispiel im Möbelbau, mehr mit Flechten zu arbeiten.
"Prinzipiell ist das Interesse schon da, ja. Ich habe immer wieder Anfragen, die ich auch absagen muss. Da muss ich dann sagen okay, das ist eigentlich nicht Aufgabe der Schule, da können sie irgendwo zu einem Flechter gehen, der dann damit sein Geld verdienen kann."
Haben Sie das Gefühl des wird auch mehr? Also weil wir schon sagten Nachhaltigkeit liegt in der Luft.
"Das ist konstant. Ich weiß, dass es in früheren Jahren noch viel, viel mehr war, weil man gedacht hat, die Schule kann das billig produzieren, aber das lehnen wir ab."
Können Sie bitte einmal noch mal erklären, was man eben so toll machen kann? Ich glaube bei Flechten denken die meisten kurz mal an eine schön gestaltete Fläche. Aber es geht ja eben nicht um die Fläche.
"Also das Flechten lebt eigentlich davon, dass was Räumliches entsteht. Selbst ein einfacher Korb ist ein räumliches Produkt, ein Sessel oder ein Stuhl ist was Räumliches, Dreidimensionales. Und das ist auch unsere Schwierigkeit bzw. unser Merkmal, dass wir immer dreidimensional denken müssen. Zum Beispiel diese Leuchte hier oben, die geht von der einen Dimension in die andere wieder und geht wieder in die erste Dimension zurück, also das kann man eigentlich fast nur mit Flechterei machen. Flechterisch kriegt man alles hin, was man dreidimensional also räumlich machen kann. Das ist die Eigenheit von Flechten. Und je mehr Rundungen sind, umso schwieriger wird es."
Sie hatten ja schon gesagt, die Planung ist essenziell fürs Flechten. Also man muss erst mal gut überlegen, bevor man anfängt zu flechten. Wie bereitet man denn die Schüler darauf vor? Also dieses Planen, da gibt es ja durchaus auch sehr moderne Tools.
"Wir arbeiten hier mit einem Computerprogramm, das sich allerdings mehr auf das technische Zeichnen bezieht und das gestalterische, das räumliche Denken, das wird von Hand mit unserer Gestaltungslehrerin erarbeitet."
Das Zeichnen spielt also weiterhin eine große Rolle?
"Zeichnen spielt eine große Rolle, weil mit Zeichnen muss man das Gehirn so weit bringen, dass man… ja, beim Zeichnen muss man sich intensiv mit der Materie beschäftigen, ob das technisches Zeichnen ist oder vor allen Dingen gestalterisches zeichnen, da muss man sich damit auseinandersetzen. Und das ist Grundlage für unser Handwerk. Es sei denn, wir wollen einfach vor uns hin flechten. Gut, das geht natürlich auch."
Welche Rolle spielt in das händische Tun, also die Arbeit mit den Händen?
"Die Arbeit mit den Händen ist eigentlich grundlegend für die Flechterei. Also jemand, der keine Hände mehr hat, der wird Flechterei nicht betreiben können. Es gibt Flechter, die sind blind, die können trotzdem flechten. Es gibt welche, die sind gehörlos, die können auch flechten. Aber ohne Hände funktioniert es nicht."
Und vom Spaßfaktor her? Also was passiert denn da bei dieser Handarbeit mit einem?
"Unterschiedlich. Je nachdem in welcher Stimmung ich bin, ob ich gewillt bin, mein Produkt, dass ich da mache, jetzt anzunehmen. Und ob es mir gelingt, dann habe ich ein freudiges Ereignis. Bin ich schlecht gelaunt, dann gelingt es meistens sowieso nicht. Dann werde ich noch schlechter gelaunt. Aber das Große und Ganze ist, dass wenn ich ein Stück fertig habe, dann habe ich an unheimliches Glücksgefühl, dass ich mit meinen Händen und mit meinem Geist was erschaffen habe, das ich sehe, was ich anfassen kann. Dass ich abends weiß, was ich geleistet habe. Dass ich das auch sehe, was ich geleistet habe. Und wenn ich nachts nicht schlafen kann, steh auf und macht das Licht an und schaue es noch mal an."
An dieser Schule. Hier versammelt sich ja unglaublich viel Wissen auch über dieses alte Handwerk. Gibt es denn da auch den Versuch, das nicht nur an die Schüler weiterzugeben, sondern das auch noch darüber hinaus öffentlich zu machen, in die Stadt zu gehen? Wir sitzen in einer Art Schauraum, wo wirklich ganz fantastische Exemplare des Flechtens zu sehen sind. Was gibt es da alles für Möglichkeiten?
"Also wir haben immer wieder Ausstellungen, das heißt, wir machen bei dem sogenannten Korbmarkt mit, wenn er stattfindet, indem wir unsere neuesten Produkte meistens zeigen, unsere neuesten Entwürfe, die die Schüler gemacht haben. Wir gehen auf die Handwerksmesse. Wir sind in den neuen Medien vertreten, wo die Schüler das dann immer einstellen und auch Kommentare geben, was ihnen Spaß macht und was nicht. Also wir versuchen schon, in die Öffentlichkeit zu gehen. Momentan läuft eine Ausstellung von den Abschlussstücken der Schüler im Deutschen Korbmuseum. Das ist ein Museum, das sehr viele Flechtwaren aus aller Welt hat. Und traditionell arbeiten wir schon immer mit diesem Museum zusammen. Viele Exponate aus dem Museum sind ursprünglich von uns. Wir können uns da austauschen, wenn wir eine Technik oder eine Form sehen möchten, die wir in unserem Archiv nicht haben, dann können wir dorthin fahren und uns das anschauen. Wir Lehrkräfte arbeiten auch immer mal wieder mit dort, wenn irgendetwas zu reparieren ist oder eine Ausstellung zu machen ist. Also wir haben eine intensive Zusammenarbeit mit dem Museum. Das ist eigentlich ein Glücksfall für unsere Schule, für das Museum natürlich auch, dass es da im dualen Systems sozusagen existiert."
Gibt es auch eine Art Schularchiv, wo das Wissen dann auch dokumentiert wird?
"Also wir als Schule haben hier eine sehr umfangreiche Fachbibliothek. Mehrsprachig, also es gibt deutsche Bücher, englische Bücher, französische, dänische, und wir haben auch Dokumentationen über alte Fachzeitschriften, die es schon lange nicht mehr gibt. Die eine ist eine Serie von vor dem Zweiten Weltkrieg und die eine ist eine Serie, die bis in die 70er-Jahre ging, wo sehr viele Techniken und Verarbeitungsweisen dokumentiert sind. Neuere Bücher befassen sich sehr viel mit Gartengestaltung in der Flechterei und wir als Schule sammeln das alles und stellen es den Schülern zur Verfügung. Wir nehmen es auch manchmal her für Lehrzwecke. Also ich möchte sagen, dass wir in der Schule hier die größte Bibliothek, Fachbibliothek, im Bereich Flechterei haben, die existiert. Und es gibt ein Archiv von Flechtereien, Theoretisches nicht. In der Flechterei verändert sich auch nicht so sehr viel. Es gibt ein paar neue Materialien, Kunststoffmaterialien, es gibt ein paar neue Techniken der Zubereitung, also Holzbearbeitung, Zubereitung. Aber die Flechttechniken, die sind Jahrtausende alt, die werden sich nicht ändern. Es gibt vielleicht mal wieder neue Kombinationen von verschiedenen Flechtmaterialien untereinander, neue Anwendungsbereiche wie Flechtobjekte im Gartenbereich. Aber das Rad der Flechterei, das ist schon lange erfunden."
Also man braucht gar nicht so viel Innovation: Es ist alles schon da – die Zukunft kann sofort losgehen.
"Flechttechniken sind alle schon da, man muss es fertigbringen, sie an den Mann oder die Frau zu bringen und vielleicht auch, was Altes in neuem Gewand zu kreieren. Das ist die Kunst auch. Aber das Allerwichtigste ist eigentlich auch neben dem eigentlichen Flechten auch sich zu vermarkten. Und was eine ganz große Rolle spielt, ist für die Flechter, die davon leben wollen und dürfen und müssen, dass sie ihr Wissen in Flechtkursen weitergeben. Das ist ein großes Standbein auch für die Flechter."
Sie haben ja auch im Lehrplan Stunden für Marketing, Verkauf…
"Ja, das haben wir auch. Es wird auch ein Fach Betriebswirtschaft dazu eingeführt, wo das dann verstärkt und professionell gelehrt wird. Wir machen das Marketing auch immer so nebenbei. Wenn sich eine Gelegenheit bietet, kommen Schüler zu mir und fragen, wie könnte ich denn das verkaufen? Was muss ich denn da verlangen? Dann sage ich immer, das Wichtigste ist, sie selbst müssen wissen, was ihre Arbeit wert ist und wie viel sie davon haben wollen. Das ist das erste, und das zweite ist: Sie müssen den Markt beobachten. Was gibt der Markt her? Für die europäischen Flechter oder die deutschen Flechter ist es unbedingt meiner Meinung nach wichtig, sich dadurch von Importen abzusetzen, indem man sich eine eigene Handschrift zulegt, einen eigenen Stil zulegt. Dass der Kunde erkennt, das ist von dem Flechter eventuell, der unterscheidet sich jetzt von der massenhaften Importware. Und dadurch auch bewusst wird, dass jedes Teil, das der Kunde bei einem heimischen Flechter oder einen europäischen Flechter kauft, ein Unikat ist, das keine Massenware ist."
Margarete Hauser, Städtische Meisterschule für Kirchenmaler und Vergolder, München
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"Mein Name ist Margarete Hauser, ich bin hier an der Meisterschule für das Vergolderhandwerk Lehrkraft, schon seit vielen Jahren, und meine Hauptunterrichtsfächer sind die Mal- und Fasstechniken bei den Kirchenmalern und Vergoldern, aber auch die Fachtechnologie."
Wie schaut es denn aus mit den Bewerbungen? Wie viele junge Menschen möchten das lernen? Wie viele Plätze haben Sie?
"Also unsere Klasse würde 25 Schüler aufnehmen können. Aber insgesamt oder dieses Jahr [2021] haben wir tatsächlich 16 Teilnehmerinnen. Dies ist bunt gemischt, es sind Vergolder dabei, es sind Kirchenmaler und Kirchenmalerinnen dabei. Also wir haben keine Nachwuchsprobleme."
Wofür braucht es dieses Handwerk noch? Also was genau werden die ausgebildeten jungen Menschen dann später mal machen?
"Das Hauptbeschäftigungsfeld für die Kirchenmaler und Vergolder ist natürlich schon seit vielen Jahren die Restaurierung. Sowohl der Vergolder bekommt in die Werkstatt historische Rahmen, Möbelstücke, Objekte, die irgendwie einen Schaden haben, die wieder hergerichtet werden sollen. Die Kirchenmaler sind mehr auf der Baustelle unterwegs. Aber auch da gibt es natürlich vor allem in Bayern viel Betätigungsfeld. Der Restaurierungszyklus bei Kirchen liegt ungefähr bei 20 Jahren. Also das heißt, wenn man lange genug im Handwerk ist, arbeitet man irgendwann mal hinter seiner eigenen Arbeit her."
Um was für Materialien geht es da eigentlich? Also bei Kirchenmalern, welche Flächen werden überhaupt bemalt? Mit was für Farben arbeitet man da?
"Das unterscheidet sich ein bisschen, die Vergolder haben, das ist ja schon im Berufsnamen drin, das Hauptbetätigungsfeld ist Vergolden. Und da wird aber tatsächlich mit Materialien gearbeitet, die im Prinzip schon die alten Ägypter vor 4000 Jahren verwendet haben. Wir bleiben beim Kreidegrund, bei den Glutenleimen, die zum Teil aus Haut und Knochen hergestellt werden, und beim Blattgold oder Blattmetall allgemein. Das ist so das wichtigste Material für die Vergolder. Der Kirchenmaler, der hat sein Material beim Kalk, wobei da auch mittlerweile die moderne Technik Einzug gehalten hat. Also diese ganzen Farben auf der Basis von Wasserglas Silikatfarben werden auch schon seit vielen Jahren verwendet und beweisen sich vor allem auch in ihrer Qualität so, dass man durchaus die mittlerweile in der Denkmalpflege einsetzen kann. Aber was die Farbgebung angeht, da greifen sowohl die Vergolder wie auch die Kirchenmaler natürlich immer auf die Pigmente zurück, und das sind dann tatsächlich Erdfarben, wo tatsächlich aus Erde farbige Gesteinsschichten gegraben werden und gemahlen. Und das ist die Basis für unsere Farben."
Was sind denn das für junge Leute, die im Zeitalter von Instagram und Facebook sagen, ich will Kirchenmaler werden.
"Das ist sehr, sehr unterschiedlich. Also die klassische Klientel, dass praktisch der Vater und der Großvater schon Kirchenmaler war, das gibt es zwar auch immer noch, aber heutzutage haben wir sehr viele Quereinsteiger, die vielleicht schon mal einen anderen Beruf ausprobiert haben und gemerkt haben, das ist alles viel zu modern. Und man tendiert dann doch vielleicht mehr zum Historischen und von daher kriegen wir unser Klientel tatsächlich aus allen Bevölkerungsschichten und vor allem in unterschiedlichen Altersgruppierungen. Also wir haben nicht nur an der Meisterschule Schüler, die gerade mal die Berufsausbildung abgeschlossen haben, sondern es kommen eben auch tatsächlich ältere Gesellen, die vor vielen Jahren mal ihre Gesellenprüfung gemacht haben, und sagen, so, und jetzt möchten wir aber den Meister noch draufsetzen."
Und warum ist es wichtig, diesen Meister zu machen. Also was lernt man noch dazu oder was kann man nur mit dem Meistertitel machen?
"Der Meistertitel befähigt einen in Deutschland natürlich dazu, Auszubildende im Betrieb aufzunehmen, also Lehrlinge auszubilden. Und bei den Kirchenmalern, das ist nach wie vor ein Beruf, der in der Anlage A verankert ist bei der Handwerksordnung, also das heißt, wer einen Betrieb gründen will als Kirchenmaler oder Kirchenmalerin, der muss einen Meistertitel führen. Also das ist für die Kirchenmaler natürlich der erste Antrieb. Trotzdem haben wir aber auch sehr viele Vergolderinnen und Vergolder. Und die bräuchten eigentlich die Meistertitel nicht, die müssten, wenn sie Auszubildende aufnehmen, nur den Ausbilderschein machen. Aber das ist nicht der erste Antrieb. Also es geht immer darum, mehr zu lernen, das ganze Berufsfeld intensiver wahrzunehmen, breiter aufgestellt zu sein. Das ist, glaube ich, insgesamt und immer schon der große Antrieb gewesen in diesen beiden Berufen."
Wenn Sie sagen, breiter aufgestellt zu sein, was lernt man denn außer die Technik als solche, also wo geht es noch über die handwerkliche Wissensvermittlung hinaus?
"Das sind natürlich die ganzen betriebswirtschaftlichen Bereiche, die man, wenn man einen Betrieb gut führen will, auch noch erlernt, wie schon auch angemerkt, diese Ausbilder-Eignung, dass man also auch in der Lage ist, junge Menschen auszubilden wieder in dem Beruf. Es kommt aber einfach auch noch so eine Sparte dazu, wir haben Fächer, die schwerpunktmäßig Gestaltung mit unterrichten. Und heutzutage ist auch beim Vergolder und beim Kirchenmaler natürlich die EDV nicht mehr wegzudenken. Und auch Gestaltung läuft eben auch mittlerweile unter dem Titel: Ich sitze am Computer und habe ein Programm und muss das bedienen. Und das ist natürlich auch etwas, was bei uns jetzt im Unterricht immer mehr Platz einnimmt."
Haben Sie Informationen darüber, wie es mit den Meistern dann später weitergeht? Also gründen die wirklich alle einen eigenen Betrieb, lassen Sie sich doch anstellen, machen die vielleicht ganz was anderes und vor allem auch gehen die eher in die Restaurierung oder machen die dann doch auch mal eigene Sachen?
"Das ist tatsächlich ein bisschen schwierig, aber es ist sehr, sehr breit. Also die Rückmeldungen, die wir bekommen von ehemaligen Schülern, da ist alles dabei. Es gibt junge Menschen, die haben die Meisterprüfung und springen sofort ins kalte Wasser und gründen einen Betrieb. Das geht oft gut, manchmal geht es natürlich auch nicht so gut, es ist gerade in den Bereichen sehr schwer, weil es angestammte Betriebe gibt, die, ich übertreibe jetzt, wenn ich sage so eine Art Platzhirsch, ist es nicht, aber die Denkmalpflege greift einfach gern auf Betriebe zurück, wo sie sich verlassen kann. Und wenn ich ganz frisch anfange, habe ich natürlich noch keine Referenzen. Aber es glückt, also es gibt immer wieder Kollegen, die das schaffen in die Selbständigkeit und dann aber sehr erfolgreich sind. Wir haben auch viele Schülerinnen und Schüler, die später noch ein Studium dranhängen. Die sagen, das reicht jetzt noch nicht, und die gehen dann noch einmal an die Uni und studieren noch mal Kunstgeschichte dazu oder Architektur und gehen dann tatsächlich aber auch in Bereiche, die mit dem reinen Handwerk gar nichts mehr zu tun haben. Es gibt natürlich dann auch die Tradition, wo man sagt in den elterlichen Betrieb zurück, und die übernehmen dann einfach das bestehende Handwerk oder den bestehenden Betrieb. Leider kommen auch manche, für die es dann einfach hier dann Schluss. Die haben zwar dann den Meistertitel, aber dann ist es einfach handwerklich vorbei erst mal."
Was bedeutet denn den Schülern, oder vielleicht ist das ja auch das Selbstverständnis der Schule, was bedeutet denn das Handwerk also wirklich dieses Tun mit den Händen, welchen Rang nimmt das ein?
"Für unsere Schüler, glaube ich, ist das ein sehr, sehr hoher Stellenwert. Also wer bei den Kirchenmalern und Vergoldern ins Handwerk geht, der weiß, dass er eben in der Werkstatt sitzt, an der Baustelle ist und auch mal richtig schmutzig wird, und dann aber wieder sehr schöne Sachen machen kann. Und dass er sich wirklich auch mit Dingen beschäftigen kann, die nach seiner Arbeit an Wert gewonnen haben. Und ich glaube, dass das auch ein ganz großes Kriterium im Handwerk ist, dass man einfach selber etwas schafft, was zu einer Wertsteigerung führt. Und es gibt ja eine unglaubliche Befriedigung und man fühlt sich dann ja auch stolz."
In der Ausstellung ist ja zu sehen, wie so ein Relief nach und nach vergoldet wird. Könnten Sie die Arbeitsschritte einmal kurz beschreiben, vielleicht auch unter besonderer Berücksichtigung der Werkzeuge.
"Das kann ich gern. Also Ausgangspunkt bei den Kirchenmalern und Vergoldern ist immer ein fertiges Objekt. Also wir sind keine Bildhauer, wir sind keine Stuckateure, sondern wir greifen praktisch auf das zurück, was praktisch Bildhauer, Stuckateure, Rahmenhersteller liefern. Und für uns als Bearbeitungs-Oberfläche gilt praktisch die Oberfläche. Und gerade bei so Holzobjekten ist der erste Arbeitsschritt natürlich immer die Grundierung. Und die besteht, wie ich vorher schon mal gesagt habe, aus Kreide und Leim. Also im Prinzip aus relativ einfachen Materialien, die, man kann fast sagen, billig sind. Aber das billig ist hier natürlich relativ, weil allein dieses Aufbringen der Kreidegrundschichten, das sind insgesamt, wenn man es summa summarum zusammenzählt,kommt man auf ungefähr 20 Arbeitsschritte, nur damit man die Grundierung hat. Dann schaut alles ganz weiß aus, und man sieht erstmal noch gar nicht viel von dem, wie es fertig ausschauen soll. Jetzt braucht man die Zwischenschritte, dass man praktisch den Kreidegrund schleift mit Schleifpapier. Früher, ganz, ganz früher, wird immer erzählt, dass Schachtelhalm verwendet wurde zum Schleifen, das verwenden wir aber schon lange nicht mehr. Dann kommt die Verziertechnik, das heißt wir gravieren, wir bearbeiten den weißen Kreidegrund, da kommt jetzt die Ornamentik dazu. Auch hier verwendet man ganz spezielle Werkzeuge, Gravierhaken, Wuckeleisen oder Tremoliereisen, Punzierstifte, das sind also so diese klassischen Bearbeitungswerkzeuge und da formen wir jetzt die Ornamentik im weißen Kreidegrund. Wenn die fertig ist, wird praktisch die Vergoldung ausgeführt. Hier braucht man das hauchdünne Blattgold oder Blattsilber, je nachdem, wie der Effekt werden soll. Als nächster Schritt kommt das Blattmetall, also die Vergoldung. Da braucht man das hauchdünne Blattmetall oder Blattsilber, und das wird verarbeitet mit einem Vergolderwerkzeug. Das ist aber auch schon seit vielen, vielen Jahrhunderten ein Holzbrett, auf dem ein Naturleder gespannt ist. Dann gibt es ein Messer dazu, das ist zweischneidig, das sogenannte Vergoldermesser. Das ist fast das wichtigste Werkzeug, mit dem kann man das hauchdünne Blattgold auf das Leder legen und schneidet es dann in die Stücke, die verarbeitet werden sollen. Und das Verarbeiten des Blattgoldes ist natürlich überhaupt nicht einfach. Das Blattgold selber, wenn es fein ausgeschlagen ist, hat ein Tausendstel Millimeter. Also es ist wesentlich dünner als menschliches Haar. Und wenn das auf dem Vergolderkissen draufliegt, dann braucht es tatsächlich ein spezielles Werkzeug, um es auf den gewünschten Untergrund, auf den Kreidegrund zu legen. Wenn man das Blattgold mit Fingern berührt, dann hat man eigentlich nichts mehr in der Hand, man kann es zerknüllen, und es bleibt nicht einmal ein stecknadelgroßes Stückchen Blattgold über. Also braucht man jetzt ein spezielles Werkzeug, um das Blattgold zu transferieren, auf den Untergrund. Und hilfreich dabei ist eben der sogenannte Anschießer. Das ist ein Pinsel, traditionsgemäß seit vielen, vielen hundert Jahren aus Fehhaar hergestellt. Das ist im Prinzip ein Pappkarton oder zwei Pappkarton Streifen, wo dieses Fehhaar, das ist aus dem Schwanz vom Sibirischen Eichhörnchen, eingepappt wird und mit dem kann man praktisch dann das feine Blattgold aufnehmen und auf den Untergrund legen. Man kennt die Handbewegung des Vergolders, also bei "Was bin ich?" hätte man hier eine wunderbare Szene, weil der Vergolder reibt den Anschießer immer an seiner Wange, bevor er das Blattgold aufnimmt. Das dient im Prinzip nur dazu, dass die Haare sich statisch aufladen, und über diese statische Wechselwirkung nehmen die Haare dann das Blattgold auf und man kann es auf den Untergrund bringen. Und erst wenn die Vergoldung fertig ist, ist dann der letzte Schritt die farbige Fassung mit Pigmenten und Bindemitteln."
Also wirklich jahrhundertealte Techniken, gar nicht viel abgewandelt. Wo gibt es denn in Ihrer Schule doch ein bisschen Moderne? Was für Möglichkeiten gibt es, was für Interesse ist vielleicht auch bei den Schülern da, hier und da mit moderneren Techniken zu arbeiten?
"Also wo man es am deutlichsten merkt, ist natürlich beim Entwurf. Heutzutage sitzt kaum mehr ein Schüler über Blatt Papier und vergrößert seine Ornamente auf die richtige Größe damit er es dann verarbeiten kann. Das läuft heute alles über die EDV, wir scannen Vorlagen ein, wir vergrößern die Vorlagen im Computer, wir verbessern auch die Ornamente mit dem Zeichenprogramm und dann druckt man das in der gewünschten Größe aus. Oder es geht sogar so weit, dass man dann auch Folien ausplotten, mit denen dann weitergearbeitet werden kann. Also das hätten sich unsere Meister vor 50 Jahren wahrscheinlich noch überhaupt nicht träumen lassen. Und das hat auch jetzt einige Jahre Widerstand gebraucht, um auch unsere jungen Schüler zu überzeugen, dass das rationeller ist, dass man deshalb genauso gut arbeiten kann. Wo sich auch moderne Technik aber schon ein bisschen länger breit macht, das ist bei der Verarbeitung der Materialien, also so Spritztechnologie mit Niederdruck oder Hochspritzgeräten, die werden schon eine gewisse Zeit verwendet, und das funktioniert aber auch sehr gut, und man kann damit sogar auch Kreidegrund verarbeiten."
Was muss man denn mitbringen, um ein guter Vergolder oder Kirchenmaler zu werden?
"Also das wichtigste, glaube ich, ist Geduld und vor allem Liebe zu den alten Dingen. Also man muss schon gewisse Neigung dazu haben, dass man mit historischen Figuren, mit Gemälden, mit alten Rahmen, an Altären arbeiten kann. Wenn man da nicht den Bezug dazu findet, dann tut man sich glaube ich, sehr, sehr schwer. Ansonsten, die Kirchenmaler brauchen so ein bisschen Standhaftigkeit was kaltes Wetter anbelangt, weil in Kirchen und Schlössern ist es oft kühl. Auch wenn es Sommer ist, kann in der Kirche mal durchaus eine Tagestemperatur von zehn Grad herrschen. Und wenn man da länger drinsteht, dann wird es schon sehr anstrengend. Und da das Kirchenmaler-Handwerk zum Malerhandwerk gehört, ist es einfach auch notwendig, dass man einmal kräftiger hinlangt. Also so ein Eimer mit Kalk wiegt etwas und wenn man das auf das Gerüst hinaufhieven muss, braucht man einfach tatsächlich ein bisschen Kraft dazu. Schwindelfrei sollte man natürlich auch sein. Das ist ganz wichtig. Das ist jetzt beim Vergolder, bei der Vergolderin nicht ganz so wichtig, die sitzen ja mehr in der Werkstatt. Was bei denen natürlich dazukommt, ist der Kontakt zum Kunden. Vergolder, Vergolderinnen werden im Beruf nur dann erfolgreich sein, wenn sie sich auch trauen, mit der Kundschaft in Kontakt zu treten und im Dialog auch ihre Arbeiten zu verkaufen. Weil nur so funktioniert das Geschäft dann."
Welche Rolle spielt denn eigentlich die Gestaltung? Also Sie sagten schon, ein großes Aufgabenfeld ist natürlich Restaurierung, wo schon vorgegeben ist, wie es aussehen soll letztlich. Aber wo kann man vielleicht etwas Eigenes einbringen? Oder wie wichtig ist, dass man da ein Händchen für mitbringt?
"Das ist ganz schwierig. Der Rahmenvergolder hat momentan ein bisschen ein schweres Standing, modern ausgedrückt, weil der Rahmen in der modernen Wohnung fast keine Rolle mehr spielt. Das, was vielleicht vor 50 Jahren noch absolut üblich war, dass man im Antikenmarkt Bilder gekauft hat und hat sich dann dafür für die Wohnung Rahmen herstellen lassen, das ist eigentlich momentan nicht das große Geschäftsfeld. Also man muss schon ein bisschen findig sein. Aber es ist durchaus möglich, auch moderne Rahmengestaltung durchzuführen und auch zu verkaufen, also der Kunde schätzt auch so etwas. Wo man richtig kreativ werden kann, ist an der Wandgestaltung. Vergoldungen finden heutzutage großflächig statt, auf modernen Yachten, in Hotels wird Gold gewünscht, und da kann auch der Vergolder sehr kreativ sein. Der Kirchenmaler hingegen ist nicht ganz so in der kreativen Ecke. Also da ist tatsächlich das große, breite Standbein die Restaurierung."
Sie hatten viel Geduld genannt, die man mitbringen muss. Jetzt darf man sich aber, glaube ich, nicht vorstellen, dass unendlich viel Zeit für jedes Stück zur Verfügung steht. Im Gegenteil: Die Schüler müssen oder die zum Meister werdenden Schüler müssen eben auch lernen, das in einem bestimmten Zeitrahmen zu schaffen, um überhaupt überlebensfähig zu sein am Markt. Wie trainiert man denn so was?
"Das ist tatsächlich eine schwierige Frage und ein schwieriges Vorhaben immer. Aber wir versuchen tatsächlich über dieses eine Meisterschuljahr die Schüler auch daran zu gewöhnen, dass Arbeiten fertig werden müssen, weil nur so kann man wirtschaftlich später draußen arbeiten. Und das ist eine leidliche Erfahrung aller Meisterschüler, das wir versuchen übers Jahr, unterschiedliche Projekte durchzuführen. Und da gibt es dann natürlich hier immer Abgabezeitpunkte und da heißt es also zum Beispiel am 13. Dezember ist Abgabetermin und dann muss die Arbeit fertig da liegen. Und da merkt man schon, da kommen dann die Schüler schon ganz schön ins Schwitzen. Und dann kriegen wir immer im Nachgang: Ja, hätte ich mehr Zeit gehabt, dann wäre es ja besser gewesen. Aber genau das ist es, was man trainieren muss. Gute Qualität in einer bestimmten Zeit, das macht dann zum Schluss auch Handwerk aus. Alles andere wäre künstlerisches Tun."
Manche Menschen – ich würde sogar sagen viele Menschen – kennen diese Berufe schon gar nicht mehr. Was kann denn vielleicht die Schule dafür tun, das auch bekannter zu machen? Wie versuchen Sie, an die Öffentlichkeit zu gehen? Wie gehen Sie auf die Menschen zu? Was für Kontakte zur Stadt gibt es oder zum Umfeld?
"Also wir sind da sehr daran interessiert, unsere Berufe auch in der breiten Öffentlichkeit bekannt zu halten, also nicht zu machen, sondern zu halten. Das ist auch ein Grund, warum wir eben Projekte durchführen. Und wir versuchen immer, die Ergebnisse dieser Projekte in der Öffentlichkeit zu präsentieren. Also jetzt das beste Beispiel ist momentan die Ausstellung in der Galerie Handwerk. Wenn uns der Herr Lösche einlädt, dann sagen wir immer ja, weil das ist eine der besten Möglichkeiten, draußen was zu zeigen. Aber auch neben der Galerie versuchen wir immer, die Projekte an außerhäusige Partner zu binden, ob es die Bayerische Schlösserverwaltung ist oder das Landesamt für Denkmalpflege. Also wir versuchen da immer jemanden zu finden, der unsere Objekte nachher auch ausstellen kann. Über das hinaus gibt es auch Fachmessen. Es gibt zum Beispiel alle zwei Jahre in Leipzig die „Denkmal“. Auch da sind wir immer und regelmäßig mit einem Messestand vertreten, als Meisterschule, weil man sagen, die Restaurierung die läuft eh, aber den Beruf selber, den Vergolder, den Kirchenmaler, den kennt man nicht. Und darum präsentieren wir uns wirklich als Meisterschule."
Und wie sind die Reaktionen? Oder grundsätzlich, wenn Sie jemanden kennenlernen und Sie sagen, Sie arbeiten an der Meisterschule für diese Berufe, wie ist die Wertschätzung dieser Berufe oder des Handwerks?
"Also wenn man dann mal erklärt hat, um was es in dem Beruf geht, dann ist meistens das Hallo sehr groß und natürlich auch die Wertschätzung. Ach du meine Güte, ach Sie arbeiten da in Kirchen und an Schlössern und mit so tollen Gegenständen, also das wird schon in der Bevölkerung als sehr qualitätvoller Beruf eingestuft, und man kann damit schon sehr gut punkten."
Geht es Ihnen persönlich auch manchmal ein bisschen darum, dieses Kulturgut sozusagen weiterzugeben?
"Ja, also ich bin ja selber gelernte Kirchenmalerin. Und das war immer mein Wunsch, eben historische Gegenstände zu erhalten. Also die Restaurierung war immer so mein ganz großer Berufswunsch. Ich bin dann eher zufällig in den Schuldienst gekommen, aber natürlich habe ich persönlich hier jetzt die Möglichkeit, diese historischen Techniken Jahr für Jahr an junge Menschen weiterzugeben. Es ist schon ein großes Anliegen, eben dieses historische Kulturgut weiterzugeben. Und das war für mich persönlich auch der Antrieb, dass ich im Kontakt oder in Zusammenarbeit mit den Innungen den Antrag gestellt habe und dann auch versucht habe – und wir haben es ja sehr erfolgreich durchgebracht –, dass die Fass-, Mal und Vergoldertechniken der Kirchenmaler und der Vergolder ins immaterielle Kulturerbe mit aufgenommen wurden."
Haben Sie jemals sich überlegt, wie die Welt aussähe, wenn es diese Berufe nicht gäbe und das keiner mehr könnte? Was wäre denn dann?
"Das ist tatsächlich schrecklich. Gut, die Welt würde weiterleben. Wir sind jetzt nicht der Beruf, wo es ums tägliche Überleben geht. Aber die Welt wäre wahrscheinlich nicht mehr so reich. Gerade Bayern profitiert ja ungemein von den Schlössern und von den Kirchen, den barocken, und der Tourismus ist in Bayern nur deshalb so stark, weil wir damit punkten können, mit einer Wieskirche oder mit einer Kirche Vierzehnheiligen. Und das ist aber im Prinzip unser Handwerk, sowohl von den Vergoldern wie von den Kirchenmalern, also es wäre wirklich schade, wenn es die beiden Berufe nicht mehr gäbe."
Also man muss auch ganz klar sagen: Wenn es keiner mehr von der Pike auf lernt, das zu machen, kann es keiner restaurieren und dann geht es in kürzeste Zeit auch kaputt.
"Ja, das geht wirklich, erstens sehr schnell kaputt. Also ich habe ja eingangs gesagt so ein Restaurierungszyklus bei einer Kirche hat ungefähr 20 Jahre. Und dann ist aber wirklich Zeit, spätestens Zeit, dass man sich wieder um das Objekt kümmert. Der Zahn der Zeit nagt an den historischen Objekten, und darum bleibt auch immer ein Betätigungsfeld für die Kirchenmaler und Vergolder. Es ist eben auch so, dass wenn eine Technik verloren geht, die unglaublich schwer wieder ins Leben ruft. Also das schönste Beispiel ist jetzt das Ausstellungsobjekt in der Galerie Handwerk, das Relief, und dort wird eine Technik präsentiert, die es über einige hundert Jahre nicht mehr gegeben hat, das sogenannte Press-Brokat. Das ist eine Technik, die ist im Tegernseer Manuskript noch beschrieben, also man hat diese Technik angewandt im Mittelalter, und es gibt an den mittelalterlichen Figuren und Rahmen Beispiele für diese Technik. Aber dann, mit Beginn der Neuzeit, wurde die Technik nicht mehr weiterverfolgt. Und man hatte praktisch nur noch die Reste an den Altären, nur noch die Reste an den Figuren. Aber keiner wusste mehr, wie es geht. Und man konnte im Manuskript nachlesen, vage, wie es denn zu machen sei. Aber bis in die 80er-Jahre war praktisch die Technik komplett weg. Und dass wir wieder wissen, wie es funktioniert, ist einem unserer Lehrer zu verdanken, der Herr Kellner, der auch das Fachbuch geschrieben hat zum Vergolden oder zu den Vergoldetertechniken, der hat in den Manuskripten gelesen und hat mit den Meisterschülern Wege ausprobiert, wie man diese Technik wieder oder wie die überhaupt umgesetzt werden soll. Und heutzutage ist es für uns, für die Meisterschule Standard. Also wir lehren die Technik wieder unseren Schülern, und wir sind in der Qualität, also ich glaube ich kann behaupten, dass wir es wieder genau in der gleichen Qualität herstellen können wie es im Mittelalter auch war. Also es gibt tatsächlich Techniken, die gingen verloren. Das wäre natürlich schade, weil mit dem Fortgang der Berufe werden auch alle unsere Techniken, ich denke, innerhalb einer Generation weg."
Und versuchen Sie denn zumindest schriftlich was zu dokumentieren? Haben Sie ein Depot, eine eigene kleine Sammlung?
"Wir haben eine große Sammlung, also ein Archiv im Keller, wo gerade so bedeutende Stücke, wo auch spezielle Techniken zu sehen sind, archiviert werden. Die werden auch zum Beispiel bei Ausstellungen immer wieder ausgegraben und gezeigt. Aber unser wichtigeres Anliegen ist, dass wir das natürlich schriftlich niederlegen und aber auch, und das ist moderne Technik, auch in zum Beispiel kurzen Videoclips zeigen. Also ein Projekt das wir dieses Jahr durchführen, ist tatsächlich, dass wir diese Mal-, Fass- und Vergoldertechniken der Kirchenmaler und der Vergolder in ein Projekt zusammenfassen. Und eine Aufgabe der Schüler ist zu jeder dieser Technik ein kurzes Erklärvideo zu erstellen, weil wir mittlerweile wissen, dass das das Medium ist, das die jungen Leute gern anschauen, bevor sie ein Buch in die Hand nehmen und gerade über das Bild natürlich so eine Technik noch wesentlich leichter an jemandem Dritten weitergegeben werden kann."
Also die Vermittlung von Handwerkstechniken funktioniert einfach übers Zuschauen auch oder übers Auge. Man muss sehen, wie es geht, und dann kann man es nachmachen.
"Das ist eigentlich sogar das Wichtigste. Also, da kann man ganz viel lesen, aber deswegen hat man noch nicht das Werkzeug in der Hand gehabt und wir merken es gerade in der Berufsschule immer wieder, wenn wir mit den Techniken beginnen. Das ist im Prinzip das Allerwichtigste, dass die schon mal, die jungen Auszubildenden, die Werkzeuge richtig in die Hand nehmen haben, weil wenn man das nicht tut, dann funktioniert das Werkzeug natürlich auch nicht, und das kann man nur herzeigen. Also, das kann man nicht im Buch darstellen, auch mit noch so guten Fotos, es wird nicht gelingen."
Norman Weber, Staatliche Berufsfachschule für Glas und Schmuck, Kaufbeuren/ Neugablonz
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"Mein Name ist Norman Weber und ich bin ausgebildeter Gold- und Silberschmied und bin derzeit der künstlerische Leiter der Staatlichen Berufsfachschule für Glas und Schmuck."
Warum ist die Berufsfachschule für Glas und Schmuck eigentlich ausgerechnet in Kaufbeuren beheimatet bzw. ganz konkret im Ortsteil Neugablonz?
"Das hat mit der Geschichte der Schule zu tun. Neugablonz war ja eine der größten Ansiedlungen wieder nach dem Zweiten Weltkrieg von Menschen, die aus dem Osten vertrieben worden sind. Und in Alt-Gablonz gab es bereits eine ganz florierende Modeschmuck-Industrie und das hing schon damit zusammen. 1880 wurde eine Kunstgewerbeschule in Alt-Gablonz aufgebaut und gegründet. Und das war in dem Zuge, wo auch an anderen Orten in Deutschland verschiedene Kunstgewerbeschulen in München, Nürnberg, in Pforzheim usw. wurden ja überall Kunstgewerbeschulen eingerichtet, und da wurde auch in Gablonz eine derartige Schule eingerichtet. Und als die Gablonzer sich in Neugablonz, im Stadtteil Neugablonz in Kaufbeuren, wieder angesiedelt haben, war es dann so, dass die Industrie sehr, sehr differenziert aufgestellt war. Also es haben einige Familienbetriebe verschiedene Bauteile gefertigt, die wiederum von anderen Betrieben weiterverarbeitet worden sind und am Schluss ist das Ganze dann zu einem Modeschmuck geworden, zu einer Bijouterie-Ware, die dann von den Exporteuren ins Ausland geliefert wurde. Und um diesen Mangel an Arbeitskräften eigentlich zu beheben, war sehr schnell der Entschluss gefasst, dass man eine Schule gründet. 1947 wurde die dann gegründet und aus dieser Schule hat sich dann allmählich, nachdem auch die Nachfrage vom Gürtlerhandwerk deutlich zurückging, hat sich im Grunde dann eine Schule entwickelt, die mehr im Zentrum hatte, auch Gold- und Silberschmiede und Glas- und Porzellanmaler, auch die Graveure, auszubilden, die aber, sagen wir mal, nicht nur auf den regionalen Markt hin abgezielt hatte."
Diese Kombination von Glas und Schmuck, was hat es denn damit auf sich?
"Ja die hat eben damit zu tun, mit Gablonz, das ist im heutigen Tschechien. Und zwar war das ja zuerst so im 16. Jahrhundert, so eine glasverarbeitende Industrie wurde da angesiedelt, und allmählich haben sich dann so Bijouteriewaren herauskristallisiert und dann kam die Metallverarbeitung noch dazu. Also die Menschen dort haben wahrscheinlich ein ganz gutes Gespür gehabt, was der Markt nachfragt und was sie da an Waren anbieten können."
Das heißt, Schmuck war damals aus Glas?
"Aus Glas, also wir haben ja hier selber im Haus noch nach wie vor das Glasperlenwickeln nach dieser alten Tradition, das wir allen Schülerinnen und Schülern anbieten. Und es waren auch diese Glassteine, also so geschliffene Glassteine, die Sie auch in den Lüstern finden, die zuvor in eine Form geprägt werden, das waren dann die Glasdrücker, es wurden auch Knöpfe hergestellt aus Glas, und es konnten im Grund ganz komplexe Glasformen auch hergestellt werden. Und das Glas hat ja die wunderbare Eigenschaft, dass man tolle Farben erzielen kann und vor allem dieses Transluzide vom Glas ist einfach dem Kunststoff weit überlegen."
Neugablonz war einmal eines der wichtigsten Zentren für Modeschmuck in ganz Deutschland. Wie schaut es denn heute aus? Ist dieses Stück Geschichte noch im Stadtbild präsent?
"Also ich glaube, für jemanden, der von außen nach Neugablonz jetzt kommt, erschließt sich das auf den ersten Blick nicht, dass das so eine bedeutende Vergangenheit hatte. Also in den 50er, 60er, 70er-Jahren war wahrscheinlich Neugablonz wirklich richtig eine lebendige Stadt, wo man auch internationalen Austausch gepflegt hat. Wobei man wahrscheinlich als Außenstehende wirklich so üppige Industrieanlagen oder sowas vermisst. Die Gablonzer, das war ja sehr stark arbeitsteilig aufgebaut, und die sprechen ja selber von so „Kleckerleswerk“. Die hatten dann vielleicht so ein kleineres Einfamilienhaus und auf einem Grundstück dann noch eine kleine Werkstätte, und je nachdem, wie das Ganze sich wirtschaftlich entwickelt hatte, wurde die Werkstatt noch einmal vergrößert. Und dann war vielleicht ein Glasdrücker mit drin, in der unmittelbaren Nachbarschaft gab es einen Gürtler, dann gab es natürlich auch diese Formenbauer, die ja bei uns heute noch als Graveure so tätig sind, die ja, sagen wir mal, die Pressformen erstellen, um dann so Fassungen für die Glassteine produzieren zu können, die man nachher zusammenlötet, das macht dann der Gürtler. Und dann wird das Ganze noch galvanisch veredelt. Und das war sehr stark arbeitsteilig geprägt und über den ganzen Ort sagen wir mal so verteilt. Und das hat eben nach sich gezogen, dass es viele klein- und mittelständische Betriebe gab, so zwischen 15 und vielleicht 30 Mitarbeitern. Und vieles wurde auch in Heimarbeit gemacht. Und die Firmen, die man heute noch sehen kann, das sind dann entweder größere Firmen, die nach wie vor Modeschmuck herstellen oder für bestimmte Modelabels arbeiten, also querbeet, weil fast alle von uns tragen irgendwelche Applikationen und Logos von irgendwelchen Firmen, ob jetzt an der Brille oder an der Jeans irgendwelche Nieten oder Reißverschlüsse und solche Sachen, in diesem Bereich werden ja tatsächlich nach wie vor hergestellt oder Unterwäsche, Bademoden und so weiter."
Wie beurteilen Sie die Wertschätzung der Schule und des Handwerks im Umfeld, also wie geht die Gemeinde zum Beispiel mit der Schule um?
"Also die Stadt muss ich da wirklich sehr, sehr positiv hervorheben. Die hat ein sehr, sehr starkes Interesse daran, dass die Schule weiterhin bestehen kann und hat ja auch in den letzten Jahren sehr, sehr viel Geld in die Hand genommen, auch mit der Regierung von Schwaben und mit dem bayerischen Staat, dass die Schule von Grund auf saniert werden konnte und das auch zwei Erweiterungsgebäude noch erstellt werden konnten, sodass wir jetzt, nach nahezu acht Jahren Bauzeit, eigentlich wirklich die Schule in einem ganz tollen Zustand jetzt haben. Was natürlich super ist, wenn jetzt da die 75-Jahr-Feier nächstes Jahr ansteht, sieht die Schule eigentlich wirklich sehr, sehr gut aus. Also ganz ähnlich wie 1947 als der Neubau damals eingeweiht wurde. Und von daher kann man davon ausgehen, dass die Stadt wirklich ein großes Interesse hat, dass dieses Juwel, wie es manchmal bezeichnet wird, auch weiterhin bestehen bleibt und gut unterstützt wird."
Die Schule hat also Zukunft. Und das Handwerk? Welche Berufsaussichten haben eigentlich Ihre Schüler?
"Es ist so, dass unsere Schüler, wir haben ja einen sehr, sehr großen Einzugsbereich. Also es sind so zwischen einem Viertel bis einem Drittel aus der näheren Umgebung, das heißt das ist aus dem gesamten Ostteil des Allgäus. Es sind aber auch sehr, sehr viele Schülerinnen und Schüler, die von weit weg kommen. Also wir haben Schülerinnen und Schüler, die kommen von Leipzig, die kommen von Frankfurt, von Berlin, von Hamburg. Wir haben auch ausländische Schülerinnen und Schüler, die aus dem europäischen Ausland kommen. Und wir haben aber auch Schülerinnen und Schüler, die von viel weiter wegkommen, also zum Beispiel von Taiwan oder auch von Kanada oder auch von Tallinn usw. Es sind zwar nicht allzu viele, weil wir haben ja als Voraussetzungen auch, dass die Schülerinnen und Schüler dem Unterricht auf Deutsch nachfolgen können sollten. Und das ist natürlich für manche eine Hürde. Aber viele schätzen im Grund diese Ausbildung, die wir anbieten. Und das ist auch der Grund für später, dass unsere Schüler auch weiter weggehen, wenn sie sich nach Arbeitsstellen suchen oder wenn sie sich auch über ein Studium weiterqualifizieren wollen. Also wir haben einen guten Anteil von Schülerinnen und Schülern, die nachher in das rein Handwerkliche gehen möchten, dass sie selber vielleicht einen Betrieb gründen und zunächst aber Erfahrungen sammeln in verschiedenen Betrieben. Dann haben wir auch ganz gutes Klientel von Schülerinnen und Schülern, die durch ein weiterführendes Studium dann den gestalterischen Aspekt weiterverfolgen. Und das geht dann zum Teil ins Design, ins Produktdesign oder auch, dass jemand seinen Schwerpunkt verlagert, das geht dann ins Kommunikationsdesign. Oder auch, dass sie es als freie Kunst ansehen und das weiterentwickeln und dann auf die Akademien nach München, Nürnberg oder Halle gehen."
Wie genau wird das handwerkliche Wissen an Ihrer Schule denn vermittelt, also welche Konzept haben Sie an Ihrer Schule zur Wissensvermittlung erarbeitet? Geht man da eher über Lehrbücher, geht es um Zeigen und Nachmachen oder versucht man, die Schüler zum Ausprobieren und Experimentieren anzuregen?
"Wir haben einen sehr hohen Praxisanteil an der Schule. Das ist ja auch das Kennzeichen einer Berufsfachschule, dass also auch die fachpraktischen Inhalte nicht wie im dualen System außerhalb der Berufsschule gelehrt werden, sondern im Haus selber. Und wir haben also sehr gut ausgestattete Werkstätten, und jeder Schüler hat seinen eigenen Arbeitsplatz, der voll ausgestattet ist. Auf die Schülerinnen und Schüler kommt hinzu, dass sie zu Beginn ihrer Ausbildung eine Grundausstattung sich anschaffen müssen. Und dann ist es so, dass wir zu ich würde mal sagen zu 80, 85 Prozent sicherlich projektbezogen arbeiten. Das heißt, es gibt ein bestimmtes Rahmenthema, das kann ein inhaltliches Thema sein, das sind meistens unsere Danner-Klassenwettbewerbe, die zum Beispiel unter dem Thema Zitat oder Heimat oder Lust der Täuschung oder H2O laufen können. Und dann gibt es aber die andere Möglichkeit noch, dass wir sagen, es sollte zum Beispiel eine Brosche werden, und was wir voraussetzen, ist, dass diese Schiebehaken-Mechanik der Broschierung auf der Rückseite nicht ein vorgefertigtes Element ist, das man von einem der Hersteller oder Zulieferer bezieht, sondern dass das auch selbst hergestellt wird. Und dann gibt es vielleicht noch eine gewisse Einschränkung zum Thema, dass man sagt, es soll eine Emailleplatte gestaltet und gefasst werden. Und dann sind die Schülerinnen und Schüler eigentlich angehalten, die ersten Skizzen in etwas zielgerichtetere Entwürfe zu betreiben. Da werden sie aber auch begleitet von den Fachlehrern. Zum Teil werden sie auch parallel dazu noch von den Gestaltungs-Lehrkräften begleitet. Dann sind Modelle in Papier oder in Metall vorgesehen, also wo man auch verschiedene Mechaniken oder Bewegungselemente studiert und guckt, ob das dann auch wirklich so funktioniert und ob Halsschmuck dann wirklich um den Hals so wunderbar liegt, wie man sich das vorstellt. Und so wird peu à peu das Stück eigentlich erarbeitet. Und in einer Realisierungsphase, die sich dann über eine Woche, je nach Umfang auch mal zwei oder drei Wochen hinziehen kann, wird dieses Werkstück dann gefertigt. Also das kann dann, wie gesagt, eine Brosche sein. Das kann eine Teekanne sein. Das kann aber ganz ähnlich auch bei den Glas- und Porzellanmalern ein großer Entwurf für zum Beispiel eine Architektur sein. Also bei den Glas- und Porzellanmalern ist es auch so, dass wir auch ganz konkrete Beispiele uns suchen. Zum Beispiel wurde jetzt für unsere Nachbarschule, für die Grundschule, eine Glaswandgestaltung thematisiert für eine Mensa, wo die Kinder dann mittags essen können. Da geht man dann vor Ort, misst die Fenster aus, spricht vielleicht mit den Lehrkräften, aber auch mit den Schülerinnen und Schülern und versucht dann so eine Bedarfsabfrage zu machen und liefert dann verschiedene Entwürfe dazu. Also das ist dann doch auch sehr praxisnah."
Und die Techniken selbst, werden die auch so peu á peu gelehrt oder gibt es ganz am Anfang einen Grundkurs?
"Das Niveau steigt natürlich sagen wir mal von Jahrgangsstufe zu Jahrgangsstufe und von Projekt zu Projekt. Was wir nicht machen ist, dass wir jetzt so reine Feilproben oder so etwas machen, sondern das sieht dann so aus, dass zum Beispiel die Schülerinnen und Schüler zuerst mal vielleicht einen Polierstahl fertigen und den Griff und die Halterung zum Beispiel mit gefeilten Ornamenten überziehen und die herausarbeiten. Oder bei den Gold- und Silberschmieden ist es dann oftmals das Thema der Armreif aus Holz. Und da lernt man das Feilen genauso und das Sägen, wie wenn wir jetzt hergehen würden und sagen würden: Jetzt machen Sie einen Würfel und die Kantenlänge muss gleich sein. Und dann zielt man auf eine Messbarkeit ab. Das kommt bei uns durchaus auch, dass wir nachher auf eine Präzision sehr stark Wert legen, wenn wir sagen zum Beispiel für einen bestimmten Stein muss eine Fassung gebaut werden, und dann muss der Stein auf Steinauflage liegen und das muss alles sehr exakt geplant sein.
Und ja, wie kommen die Schüler an das. Also die lernen das schrittweise, die Lehrer leiten sie an, führen das auch mal vor, wie das ausschaut, besprechen das mit Schülern. Die Schüler können sich aber auch zum Teil einbringen und Vorschläge liefern, wie sie das jetzt lösen würden, das Problem. Und dann muss man es einfach mal tun. Das ist ganz wichtig. Und ich sage oft zu unseren Schülern unsere Schule ist keine Fehlervermeidungs-Schule, sondern es ist so, dass man Fehler machen muss. Es ist einfach mal wichtig, dass man auch wenn es noch so schmerzhaft ist, dass man tatsächlich beim Prägen dann feststellt, wenn der Kern reist, dass man beim Härten etwas falsch gemacht hat. Oder wenn bei einer Bleiverglasung das Glas dann unter Umständen auch mal bricht, dass man da feststellt, dass man vielleicht verschiedene Arbeitsschritte, die im Vorfeld erfolgt sind, vielleicht ein bisschen zu ungenau gemacht hat, bei manchen Fehlern ein bisschen lässig dachte, dass man die vielleicht überspielen kann. Und ich glaube, die Erfahrungen sind ganz, ganz notwendig, dass man merkt, wie systematisch und wie gewissenhaft man an so ein Werkstück rangehen muss. Und letztlich denke ich auch, wenn man Fehler macht, dann lernt man auch, wie man die Fehler unter Umständen wieder ausbessern kann oder wie man Wege findet, damit der Fehler zu keinem Manko wird, sondern dass man Strategien entwickelt, um das Werkstück doch noch abschließen zu können und dass es trotzdem eine qualitativ hochwertige gestalterische und handwerkliche Arbeit gibt. Und das gibt unseren Schülerinnen und Schülern, glaube ich, auch dann nach der ersten Phase des Frustes ein ordentliches Selbstbewusstsein, also dass man lernt, ich kann mit Fehlern umgehen und ich erarbeite mir damit auch ein größeres Repertoire."
Abgesehen von diesen projektbezogenen, praxisorientierten Inhalten: Was wird an Ihrer Schule darüber hinaus noch vermittelt?
"Ja, wir haben einen großen Anteil an Gestaltungsunterricht, der zeigt sich eigentlich in allen unseren vier Berufen. Also die Schülerinnen und Schüler haben zum Beispiel auch Schrift, die haben dann Grundlagen der Gestaltung, da geht es dann ganz stark um perspektivische oder räumliche Darstellungen, dann um das Sachzeichnen. Die Zeichnung ist nach wie vor, also auch auf Papier, unmittelbares Kommunikationsmittel, damit ja auch die Schüler mit den Lehrkräften ihre Werkstücke genauer besprechen können. Weil sofern ich was in meinem Kopf, in der Vorstellung habe, weiß ja mein Gegenüber oft nicht genau was damit gemeint ist. Und mit der Zeichnung kann man das eigentlich wunderbar illustrieren und auf den Punkt bringen. Und dann sind es aber auch freiere Gestaltungsübungen, die sich also gerade bei den Glas- und Porzellanmalern sehr stark auch mit dem Thema Farbe auseinandersetzen. Zum Teil sind es aber auch freie plastische Übungen, die dann bei den Graveuren zum Beispiel angeboten werden. Und wir beziehen zusehends auch die zeitgemäßen Techniken mit ein, also das Entwerfen am Computer oder die Bildbearbeitung, also auch Layout-Gestaltung. Wir haben dann so Projekte, seit vielen, vielen Jahren wird zum Beispiel die Einladungskarte des Tags der offenen Tür in einem hausinternen Wettbewerb immer durchgeführt, wo sich die Schülerinnen und Schüler beteiligen können und unterschiedliche Entwürfe abgeben können, die dann von einer Jury, von einer unabhängigen Jury, dann ausgewertet werden. Und es ist eigentlich in den vergangenen Jahren immer so gewesen, dass es eine Einladungskarte einer Schülerin oder eines Schülers gegeben hat."
Könnten Sie bitte einmal handwerkliche Techniken nennen, die noch ganz in ihrer ursprünglichen Art gelehrt werden und in dieser Form im heutigen Berufsalltag auch noch eine Rolle spielen?
"Also es ist sicherlich so, dass in jedem Gewerk, das wir anbieten, also Glas- und Porzellanmaler, nach wie vor ganz traditionelle Techniken, zum Beispiel der Gestaltung der Kirchenfenster, Anwendung finden. Wir haben auch mehrere Kollegen, die in der Restaurierung tätig sind und die dann auch dieses wirklich ganz traditionelle Wissen weitergeben. Das ist auch nicht nur auf Glas- und Porzellanmaler und -malerinnen beschränkt, sondern das Gleiche haben wir in der Silberschmiede und in der Goldschmiede auch. Also, wenn ich jetzt aus dem Bereich der Goldschmiede eine Technik noch herausnehmen kann, ist es vielleicht tatsächlich das Emaille oder das Granulieren, aber auch bei den Graveuren nach wie vor das Herausarbeiten mit dem Meißel einer plastischen Form. Also das sind Sachen, wo man sagen muss, da hat sich über viele Hunderte von Jahren eigentlich nichts verändert."
Gibt es auch Techniken, die zwar noch nah am Ursprung sind, die aber doch leicht an die Lebenswirklichkeit des 21. Jahrhunderts angepasst wurden, also für die man vielleicht andere Werkzeug benutzt oder auch einfach mit Strom arbeitet?
"Das ist natürlich schon so, dass es verschiedene, also gerade wenn ich bei den Graveuren jetzt bleibe, wo wir bestimmte Presswerkzeuge haben, oder auch die Drehbänke, die eingesetzt werden, um zum Beispiel einen Presskern zuerst mal abzudrehen oder auch eine Fräsmaschine, um verschiedene Arbeiten, sagen wir mal gröbere Arbeiten, vorwegzunehmen, die sind mit Sicherheit drin, die auch an die Schülerinnen und Schüler weitergegeben werden müssen. Dann, bei den Glas- und Porzellanmalern haben wir sicherlich Airbrush- und Siebdrucktechniken, die eine Rolle spielen. Bei den Goldschmieden gibt es verschiedene Punktschweißgeräte, die man mittlerweile einsetzen kann, die vielleicht aufwändigere Formen des Bindens und Klammerns etwas vermindern oder weniger notwendig machen, um zwei Teile zusammenzuhalten während des Lötens. Und da bietet sich das tatsächlich an, dass man so Punktschweißen vornimmt."
Und dann gibt es natürlich noch ganz moderne und neue Techniken, die Sie auch einsetzen und lehren.
Absolut. Also, da sind wir natürlich auch gefragt, sagen wir mal Techniken, die vielleicht in der Industrie angewandt werden, oder viele Techniken, die zum Beispiel auch im Bereich der Zahntechnik angewendet werden, dass man es solche Dinge auch unseren Schülerinnen und Schülern zugänglich macht. Das ist bei den Glas- und Porzellanmalern zum Beispiel der Digitaldruck. Da unsere Glas- und Porzellanmaler ja auch stark architekturbezogen arbeiten, stellt sich natürlich oftmals die Frage, wenn ich so eine Gestaltung, eine Flächengestaltung, auf eine gewisse Distanz hin nur sehen kann, ist es für den Betrachter kaum wahrnehmbar, ob die Sache jetzt manuell oder digital gefertigt ist. Es ist allerdings anders, wenn ich an so eine Glasfläche zum Beispiel in einem Treppenhaus direkt daran vorbeigehe, dann nehme ich sehr wohl die qualitativen Unterschiede des Handgefertigten wahr, dass zum Beispiel mit Siebdruck oder mit Pinsel oder Airbrush gearbeitet wird, dass das auch auf unterschiedliche Scheiben aufgetragen, eine andere visuelle und haptische Wirkung hat, wie wenn man im Digitaldruck eine große Folie produzieren lässt, die dann auf das Glas aufgetragen wird. Und uns ist es wichtig, dass unsere Schülerinnen und Schüler einfach Erfahrungswerte sammeln und wissen, was, welche Technik oder welches Werkzeug, ob jetzt digital oder manuell, sich am besten für einen Auftrag oder für eine Problemlösung eignet. Und das ist dann immer noch, sagen wir mal den Schülerinnen und Schülern später überlassen, welche Techniken sie einsetzen wollen und auf was sie sich stärker konzentrieren. Die Schwierigkeit oder die Herausforderung, die sich für uns als Schule stellt, ist die Schüler, sagen wir mal im traditionellen Handwerk, wirklich gut vorzubereiten auf die spätere Lebensrealität, dazu sind diese drei Jahre der Ausbildung tatsächlich knapp bemessen. Also wenn Sie jetzt mit Werkstatt-Lehrerinnen und -Lehrern sprechen würden, würden alle sagen: Auf jeden Fall noch ein halbes Jahr würde guttun, um eine gewisse Routine zu bekommen. Und ähnliches gilt natürlich auch für die Digitaltechniken. Wenn wir jetzt beides miteinander mischen und diese drei Jahre nur zur Verfügung haben. Für die Ausbildung müssen wir natürlich zwangsläufig Techniken aus dem traditionellen Bereich jetzt zum Beispiel herausnehmen oder die Projekte kürzen. Und das ist natürlich eine Sache, die man immer wieder auf den Prüfstand stellen muss, diskutieren muss, inwiefern die traditionellen Techniken neben diesen zeitgemäßen Techniken, welchen Stellenwert sie besitzen und wo wir den Fokus drauflegen Beziehungsweise es wäre wünschenswert, dass wir von Stundenbudgetierung und vom Aufbau des Lehrplans eigentlich in Richtung einer Modularisierung kommen könnten. Dass wir unseren Schülerinnen und Schülern ein Wahl-Pflichtprogramm anbieten könnten, wo je nach Bedarf und Interesse der einzelnen Schülerinnen und Schüler eine Forcierung dann stattfinden kann. Also dass jemand zum Beispiel sich stärker auf traditionelle Techniken spezialisiert und jemand anderer stärker ins Digitale geht."
Mit welchen Vorstellungen und Wünschen kommen eigentlich Ihre Schüler an die Schule? Die meisten der modernen Techniken könnte man vermutlich auch anderswo erlernen, aber gerade die traditionellen Techniken gibt es in dieser Form nur an Ihrer Schule hier.
"Also ich gehe schon davon aus und aus den Gesprächen mit den Bewerberinnen und Bewerbern geht schon deutlich hervor, dass viele wirklich das manuelle Tun eigentlich als Ziel haben. Und das ist durchaus interessant, weil sich ja unsere Schülerschaft sehr heterogen zusammensetzt. Also wir haben Schülerinnen und Schüler, die mit 16, 17 eine Ausbildung bei uns beginnen. Und wir haben aber auch Schülerinnen und Schüler, die bereits 23, 24 sind und nach dem Abitur zunächst einmal ein Studium aufgenommen haben, in einem gestalterischen Bereich, zum Beispiel Architektur oder auch Kunstgeschichte oder sonstiges und die dann festgestellt haben, dass ihnen der Praxisanteil zu gering ausgefallen ist an den Hochschulen, und die dann nach einem Ausgleich suchen und sich bei uns dann im Haus bewerben. Also die sind sicherlich alle sehr, sehr neugierig zunächst mal auf das handwerkliche Tun. Es ist aber im Allgemeinen sehr gut zu beobachten, dass die Schülerinnen und Schüler auch sehr interessiert an den Angeboten sind, also wenn wir zum Beispiel CAD im Unterricht vermitteln oder bei den Graveuren arbeiten wir mit einem Modellierungs-Programm, wo die Schüler am Computer Sachen modellieren, die dann später zum Beispiel auch tatsächlich im 3D-Druckverfahren ausgedruckt werden können. Und es gibt auch diverse Konstruktionsprogramme. Und das sind durchaus Dinge, die die Schülerinnen und Schüler durchaus schätzen und wo sie sehr neugierig sind. Wir erachten es allerdings vom Pädagogischen und Methodischen als durchaus sinnvoll, wenn die Schülerinnen und Schüler alle, bevor sie dann sich dann Digitaltechniken widmen, Erfahrungen also im Modellieren, im Handzeichnen usw. machen, damit auch die Darstellung am Computer, sagen wir mal besser erfasst werden kann und dass man diese abstrahierte Darstellung auch deutlich besser eigentlich interpretieren und lesen kann."
Und hat sich diese Haltung in den letzten Jahren in irgendeine Richtung verändert?
"Also da könnte man jetzt insofern weiter ausholen, wenn man den Zeitraum größer fasst. Als ich vor circa 25 Jahren an die Schule gekommen bin, hatten wir den Computer-Unterricht in einer Nachbarschule abgehalten, weil wir selber eigentlich kaum Computer hatten. Und das war zum damaligen Zeitpunkt für die Schülerinnen und Schüler fast undenkbar, dass sie sich stärker mit dem Rechner beschäftigen. Viele haben damals die Auffassung vertreten, ja ich bin ja in die Schule gekommen, weil ich was Handwerkliches machen wollte und jetzt sitze ich da eine oder zwei Stunden mal am Computer und muss mich damit auseinandersetzen. Und das hat sich einfach wirklich grundlegend verändert. Also heute ist das Vorwissen schon mal ganz breitgefächert, das die Schülerinnen und Schüler mitbringen. Und zudem sehen sie einen ganz klaren Bezug zu der Aufgabenstellung und dass das kein Widerspruch sein muss. Und es ist durchaus so, dass der eine oder andere sich während dieser drei Jahre natürlich dann auch verstärkt auf eine Technik oder auf eine Art der Produktion stärker fokussiert. Einer der letzten Absolventen unserer Schule, der hat sich dann zum Beispiel einen 3D-Drucker selber gekauft und hat sich da unglaublich reingefuchst und hat dann ganz fantastische Modelle auch in seiner Freizeit erstellt und die er dann versucht hat manuell sagen wir mal noch in den Werkstätten umzusetzen. Und da ist es vielleicht auch eine Frage der Zeit, ob er überhaupt den Schritt noch gehen möchte, dass er die Dinge handwerklich selber umsetzt oder ob er die vielleicht irgendwo herstellen lässt. Das ist ja auch interessant, wenn man sich dann überlegt, wie die Kommunikation zwischen Firmen und dem Kunsthandwerker zum Beispiel abläuft, wie man da das Feedback einholt und wie die Ergebnisse dann wirklich ausschauen. Oftmals stellt man sich das ja einfacher vor, dass das digitale Ergebnis dann gleich durch Präzision und so weiter dem handwerklichen Produkt vieles voraushat, das ist aber oftmals nicht so. Also man muss dann oftmals noch viel manuell nacharbeiten um wirklich die Qualität zu haben, die man vielleicht angestrebt hat."
Es gibt aber auch Momente, wo der Einsatz moderner Technik sehr sinnvoll ist. Zum Beispiel bei der Herstellung von Modellen für den Guss, oder?
"Absolut, ja. Es gibt auch Dinge, die machen kaum Sinn, dass man versucht, das digital umzusetzen. Da ist das handwerkliche Ergebnis durchaus besser und schneller. Zum Beispiel bei so Filigranarbeiten hätte ich jetzt genannt, die eine gewisse Lebendigkeit haben, wobei man natürlich Algorithmen auch einbauen kann, dass diese Strukturen, die man digital erzielt, eine gewisse Lebendigkeit haben. Aber es gibt auch Dinge, die man zum Beispiel jetzt schwer handwerklich produzieren kann. Das sind dann oftmals so vollplastische Objekte, die man dann auch hohl herstellen kann und die man theoretisch dann auch nachher gießen kann. Also da würde ich sagen, dass das so in dem Bereich dessen liegt, wo die Gestaltung eigentlich und der Inhalt, die man damit transportieren möchte, die eigentlichen Kriterien darstellen, dass man sich für eine bestimmte Technik entscheidet."
Über die Wissensvermittlung hinaus: Was gibt es denn für Möglichkeiten oder was sind hier in der Schule schon für Ideen entstanden, das Handwerk und die Schule auch in der Stadt präsenter zu machen?
"Also ich glaube, was ganz gut funktioniert hat, auch in der Vergangenheit, war in Kaufbeuren gibt es ja jährlich das Tänzelfest, und während des Tänzelfests war es immer so, dass sich eine ganze Reihe von Schülerinnen und Schülern, begleitet durch Kolleginnen und Kollegen, engagiert haben und zum Beispiel einen Stand betrieben haben, wo sie Münzen geprägt haben oder kleine Schälchen. Also wo das durchaus in einem kunsthandwerklichen Verständnis eigentlich dann weitergetragen wurde. Unsere Schülerinnen und Schüler beteiligten sich häufig auch an Wettbewerben. Wir kooperieren da auch immer wieder mal mit Vereinen vor Ort, für die wir zum Beispiel irgendwelche Medaillen oder so etwas anfertigen. Die Glas- und Porzellanmaler haben an einem Wettbewerb teilgenommen für eine Glasgestaltung in einem Seniorenheim vor Ort. Also da versuchen wir schon deutlich über die Schule hinaus zu arbeiten und zu denken. Dann gibt es auch den Tag der offenen Tür bei uns im Haus, der jährlich stattfindet, im November ist das dann. Und da können sich die Besucherinnen und Besucher die Schule anschauen und können aber auch Arbeiten von den Schülerinnen und Schülern erwerben, was sich mittlerweile oder über die Jahre sehr gut herumgesprochen hat und wo viele dann eigentlich auch zum Einkaufen gehen. Und das Ganze kommt natürlich unseren Schülerinnen und Schülern wieder zugute, weil wir auch die Gelder der Stadt wieder zurückführen können, die uns dann wieder ein Budget für das kommende Schuljahr zur Verfügung stellen."
Soweit Ihnen dazu Zahlen überhaupt bekannt sind: Wieviele der Absolventen bleiben dem Handwerk nach dem Abschluss an Ihrer Schule eigentlich in irgendeiner Form verbunden?
"Also aufgrund dessen, dass ich vor wenigen Jahren mal einen Jahrgang mit Absolventinnen und Absolventen durch das Haus nochmal führen konnte und mich das auch persönlich interessiert hatte, wie der weitere berufliche Werdegang war, war ich sehr positiv überrascht. Also es waren zu dem Zeitpunkt circa 24 Absolventinnen und Absolventen im Haus, und davon waren es circa elf bis zwölf, die nach wie vor in dem erlernten Beruf tätig waren. Und dann waren es vielleicht circa sechs bis sieben Personen, die in einem artverwandten Beruf, sprich Architektur, Kommunikationsdesign oder Produktdesign oder auch für den Film oder fürs Theater oder so gearbeitet haben, sich dort etablieren konnten und die eigentlich durch die Bank auch gesagt haben, dass für sie die Schule eine ganz wesentliche Zeit darstellt, weil sie Grundvoraussetzungen geschaffen hat, die in anderen Berufe nach wie vor sehr, sehr wichtig waren."