FÜRACKER: IMMATERIELLES KULTURERBE STIFTET IDENTITÄT UND STÄRKT DEN ZUSAMMENHALT - 13 Neuaufnahmen in das Bayerische Landesverzeichnis des Immateriellen Kulturerbes

„In Bayern genießen die Pflege und der Erhalt des immateriellen Kulturerbes einen sehr hohen Stellenwert. Das Bewusstsein für die kulturelle Vielfalt der Traditionen im Freistaat stärkt das Wir-Gefühl und trägt entscheidend zum sozialen Zusammenhalt bei, auf den es gerade in dieser schwierigen Zeit besonders ankommt. Ich freue mich sehr, dass das Bayerische Landesverzeichnis um 13 Kulturformen erweitert wird“, teilt Finanz- und Heimatminister Albert Füracker mit. Immaterielle kulturelle Ausdrucksformen wie Bräuche, Feste, Musik, Theater und Tanz sowie überliefertes Naturwissen und traditionelle Handwerkstechniken zählen ebenso wie Kunstwerke und Denkmäler zu den bedeutenden Kulturschätzen in Bayern. Viele Menschen engagieren sich – oft ehrenamtlich – in der Gemeinschaft für die Bewahrung dieses kulturellen Erbes und teilen dabei ihr Wissen und Können. „Das immaterielle Kulturerbe wird von Generation zu Generation weitergegeben und dabei immer wieder neu interpretiert“, erklärt Füracker.

Die folgenden 13 kulturellen Ausdrucksformen werden neu in das Bayerische Landesverzeichnis aufgenommen:

Die Eichensaat und Eichenwirtschaft im Spessart ist eine seit dem 18. Jahrhundert bestehende forstwirtschaftliche Praxis, bei der die regionale Bevölkerung eine tragende Rolle spielt. Die sich aus dieser Praxis der Eichensaat ergebende besondere Kulturlandschaft ist für die Bevölkerung identitätsstiftend und trägt zur Biodiversität bei.

Das Englmarisuchen ist ein seit 1850 ein als religiöses Schauspiel belegter Brauch, der alljährlich am Pfingstmontag in Sankt Englmar stattfindet. Kern des Brauchgeschehens ist ein Umzug in historisierenden Kostümen mit einem von Ochsen gezogenen Wagen zum Kapellenberg. Dort soll nach der Überlieferung der selige Engelmar († um 1100) gelebt haben, ermordet und aufgefunden worden sein.

Der Familienkurs der Orff-Schulwerk Gesellschaft vermittelt seit 1985 die von Dorothee Günther, Gunild Keetman und Carl Orff in den 1920er Jahren entwickelte, improvisationsgeprägte, stark rhythmusgetragene Methode der elementaren Musik- und Bewegungserziehung mit einem kreativen Zukunftsaspekt.

Die Fränkischen Passionsspiele Sömmersdorf finden nach einer ersten Aufführung im Heiligen Jahr 1933 seit den 1950er Jahren etwa alle fünf Jahre als Laienschauspiel mit professioneller Regie statt. Ein großer Teil der Bevölkerung wird dabei einbezogen.

Das Gregorius-Fest ist ein auf das Mittelalter zurückgehendes Schul- und Kinderfest. Es wird heute in einigen Orten Oberfrankens mit einem Umzug der Schulkinder mit Blumenbögen und verzierten Klassenschildern, Vorführungen und traditionellen Spielen gefeiert.

Beim Laudenbacher Osternachtsingen handelt es sich um einen ehemals weit verbreiteten Heischebrauch zur Osterzeit. Bei diesem verkündet ein dreistimmiger Männergesang mit „Raspeln“ (Ratschen) vor jedem Haus die Botschaften von Tod und Auferstehung Christi.

Das Leipheimer Kinderfest mit Tänzen, Umzügen, Spielen und Festsprüchen geht auf die Erntedankfeste nach der großen Hungersnot von 1815/16 zurück. Das für die Stadt und die Region zentrale Fest vermittelt historisches Wissen und steht unter dem Gedanken der Nachhaltigkeit.

Bei der gut 150 Jahre alten Marktredwitzer Krippenkultur sind alljährlich zwischen Weihnachten und dem Dreikönigstag bei etwa 50 Familien großflächige Krippenlandschaften mit Tonfiguren aus heimischen Werkstätten zu sehen. Ein fester Bestandteil des Brauches ist das „Krippenschauen“, das gegenseitige Besuchen der „Kripperer“.

Die heutigen Passagierfloßfahrten auf der Isar und Loisach gehen auf den seit dem Mittelalter regelmäßigen Transport von Personen im südbayerischen Oberland über Wasserwege auf Flößen zurück. Sie stehen sowohl in einer Handwerkstradition als auch im Kontext historischer Formen der Mobilität.

Im Zentrum des bis ins 16. Jahrhundert zurückreichenden Tänzelfestes in Kaufbeuren, das alljährlich für 12 Tage im Juli stattfindet, stehen etwa 2.000 Kinder. Sie spielen in historisierenden Kostümen Ereignisse aus der Stadtgeschichte, von der Karolingerzeit bis ins 20. Jahrhundert nach.

Die bäuerliche, kleinteilig geprägte traditionelle Karpfenteichwirtschaft wird in Bayern seit Jahrhunderten gepflegt. Sie verbindet mit ihrer Handwerkskunst und dem Erfahrungswissen um komplexe ökologische Zusammenhänge kulturlandschaftsprägende und identitätsstiftende Aspekte mit Nachhaltigkeitsdenken und kulinarischem Erbe.

Die Wässerwiesen in Franken sind eine seit dem Mittelalter belegte, meist genossenschaftlich organisierte Wiesenbewässerung mit Grabensystemen, Wehren und von der Strömung angetriebenen Wasserschöpfrädern im Großraum Fürth-Nürnberg-Erlangen. Sie zeichnen sich durch eine hohe Biodiversität aus und haben wichtige Funktionen für das Stadtklima und die regionale Kulturlandschaft.

Der Willibaldsritt im oberbayerischen Jesenwang verbindet eine seit dem 16. Jahrhundert nachweisbare Wallfahrt mit einer Pferdesegnung. Zwei- bis dreihundert Reiterinnen und Reiter reiten dabei direkt durch die Wallfahrtskirche St. Willibald.

Seit 2003 stellt die UNESCO immaterielle kulturelle Ausdrucksformen in den Fokus der Öffentlichkeit. Überall auf der Welt sollen überliefertes Wissen und Können sowie Alltagskulturen sichtbar gemacht, erhalten und gefördert werden. Bis heute sind 178 Staaten dem UNESCO-Übereinkommen zur Erhaltung des Immateriellen Kulturerbes beigetreten. Deutschland ist seit 2013 Vertragsstaat. Neben dem Bundesweiten Verzeichnis des Immateriellen Kulturerbes gibt es in Bayern ein eigenes Landesverzeichnis, das nun 54 Eintragungen enthält. „Die Aufnahme in das Bayerische Landesverzeichnis ist ein Zeichen der Anerkennung und Wertschätzung des bedeutenden Engagements im Zusammenhang mit der aktiven Pflege und Weitergabe von Traditionen an die kommenden Generationen“, betont Füracker.

Die nächste Bewerbungsrunde startet 2021. Informationen zum bundesweit einheitlichen Bewerbungsverfahren finden sich im Internet unter www.ike.bayern.de. Interessierte und Antragsteller können sich bei der Beratungs- und Forschungsstelle Immaterielles Kulturerbe Bayern informieren und beraten lassen (ike@volkskunde.badw.de, Tel.: 089 5155-6144).

 

Bayerisches Staatsministerium der Finanzen und für Heimat
Pressemitteilung Nr. 069/20 vom 02. April 2020