Was ist IKE?
Immaterielles Kulturerbe – oder kurz IKE – das sind lebendige Traditionen, wie zum Beispiel Tanz, Theater, Musik, Bräuche, Feste, überliefertes Wissen und traditionelle Handwerkstechniken, die einer Gemeinschaft ein Gefühl der Identität und Kontinuität vermitteln. IKE lebt von der Gemeinschaft, wirkt identitätsstiftend und trägt entscheidend zum gesellschaftlichen Zusammenhalt bei. Anders als das materielle Kulturerbe wie z. B. Baudenkmäler, Kunstwerke oder Kulturlandschaften, die durchgehend präsent und greifbar sind, ist das immaterielle Kulturerbe nur im Moment des Tuns sichtbar. Im Mittelpunkt stehen beim immateriellen Kulturerbe die Menschen, die ihre Traditionen und Werte, ihr Wissen und ihre künstlerischen und handwerklichen Fertigkeiten von Generation zu Generation weitergeben und in Auseinandersetzung mit Natur und Gesellschaft fortwährend neu gestalten. Dadurch tragen sie maßgeblich zur Erhaltung des kulturellen Erbes bei. Die Auseinandersetzungen mit historischen und gegenwärtigen Entwicklungen sind ein wichtiger Bestandteil des IKE.
Das UNESCO-Übereinkommen
Am 17. Oktober 2003 wurde durch die UNESCO das Übereinkommen zur Erhaltung des immateriellen Kulturerbes verabschiedet. Das Übereinkommen sieht auf internationaler Ebene drei Verzeichnisse vor, in die eine kulturelle Ausdrucksform bzw. ein Projekt zur Erhaltung von Ausdrucksformen aufgenommen werden kann:
- Repräsentative Liste des Immateriellen Kulturerbes der Menschheit: ausgewählte kulturelle Ausdrucksformen, die die Vielfältigkeit der Weltregionen sichtbar machen
- Liste des dringend erhaltungsbedürftigen Immateriellen Kulturerbes: kulturelle Ausdrucksformen, die besonders gefährdet sind
- Register Guter Praxisbeispiele: Modellprojekte, bei denen die Ziele des Übereinkommens vorbildlich umgesetzt werden
Bereiche in denen immaterielles Kulturerbe zum Ausdruck gebracht wird:
- Mündlich überlieferte Traditionen und Ausdrucksformen (einschließlich der Sprache als Trägerin des immateriellen Kulturerbes)
- Darstellende Künste
- Bräuche, Rituale und Feste
- Wissen und Bräuche in Bezug auf die Natur und das Universum
- Traditionelle Handwerkstechniken
- Formen gesellschaftlicher Selbstorganisation
Immaterielles Kulturerbe im Sinne des UNESCO-Übereinkommens steht im Einklang mit den bestehenden internationalen Menschenrechtsübereinkünften, dem Anspruch gegenseitiger Achtung von Gemeinschaften, Gruppen und Einzelpersonen sowie der nachhaltigen Entwicklung.
Die Verzeichnisse des immateriellen Kulturerbes in Bayern und Deutschland
Zentraler Teil der Umsetzung des Übereinkommens durch einen Vertragsstaat ist die Einrichtung eines oder mehrerer Verzeichnisse des in seinem Gebiet befindlichen immateriellen Kulturerbes. Durch diese Verzeichnisse und andere Erhaltungsmaßnahmen bietet das Übereinkommen die Chance, die Bedeutung von kulturellen Ausdrucksformen noch stärker in den öffentlichen Fokus zu rücken und damit die staatliche, aber auch die gesellschaftliche Wertschätzung und Anerkennung zum Ausdruck zu bringen.
Die Bundesrepublik Deutschland ist dem UNESCO-Übereinkommen zur Erhaltung des immateriellen Kulturerbes im Jahr 2013 beigetreten. Neben dem Bundesweiten Verzeichnis des Immateriellen Kulturerbes gibt es eigene Länderverzeichnisse in Bayern, Nordrhein-Westfalen, Sachsen, Sachsen-Anhalt, Thüringen und im Saarland. Das Bayerische Landesverzeichnis des Immateriellen Kulturerbes umfasst derzeit 82 Einträge.
Zu den Verzeichnissen auf Landes- und Bundesebene gehört auch jeweils ein Register Guter Praxisbeispiele, in das erfolgreiche und innovative Programme und Projekte aufgenommen werden, bei denen die Grundsätze und Ziele des Übereinkommens vorbildlich umgesetzt werden.
Aus den im Bundesweiten Verzeichnis gelisteten Traditionen wählt die Kulturministerkonferenz im Benehmen mit der Beauftragten für Kultur und Medien der Bundesregierung im Regelfall einmal jährlich eine aus und schlägt diese bei der UNESCO in Paris zur Aufnahme in eines der internationalen Verzeichnisse vor.
Aufnahmekriterien für das Bayerische Landesverzeichnis und das Bundesweite Verzeichnis des Immateriellen Kulturerbes
Kulturelle Ausdrucksformen müssen für eine Aufnahme in das Bayerische Landesverzeichnis und das Bundesweite Verzeichnis verschiedene Kriterien erfüllen; dazu gehören
- eine Weitergabe von Wissen und Können an die nächste Generation, durch die ein Gefühl von Identität und Kontinuität entsteht,
- eine gesellschaftliche Verankerung und aktives zivilgesellschaftliches Engagement,
- eine umfassende und nachweisbare Einbindung der entsprechenden Trägergemeinschaft(en) in den Bewerbungsprozess,
- eine Wandlungsfähigkeit als lebendige Tradition in Auseinandersetzung mit Natur und Gesellschaft,
- die Berücksichtigung einer nachhaltigen Entwicklung,
- die gegenseitige Achtung von Gemeinschaften, Gruppen und Einzelpersonen,
- die Übereinstimmung mit den bestehenden internationalen Menschenrechtsübereinkünften,
- eine freie Zugänglichkeit zu den kulturellen Ausdrucksformen für alle Menschen unabhängig von ihrem Geschlecht, ihrer Herkunft, ihrer Religion oder ihrer Zugehörigkeit zu einer sozialen Gruppe; Ausnahmen müssen sehr fundiert darin begründet sein, dass die Beschränkungen des Zugangs zum Kern der kulturellen Ausdrucksform gehören, etwa durch das besondere Klangbild bei einem Knabenchor.
- eine kritische Betrachtung der historischen Entwicklung, insbesondere während der NS-Zeit bzw. der SED-Diktatur.
Weitere Informationen zu den Aufnahme- sowie den Ausschlusskriterien können im Merkblatt der Deutschen UNESCO-Kommission nachgelesen werden.